Zeitgleich Umweltwärme speichern, Gebäude klimaneutral kühlen, Regenwasser gewinnbringend managen und einen (Klein-)Garten pflegen – wie soll das denn gehen? Das geht, durch die clevere Fusion eines im Boden eingegrabenen Eisspeichers mit Freiflächennutzungen.
Eine idyllische Szene: Ein Rentnerpaar hat Besuch von den Enkelkindern. Während die auf der grünen Wiese herumtoben, pflegt Oma das Rosenbeet, während Opa das Unkraut rund um die Gemüserabatte jätet. Die Szene spielt direkt vor den 50er-Jahre-Häusern der Wohnungsbaugenossenschaft Eisenbahnbauverein Harburg in Hamburg-Wilstorf. Das Besondere an dem Nachbarschaftsgarten ist unsichtbar: Darunter liegt ein Eisspeicher, der über eine der größten Eisspeicher-Heizungen Deutschlands seit Oktober 2014 insgesamt 483 Wohnungen des Wohngebietes mit Wärme versorgt. Früher gab es nur umweltunfreundliche und ineffiziente Elektrospeicheröfen in dem Wohnquartier. Acht Millionen Euro wurden in die Anlage investiert. Für eine neue, zukunftsfähige Heizanlage dieser Dimension keine ungewöhnliche Summe.
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Effekte
Klimaschutz: Erzeugung und Speicherung von erneuerbarer Wärme, klimaneutrale Gebäudekühlung, Sektorkopplung Strom/Wärme
Klimaanpassung: Verdunstungskühlung, Kontrolle der Wärmeabstrahlung, Regenwasserversickerung
Der unterirdische Hohlkörper misst acht Meter in der Höhe, hat einen Durchmesser von 20 Metern und fasst 1,68 Millionen Liter Wasser. Im Sommer nimmt er Solarwärme, Wärme aus der Luft und aus dem Erdreich auf. Dafür sorgen Solar-Luft-Kollektoren auf einer Dach-Gesamtfläche von 430 m2. Das den Eisspeicher umgebende Erdreich dient einerseits als Isolierung, andererseits ebenfalls als Wärmequelle. Im Winter entzieht eine Wärmepumpe dem Speicher die Energie, um damit die Wohnungen zu beheizen und Brauchwasser zu erwärmen. Die Eisspeicherheizung deckt Dreiviertel des Wärmebedarfs und spart rund 1.200 Tonnen CO2 pro Jahr. Die Kosten für Heizung und Warmwasser sinken jährlich so um durchschnittlich 50 Prozent.
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1.200 Tonnen CO2 spart die Eisspeicherheizung in Hamburg-Wilstorf pro Jahr.
Diese zehn faszinierenden Fakten zu Eisspeichern sollten Sie kennen.
1. Das Grundprinzip: Eisspeicher dienen der Zwischenspeicherung von Umweltwärme, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zur Warmwasserbereitung und zum Heizen durch den Einsatz einer Wärmepumpe bereitzustellen. Umweltwärmequellen sind Luft, Sonne und im Erdreich gespeicherte Wärme, die über Solarluftabsorber und Geothermie gewonnen werden. Auch Abwasserwärme oder Abwärme aus Gebäuden und Industrieprozessen sind als Quelle für Zwischenspeicher nutzbar.
Im Sommer wird das Wasser im Speicher erwärmt. Im Winter wird dem Wasser die Wärme durch Wärmepumpen entzogen, bis es gefriert. Dabei wird latente Wärme aus dem Eisspeicher von der Wärmepumpe auf ein nutzbares Temperaturniveau gebracht und für Beheizung und Warmwasserbereitung bereitgestellt. Sobald wieder Umweltwärme verfügbar ist, schmilzt das gefrorene Wasser im Eisspeicher und wird auf eine Temperatur von etwa 25° C erhitzt. Dieser Prozess von Gefrieren und Erwärmen des Eisspeichers lässt sich beliebig oft wiederholen und macht das System zu einer unbegrenzten und klimaneutralen Wärmequelle.
2. Das Umkehrprinzip: Im Zusammenspiel mit Wärmepumpen lassen sich Eisspeicher auch zur Kühlung von Gebäuden einsetzen. Die Raumwärme aus den Gebäuden kann ebenfalls als Wärmequelle dienen und den Speicher erwärmen, was zur Steigerung der Gesamteffizienz des Energieversorgungssystems beitragen kann. Klimaanlagen werden dadurch unnötig.
3. Die Vielfalt: Eisspeicher bieten sich für Einzelgebäude und Quartiere mit Wärmenetz an und können unter befestigten Platz- oder Sportflächen eingebaut werden.
4. Die Effekte: Da sich in Eisspeichern jahreszeitlich bedingt verfügbare Umweltwärme – wie Sonnenwärme im Sommer – zwischenspeichern lässt, sind sie ganzjährig einsetzbar und erhöhen dadurch den Anteil an der erneuerbaren Wärmeversorgung. Sogar „überschüssiger“ Strom aus Windkraftanlagen und PV-Kraftwerken ist mit Heizstäben für die Erwärmung des Eisspeichers nutzbar. So trägt der Eisspeicher dazu bei, dass weniger Anlagen in Zeiten hoher Produktion heruntergefahren werden müssen, weil der Strom gerade nicht gebraucht wird.
In der Bauphase: Zehn Meter tief liegt der Hohlkörper mit seinem 20-Meter-Durchmesser im Erdreich und fasst 1.680 Kubikmeter Wasser.
