Das rund 21.000 qm große Gebäude wurde 2006 vom damaligen Senat im Rahmen eines umfangreichen Immobilienpakets des viel kritisierten Projektes Immobilienmobilisierung (PRIMO) veräußert. Nach dem Rückkauf soll eine denkmalgerechte Sanierung unter Berücksichtigung energetischer Aspekte im stadtinternen Mieter-Vermieter-Modell geprüft, vorbereitet und umgesetzt werden. Damit ist gesichert, dass das ikonische Gebäude auch weit nach seinem 100. Geburtstag 2026 als Dienstsitz der Finanzbehörde und dem Rechnungshof langfristig weiter zur Verfügung steht. Auf Basis eines Verkehrswertgutachtens konnte ein wirtschaftlich vertretbarer Kaufpreis von 119 Mio. Euro mit der Verkäuferseite vereinbart werden. Die Finanzierung des Ankaufs wird aus investiven Haushaltsreserven im laufenden Haushalt 2023/2024 ohne Kürzungen an anderer Stelle finanziert.
Finanzsenator Dr. Andreas Dressel: „Mit dem Erwerb können wir unser historisch wertvolles Dienstgebäude, das seit seiner Erbauung 1926 Sitz der früheren Finanzdeputation und heutigen Finanzbehörde ist, wieder in unser städtisches Portfolio aufnehmen. Der Gänsemarkt 36 ist ein bedeutendes Kulturdenkmal, eine kunsthistorische und stadtplanerische Ikone für die Hansestadt. Mit diesem Gebäude prägte Hamburgs bekanntester Baumeister Fritz Schumacher das Stadtbild der Hamburger Innenstadt maßgeblich. Ich danke der Verkäuferseite für die konstruktiven Gespräche im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen. Der Rückkauf fügt sich nahtlos in unsere Strategie ein, die städtische Eigentumsquote durch Ankäufe, insbesondere in Bezug auf eigengenutzte Immobilien, zu erhöhen. Dort, wo sich im Einzelfall Erwerbsmöglichkeiten zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen ergeben und ein wichtiges städtisches Ankaufsinteresse besteht, können wir damit den nachteiligen PRIMO-Deal des damaligen Senats korrigieren – eine gute Nachricht für die Stadt, genau wie der kürzlich vollzogene Ankauf des Wandsbeker Rathauses in der Schloßstraße.“
Prof. Katja-Annika Pahl, Vorsitzende der Fritz-Schumacher-Gesellschaft e. V. (die sich insbesondere dem Erhalt des städtebaulichen Erbes von Fritz Schumacher widmet): „Wir freuen uns sehr über die kluge Entscheidung der Stadt, das Gebäude der Finanzbehörde zurück zu erwerben! Vor über einem Jahrhundert entwarf Fritz Schumacher dieses Haus als flexiblen Bürobau für die Finanzdeputation. Seither definiert es mit seinen prägnanten Fassaden das Bild des Gänsemarktes. Nun ist nicht nur eine Kontinuität in der Nutzung gesichert, sondern vor allem die Basis für eine gute Sanierung geschaffen, die die außergewöhnlichen Qualitäten dieses Hauses mit seinen zu großen Teilen noch im Originalzustand erhaltenen Räumen und Details im Blick hat. In unseren Augen eine sehr gute Nachricht für Hamburg!“
Herbert Hofbauer, Vorstand „PPS Immobilien Holding GmbH: „Wir freuen uns, das bedeutsame Baudenkmal Gänsemarkt 36 an die Freie und Hansestadt Hamburg zurückgeben zu dürfen. Als jahrzehntelange Nutzerin der Immobilie ist die Freie und Hansestadt Hamburg die denkbar beste Erwerberin. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass dieses kunsthistorisch wertvolle Gebäude von der neuen Eigentümerin in das nächste Jahrhundert seines Bestehens begleitet wird. Wir bedanken uns bei der Freien und Hansestadt Hamburg für die stets konstruktiv geführten Gespräche, die von unseren Beratern CBRE und Chatham Partners mit viel Umsicht und Sachverstand begleitet werden."
Rückkauf Gänsemarkt 36 – die wichtigsten Fragen
1. Warum ist das Gebäude für die Stadt so wichtig?
Das Gebäude Gänsemarkt 36 ist eines der wichtigsten Zeugnisse des Wirkens von Fritz Schumacher in Hamburg. Sein Ziel, mit diesem großen, öffentlichen Gebäude einen quantitativen und qualitativen Impuls für die Neugestaltung des Gänsemarktes zu schaffen, konnte vorbildlich realisiert werden. Seit 1977 ist das Gebäude anerkanntes Denkmal. Für die Finanzbehörde als Finanzbehörde gebaut, stadtbildprägend und identitätsstiftend für Stadt und Verwaltung - bald 100 Jahre alt.
