Der Untergrund
Das Klima der Erde schwankte in der geologischen Vorzeit stark, Warm- und Kaltzeiten lösten einander ab. Während der Kaltzeiten schoben sich die Eiskappen von den Polen als gewaltige Gletscher bis hinein in mittlere Breitengrade vor und lagerten sogenannte Geschiebemergel ab. Gleichzeitig sank der Meeresspiegel weit ab, weil große Wassermengen im Gletschereis gebunden sind. Wurde das Klima wieder wärmer, taute das Eis. Es bildeten sich viele Schmelzwasserflüsse, die sogenannte Urstromtäler in den Untergrund einschnitten und darin Sand und Kies ablagerten.


Die jüngste Kaltzeit endete vor etwa 12.000 Jahren und war für große Teile Europas landschaftsprägend. Sie wird Weichseleiszeit genannt und gehört zum Pleistozän, dem Eiszeitalter. In Norddeutschland besteht der oberflächennahe Untergrund in Tiefen von einigen dutzend bis mehrere hundert Meter aus eiszeitlichen Ablagerungen. Die in der letzten Phase des Eiszeitalters, der Weichsel-Kaltzeit, abfließenden Schmelzwässer bildeten unter anderem das Urstromtal der Elbe. Die Ur-Elbe schnitt sich dabei mehr als 50 Meter durch ältere eiszeitliche Ablagerungen bis auf ein Niveau von 35 Metern unter NN. In Hamburg erreichte das Urstromtal eine Breite von etwa 14 Kilometern.
Meeresspiegelanstieg machte sich bemerkbar
Bild rechts: In dem bis in die Gegenwart andauernden Nacheiszeitalter, das auch als Holozän bezeichnet wird, lagerten sich im Urstromtal der Elbe zunächst vorwiegend Fein- bis Mittelsande ab, während sich auf den umliegenden kahlen Höhenflächen (der Geest) allmählich Pflanzen ansiedelten. Ab etwa 5000 v. Chr. machte sich aufgrund des nacheiszeitlichen Meeresspiegelanstiegs der Tideeinfluss auch im Hamburger Raum bemerkbar. Dadurch bildete sich die Marsch, die vor allem durch eine tonige Überflutungsablagerung namens Klei charakterisiert ist. In Zeiten langsameren Meeresspiegelanstiegs entstanden zudem ausgedehnte Niedermoore. Insgesamt war das Holozän geprägt von einem Wechsel von Sedimentation und Erosion. Mit dem Beginn der Eindeichung von Flächen kam es auf diesen allerdings nur noch bei Sturmfluten zu nennenswerter Sedimentation. (Legende: Die Marsch im Großraum Hamburg: Lage der Bille-Siedlung rot, Gewässer blau, ausgewählte Verkehrswege gelb)
Der Boden
Die Entstehung von Böden folgt komplexen Zusammenhängen, die von einer eigenen Wissenschaft namens Pedologie (Bodenkunde) erforscht werden. Das ist umso wichtiger, weil Böden aufgrund der dafür benötigten extrem langen Zeiträume ein nicht vermehrbares Gut sind. Sie müssen deshalb besonders geschützt werden. Wie vielschichtig diese Prozesse sind, zeigt auch der Boden unter der Bille-Siedlung:
Der frisch abgelagerte Klei der Elbe-Marsch ist anfangs schlammig. In eingedeichten und höher gelegenen Bereichen, die nur noch selten überflutet werden, trocknet er aber bald so weit aus, dass sich Gräser und andere Landpflanzen ansiedeln. Pflanzenwurzeln und typische Bodenbewohner wie Regenwürmer belüften und lockern ihn, während verrottende Pflanzenteile für eine Anreicherung mit Humus sorgen. Im anfangs hellgrauen Klei bildet sich in Oberflächennähe ein dunkelgrauer Humushorizont. Zugleich verändert er sich in tieferen Horizonten durch Stoffumlagerungen, die von schwankenden Grundwasserständen ausgelöst werden. Durch den Humushorizont wird eine Nutzung für Acker- und Gartenbau oder Viehhaltung möglich. Allerdings sind dafür in der Regel noch Entwässerungsmaßnahmen nötig. Das liegt daran, dass Niederschlagswasser in dem tonigen Marschboden schwer versickert oder hoch stehende Grundwasserstände abgesenkt werden müssen.
Pseudovergleyte Rigosol-Kleimarsch aus Flussablagerungen (Sand über Ton)
Geländeoberflächen mit Gras- und Brennesselbewuchs

Zur Zeit der Profilaufnahme (Sommer 2011) stand das Grundwasser unterhalb der Profilgrubensohle.
1
Beschreibung des Horizonts: Humoser schluffiger Sand mit Beimengungen von Ziegel- und Glasresten, Schlacke und Steinkohle. Früherer schwerer Marschboden, der zur leichteren Bearbeitung und Reduzierung von Staunässe mit Sand vermischt und vielfach bearbeitet (rigolt) wurde.
