Rückgang der Wildbienen
In Deutschland sind etwa 50 Prozent der rund 570 Wildbienenarten gefährdet. Diese Bedrohung ist vor allem auf die intensive Landwirtschaft zurückzuführen, die durch den Einsatz von Pestiziden, Überdüngung und den Verlust von natürlichen Lebensräumen wie Wiesen und Hecken das Überleben der Wildbienen erschwert. Auch in städtischen Gebieten wie Hamburg haben Wildbienen zunehmend Probleme, insbesondere durch die Konkurrenz mit Honigbienen. Während Wildbienen in der freien Natur auf eigene Nistplätze angewiesen sind und oft nur bestimmte Pflanzenarten bestäuben können, erhalten Honigbienen vom Menschen Unterstützung bei der Nahrungssuche und Nistplatzwahl, was ihnen gegenüber Wildbienen deutliche Vorteile verschafft.
Fehlinterpretation des Naturschutzes durch „Beewashing“
Es gibt ein weit verbreitetes Missverständnis, dass das Aufstellen von Honigbienenvölkern dem Naturschutz dient. Unternehmen werben oft mit Slogans wie „Rettet die Bienen“, was den Eindruck erweckt, dass Honigbienen bedroht sind. Tatsächlich sind es jedoch die Wildbienen, die gefährdet sind. Die ursprüngliche Wildform der Honigbiene, die Dunkle Europäische Biene (Apis mellifera mellifera), gilt seit 1975 in Deutschland als ausgestorben. Alle heute existierenden Honigbienen sind vom Menschen gehaltene Nutztiere, die keine spezifischen Nistplätze benötigen und von Menschen gepflegt werden.
Einfluss von Honigbienen auf Wildbienen
Unzählige wissenschaftliche Studien zeigen, dass Honigbienen in Naturschutzgebieten Wildbienen verdrängen können, was sich negativ auf Pflanzen und das gesamte Bestäubungsnetzwerk auswirkt. Wenn Honigbienen die Nahrung in einem Gebiet dominieren, besuchen Wildbienen signifikant weniger Pflanzenarten, was zu einem verringerten Fortpflanzungserfolg der Pflanzen führt. Pflanzen, die fast ausschließlich von Honigbienen bestäubt werden, produzieren oft weniger Samen und Früchte. Weitere Erkenntnisse zeigen, dass eine hohe Dichte von Honigbienenvölkern die Nektarerfolge von Wildbienen um 50 Prozent und deren Vorkommen um 55 Prozent reduziert. Diese Konkurrenz erstreckt sich über große Gebiete rund um die Bienenstöcke. Die Risiken der Einführung hoher Dichten von Honigbienen in Schutzgebieten unterstreicht zudem eine aktuelle Studie aus Italien, wo die Häufigkeit zweier Wildbienenarten innerhalb von vier Jahren um im Schnitt ca. 80 Prozent zurückging.
Ergebnisse und Fazit
Eine aktuelle Metastudie fasst die Ergebnisse von 216 Studien zusammen und empfiehlt, Honigbienen in Schutzgebieten zu verbieten, um die Wildbienen und deren Lebensräume zu schützen. Zudem sollte die Öffentlichkeit besser informiert werden, um Missverständnisse und „Beewashing“ zu vermeiden, bei dem Maßnahmen fälschlicherweise als Naturschutz dargestellt werden. Besonders in urbanen Gebieten wie Hamburg können hohe Dichten von Honigbienenvölkern negative Auswirkungen auf die Wildbienen haben, darunter Nahrungskonkurrenz und die Übertragung von Krankheiten.
In Hamburg wird das Aufstellen von Bienenstöcken in Naturschutzgebieten folglich seit 2023 abgelehnt. Die mittlere Dichte an Honigbienenvölkern beträgt in Hamburg im Schnitt mittlerweile etwa elf Völker pro Quadratkilometer, sodass es auch Gebiete mit geringeren und höheren Dichten geben wird. Naturschutzgebiete als Rückzugsorte vieler seltener, gefährdeter und spezialisierter Arten sollen durch diese Maßnahme entsprechend zu den Gebieten mit einer möglichst geringen Dichte und damit Konkurrenz mit Honigbienen gehören. Zudem wird neben weiteren Maßnahmen zur Verbesserung der Habitatqualität darüber aufgeklärt, dass die Honigbiene keine bedrohte Art ist und ein Aufstellen von Völkern nicht als Naturschutzmaßnahme gilt.
Weiterführende Literatur
- COLLA SR 2022: The potential consequences of ‘bee washing’ on wild bee health and conservation. International Journal for Parasitology: Parasites and Wildlife 18: 30-32. Link
- FÜRST MA et al. 2014: Disease associations between honeybees and bumblebees as a threat to wild pollinators. Nature 2014 Feb 20, 506 (7488): 364-6. Link
- GELDMAN J & GONZÁLES-VARO JP 2018: Conserving honey bees does not help wildlife. High densities of managed honey bees can harm populations of wild pollinators. Science, 26.1.2018, Vol. 359 Issue 6374 (AAAS). Link
- HALLMANN CA et al. 2017: More than 75% decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. PlosOne 12 (10). Link
- HENRY M & RODET G 2018: Controlling the impact of the managed honeybee on wild bees in protected areas. Scientific Reports 2018, 8: 9308. Link
- IWASAKI JM & HOGENDOORN K 2022: Mounting evidence that managed and introduced bees have negative impacts on wild bees: an updated review. Current Research in Insect Science 2 (2022): 100043. Link
- MALLINGER RE et al. 2017: Do managed bees have negative effects on wild bees? A systematic review of the literature. PloSOne 12: e0189268. Link
- PASQUALI L et al. 2025: Island-wide removal of honeybees reveals exploitative trophic competition with strongly declining wild bee populations. Current Biology, in press. Link
- SCHWENNINGER HR et al. 2024: Zur Honigbienenhaltung in Naturschutzgebieten. Anthophila Jahrgang 2 (2024) Ausgabe 1: 22-50. Link
- VALIDO A et al. 2019: Honeybees disrupt the structure and functionality of plant-pollinator-networks. Scientific Reports, 9: 4711. Link
- WALTHER-HELLWIG K et al. 2006: Increased density of honeybee colonies affects foraging bumblebees. Apidologie 37/2006, S. 517-532. Link
- WESTRICH P 2018: Die Wildbienen Deutschlands. Ulmer, Stuttgart.