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5. Die Sicherheit: Sollte es zu einer – höchst unwahrscheinlichen – Leckage kommen, sind keine negativen Folgen für die Umwelt zu befürchten, da der Eisspeicher ausschließlich mit Leitungs-, Grund- oder Regenwasser gefüllt wird.
6. Das Klima: Der Einbau eines Eisspeichers versiegelt nicht den Boden. Wird die Fläche über ihm bepflanzt, trägt das zur Abkühlung der Umgebung bei. Die Integration in eine Versickerungsmulde hilft bei der Regeneration des Eisspeichers und intensiviert den Wärmetransport. Deshalb bietet sich die Kombination mit Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung an, die eine wichtige Rolle für die Klimaanpassung spielen.
7. Die Ersparnis: Warmwasserbereitung und Heizung tragen viel bei zum Energiebedarf von Gebäuden. Die Nutzung einer regenerativen Wärmequelle spart Heizkosten. Die Betriebskosten der Anlagen sind sehr preisstabil und werden in Zukunft deutlich geringer ausfallen als bei Anlagen mit Brennstoffeinsatz, da diese Preissteigerungen unterliegen – wie beispielsweise CO2-Abgabe auf Erdgas. Eisspeicher sind robust bei geringem Wartungsaufwand.
8. Der Standort: Ideal sind öffentliche oder private Grün-, Spiel- und Platzflächen. Der Einbau sollte nah an Verbrauchsort und Wärmepumpe erfolgen, um Leitungen und deren Wärmeverluste zu sparen. Eisspeicher sind eine Alternative, wenn Erdsonden oder -kollektoren wegen Grundwasserschutz oder Flächenbegrenzung unmöglich sind. Ist die entsprechende Traglast abgesichert, können Eisspeicher auch unter Parkplätzen, Grundstückszufahrten oder Carports angelegt werden, denn ihre Wartung benötigt nur einen kleinen Schachtzugang.
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1,68 Millionen Liter Wasser fasst Hamburgs größter Eisspeicher
9. Die Planung: Für einen Eisspeicher ist weder eine aufwendige Bohrung noch – zumindest in den bisher gebauten Größen – eine umweltrechtliche Genehmigung erforderlich, was die Planung vereinfacht und verkürzt. Je nach Größe besitzt ein Eisspeicher erhebliches Volumen und erfordert eine entsprechend große und tiefe Baugrube von mindestens vier Metern. Baufahrzeuge müssen anfahren können. Zu beachten sind die rechtlichen Vorgaben zum Baumschutz auf Baustellen und die anerkannten Regeln der Technik, um Wurzeln und Äste zu schützen. Der Bodenaushub eignet sich als Füllboden auf Baugrundstücken zur Geländemodellierung.
10. Die Nutzung: Tiefwurzelnde Pflanzen können zwar nicht darüber eingepflanzt werden, aber Sträucher, Rasen oder Stauden. Da Eisspeicher geschlossene Systeme sind, ist nicht zu befürchten, dass Bäume mit ihrem Wurzelwerk in sie eindringen. Baumpflanzungen im direkten Umfeld des Eisspeichers sind uneingeschränkt, solange der Planungsgrundsatz beachtet wird, dass Bäume mit einem Abstand von 2,50 Metern von Leitungen und Kanälen zu pflanzen sind (Merkblatt DWA-M162).
So funktioniert der Eisspeicher
Die Darstellung ist nicht maßstabsgetreu, um beispielhaft den Aufbau von Eisspeichern im Detail zeigen zu können.
Faktor 3 AG
So funktionieren Erdsonden
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Solarthermieanlage:Aus Sonnenenergie wird auf dem Dach erneuerbare Wärme erzeugt. Wird diese im Sommer nicht benötigt, dient sie der Regeneration des Eisspeichers (Auftauen).
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Eisspeicher: Der mit Wasser gefüllte, nicht isolierte Tank ist von etwa einem Meter Boden überdeckt. Er ist mit Kunststoffleitungen durchzogen, die mit einem Wasser-Glykol-Gemisch gefüllt sind, womit dem Wasser Wärme zugeführt oder entzogen wird.
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Wärmepumpe: Eine Wärmepumpe bringt die gering temperierte Wärme aus dem Eisspeicher auf eine zu Heizzwecken geeignete Temperatur.
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Heizbetrieb: Bei Wärmebedarf in der kalten Jahreszeit wird dem im Sommer regenerierten Eisspeicher über die Wärmepumpe die Wärme entzogen, bis das Wasser gefriert. Der Clou: Die Kristallisationswärme setzt zusätzlich Energie frei. Beim Phasenwechsel von Wasser zu Eis wird ungefähr so viel Wärme frei, wie zum Erwärmen derselben Menge Wasser von 0°C auf 80°C benötigt wird. Der Prozess ist beliebig oft wiederholbar.
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Erdreich: Sinkt die Wassertemperatur im Eisspeicher unter die Temperatur des umgebenden Erdreichs, nimmt der Speicher auch die Erdwärme auf. Das ist für Boden und Bodenlebewesen unbedenklich.
Optimierung für einen Beitrag zur Klimaanpassung
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Ohne Treihausgasausstoß: Der Eisspeicher kann auch klimaneutral kühlen. Dabei wird überschüssige Wärme aus den Gebäuden dem Eisspeicher zugeführt.
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Begrünung: Die Fläche über dem unterirdischen Eisspeicher sollte bepflanzt sein. Durch eine Schicht Mutterboden kann ein Garten entstehen.
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Regenwasserversickerung: Über und rund um den Speicher regeneriert versickerndes Regenwasser den Boden, da es kontinuierlich Wärme aus dem umliegenden Erdreich hierher umverteilt.