Neben dem Schriftzug Finanzdeputation zeigen Ornamente am Haus u. a. das Hamburger Wappenbild sowie die Segelschifffahrt und den Fischfang und verweisen auf das Handwerk. Die Bauplastiken an den Außenfassaden stammen von Richard Kuöhl, Keramiker, Bildhauer, Mitglied der Hamburger Sezession und enger Weggefährte von Fritz Schumacher. Vom Valentinskamp kommend liegt der ebenfalls von Richard Kuöhl prächtig ausgestattete heutige Festsaal als Eingangshalle (neben der bekannten ehemaligen Kassenhalle, jetzt Leo-Lippmann-Saal). Die Kassettendecke als Tonnengewölbe, Marmorfußboden und reich verzierte Pfeiler und Pilaster mit gelb und grün glasierter Keramik sowie der für Schumacher Bauten geläufige Keramikbrunnen an der Stirnseite der Halle sind original erhalten. Der Festsaal wird wegen der Ähnlichkeit der Säulen zu Bananenstauden gerne auch als Bananensaal bezeichnet. Er wurde in den 1980er Jahren originalgetreu restauriert.
2. Warum Kauf und nicht Verlängerung Mietvertrag?
Die Immobilie Gänsemarkt 36 wurde 2006 vom damaligen Senat der FHH im Rahmen des Projektes Immobilienmobilisierung (PRIMO) veräußert. Zeitgleich wurde das Gebäude durch das Immobilien-Service-Zentrum für die FHH bis zum 31. Mai 2026 zurückgemietet.
Unter dem geltenden Mietvertrag wäre es wirtschaftlich nicht vertretbar, als Mieter in dem erforderlichen Umfang in das Objekt zu investieren, auch wenn man von einer Verlängerungsoption Gebrauch machen würde, da aufgrund der kurzen Restnutzungsdauer bis maximal 2036 sich solche Ausgaben insgesamt nicht mehr amortisieren können.
Die 2006 gefassten PRIMO-Vertragsregelungen hinsichtlich der Unterhaltungslast zwischen Mieter und Vermieterin waren nicht hinreichend eindeutig. Ob Maßnahmen samt Kostentragungen dem Zuständigkeitsbereich des Mieters oder der Vermieterin zuzuordnen sind, war insbesondere bei Sicherstellung der Betriebssicherheit sowie der Erhaltung der Gebäudesubstanz (Brandschutz, Elektrik oder Kellersohlensanierung) unklar.
Jede zukünftig geartete (Mietvertrags-)Lösung hätte sicherstellen müssen, dass das Thema Gebäudeunterhaltung in einem neuen Mietvertrag zwischen Mieter und Vermieterin eindeutig geregelt ist.
Durch Verkaufsbereitschaft der Eigentümerin ab 2022 neue Situation.
3. Ist der Rückkauf zu dem Preis gerechtfertigt?
Der gutachterlich ermittelte Verkehrswert der Immobilie beläuft sich auf 109 Mio. Euro. Der Angebotspreis von 119 Mio. Euro liegt 10 Mio. Euro und damit rund 9,2 Prozent über dem Verkehrswert. Der Erwerb der Immobilie ist gleichwohl zu diesem Preis gerechtfertigt und insgesamt wirtschaftlich. Ein wesentlicher Faktor bei der Ermittlung des Verkehrswertes sind die für ein Objekt vereinbarten Mietansätze. Wegen des Underrents im aktuellen Mietvertrag der FHH mit der Eigentümerin wurde im Verkehrswertgutachten für die Immobilie Gänsemarkt 36 ein Abzug um 9,4 Mio. Euro vorgenommen. Berücksichtigt man die Funktionseinschränkungen, kann die Finanzbehörde im Objekt als Nutzer wirtschaftlich keine Maßnahmen ergreifen, um die Betriebssicherheit zukünftig zu gewährleisten. Praktisch kommt deshalb neben dem vorgeschlagenen Erwerb nur eine Anmietung von anderen Büroflächen in Betracht. Dann aber würde die FHH die Vorteile aus dem Underrent verlieren und eine aktuelle Marktmiete an anderem Ort zahlen müssen. Vor diesem Hintergrund ist es vertretbar, den Underrent nicht als Abzugsposition bei der Erwerbsentscheidung zu betrachten, da er bei jeder sachgerechten Handlungsalternative für die FHH ebenfalls verloren ginge.