Bodenkundliche Einordnung: mehrere humose (h) Oberbodenhorizonte (A) aus durch Bodenbearbeitung umgelagerten Auftragsmassen (M), durch häufige Bodenbearbeitung geprägt (p = pflügen)
2
Beschreibung des Horizonts: Sandiger Klei
Bodenkundliche Einordung: durch Bodenbearbeitung (p) geprägter humoser Oberbodenhorizont (A) sowie Bodenhorizont mit Grundwassereinfluss (G), oxidiert (o)
3
Beschreibung des Horizonts: Stark sandiger Klei
Bodenkundliche Einordnung: mineralischer Bodenhorizont mit Grundwassereinfluss (G), oxidiert (o)
4
Beschreibung des Horizonts: Klei
Bodenkundliche Einordnung: mineralischer Bodenhorizont mit Grundwassereinfluss (G), reduziert (r)/oxidiert (o), Oxidationsmerkmale prägend
5
Beschreibung des Horizonts: Klei mit Sandlagen
Bodenkundliche Einordnung: mineralischer Bodenhorizont mit Grundwassereinfluss (G), oxidiert (o)/reduziert (r), Reduktionsmerkmale prägend
Geprägt von jahrhundertelangem Ackerbau
Das Profil zeigt einen aus Klei entstandenen Boden in der eingedeichten Marsch, in der seit Jahrhunderten Ackerbau betrieben wird. Früher bauten Bauern hier das Gemüse an, das sie auf dem Wasserweg in das nahe Hamburg brachten, um die Stadtbevölkerung zu versorgen. In dem schweren und fetten Kleiboden war die Landwirtschaft mühsam, das galt vor allem für das Hacken und Pflügen. Daher magerten Landwirte ihn durch Sand, um die Bodenbearbeitung und das Versickern von Wasser zu erleichtern. Den Sand holten sie mit Schubkarren aus dem Deichvorland und pflügten ihn ein. Mit der Zeit entstand so ein etwa 0,5 Meter mächtiger, ziemlich sandiger humoser Oberboden.
Früher war noch keine Abfalltrennung üblich. Müll und anderes Unbrauchbares, Herdasche sowie Schlacke wanderten einfach auf dem Misthaufen. Bei der Düngung gelangten diese Dinge dann als Beimengungen mit auf den Acker und finden sich heute im Oberboden des Profils.
Schwankungen des Wasserstands
Im Unterboden findet sich der ursprüngliche Klei, teils sandig oder mit Sandlagen. Die grauen bis braunen sowie lebhaft rostroten Farben zeugen von Schwankungen des Wasserstands. Diese führten im Boden abwechselnd zu Vernässung mit Sauerstoffmangel (Graufärbung) und Austrocknung mit Belüftung (Rostfärbung).
Zur Zeit der Profilaufnahme im Sommer 2011 war die Profilgrube bis zu ihrer rund 1,2 Meter unter dem Gelände liegenden Sohle trocken. Eine im Frühjahr 2011 nur wenige Meter weiter nördlich auf gleicher Höhe angelegte Profilgrube füllte sich dagegen innerhalb kurzer Zeit bis wenige Dezimeter unter Geländehöhe mit Wasser. Das zeigt die im Jahresverlauf niederschlagsabhängig wechselnden Wasserstände. Im Winter und Frühling sind sie hoch, im Sommer und Herbst dagegen tief.
Abhängig von den Gezeiten
Die Schichten im unteren Bodenprofil stehen über Schichten von Flusssand mit unregelmäßigen Kleilagen mit dem Elbtalwasserleiter in Verbindung. Dessen Grundwasserstand wird nahe der Elbe stark von den Gezeiten mit einem Tidenhub (Abstand zwischen Hochwasser und Niedrigwasser) von etwa 3,5 Metern beeinflusst. Die Tidewirkung im Grundwasserleiter schwächt sich allerdings mit zunehmendem Abstand vom Fluss ab. Im Profil, das mehrere hundert Meter von der Elbe entfernt ist, machen die tidebedingten Grundwasserspiegelschwankungen schätzungsweise mehrere Zentimetern bis Dezimeter aus. Da das Grundwasser in Richtung Elbe fließt, werden aus dem Boden Nährstoffe herausgespült.
Eigentlich ein natürlicher Grundwasserboden
Zugleich wird der Wasserspiegel im Boden durch die Marschentwässerung, die das eingedeichte Land vor dem Absaufen bewahren soll, zusätzlich abgesenkt. Gäbe es alle genannten Einflüsse nicht, stünde das Grundwasser etwa auf Meeresspiegelhöhe und damit rund 75 Zentimeter unter Gelände. Das hier gezeigte Profil wäre natürlicherseits ein Grundwasserboden (ein sogenannter Gley), der im Grundwasserbereich wegen Sauerstoffmangels durchgehend grau wäre. Dass er das nicht ist, ist das Ergebnis von Eingriffen in die Natur. Letztlich handelt es sich also um einen Grundwasserboden, der teils durch menschlichen Einfluss verändert wurde. Dieser gerät bei längerem Regenwetter zudem von oben her unter Staunässe, weil sich dann Sickerwasser über dem stärker tonigen Horizont IVGor1 staut.