Ein weiteres Argument, das den Erwerb für einen über dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis rechtfertigt, ist der im Mietvertrag mit zwei Jahren unüblich lang vereinbarte Indexzeitraum. Denn die Indexanpassung wäre zwar erst wieder in 2024 zu vollziehen; die Erhöhung aus dem Vorjahr hätte sich aber bereits aktuell realisiert und würde bei einer zukünftigen Wertbetrachtung vollständig angesetzt werden. Die letzte Überprüfung zum 1. Januar 2022 hatte eine Anpassung des Mietzinses in Höhe von 8,3 Prozent zur Folge. Das Statistische Bundesamt gibt die Inflationsrate mit 6,9 Prozent für das auf die letzte Anpassung folgende Jahr an. Somit ist bei einer vorgezogenen, hypothetischen Indexanpassung um diese 6,9 Prozent ein Aufschlag von rund 2,7 Mio. Euro auf den ermittelten Verkehrswert gerechtfertigt.
4. Wie wird der Rückkauf bezahlt?
Der Ankauf selbst wird aus dem Einzelplan 9.2 „Zentrale Verstärkung Investitionen“, mithin aus vorhandenen investiven Haushaltsreserven, finanziert. Dafür muss an keiner anderen Stelle etwas gekürzt werden.
Kurzfristig positiv: Die ab dem Ankauf nicht mehr anfallenden Mietkosten sowie die in den Haushaltsjahren 2023 und 2024 (noch) nicht anfallenden Sanierungskosten verbessern über die Ergebnisrechnung das Eigenkapital der FHH.
Mittelfristig: Die Finanzierung der späteren Sanierung über das MVM-Modell wird mit gesonderter Drucksache geregelt (Erhöhte Investitions-Miete fließt aber dann in Kasse eines städtischen und nicht privaten Unternehmens).
5. Wie geht es weiter?
Durch den Ankauf sichert sich die FHH die Möglichkeit, die Sanierung im Eigentum angehen zu können. Die Wertentwicklung verbleibt bei der Stadt.
Nach dem Eigentumsübergang soll in einer Phase 2 vorbereitet und geplant werden, das Gebäude im Rahmen des Mieter-Vermieter-Modells zu sanieren und weiterhin für die Verwaltung zu nutzen.
Senat wird in einer gesonderten Drucksache Ergebnis der Sanierungsprüfung und Vorgehen darstellen. Dabei wird auch eine über die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des reinen Ankaufs hinausgehende, das Gesamtvorhaben berücksichtigende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung enthalten sein.
Es sollen bei der Prüfung auch die Senatsvorgaben bezüglich der Erhöhung von Effizienzen Berücksichtigung finden: Dies bedeutet eine Reduzierung des Flächenverbrauchs pro Mitarbeiter/Mitarbeiterin, u. a. durch Einführung von Desk-Sharing-Modellen. Ziel sind auch Maßnahmen zur energetischen Sanierung in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt. Auch die Fritz-Schumacher-Gesellschaft soll dabei konsultiert werden.
6. Kauft Hamburg jetzt alle PRIMO-Objekte zurück?
Dass die PRIMO-Verträge nachteilig sind, konnte beim Objekt Gänsemarkt 36 erneut gezeigt werden. Der Rückkauf aller Objekte ist aber weder bezahlbar noch zielführend. Wie auch beim Rückkauf des Bezirksamtes Wandsbek geht es um eine Einzelfallbetrachtung. Dort, wo sich im Einzelfall Erwerbsmöglichkeiten zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen ergeben und ein wichtiges städtisches Ankaufsinteresse besteht, kann Hamburg damit den nachteiligen PRIMO-Deal des damaligen Senats korrigieren. Die Prüfungen zu den übrigen Behördenstandorten gehen parallel weiter; unterschiedliche Lösungen sind denkbar (u. a. Mietvertragsverlängerungen, Neuanmietungen, Neuerwerbe), werden behördenübergreifend gemeinsam geprüft.
Mehr zum historischen Hintergrund:
https://www.hamburg.de/fb/wir-ueber-uns/26724/historie-finanzbehoerde/
https://www.hamburg.de/fb/wir-ueber-uns/26726/historie-gebaeude/
https://www.hamburg.de/fb/wir-ueber-uns/26728/historie-lippmann/
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