Wer kann eine Härtefallregelung in Anspruch nehmen?
Nach Versand der Grundsteuerbescheide kann beim Finanzamt für Verkehrsteuern und Grundbesitz ein Erlass der Grundsteuer nach § 8 Hamburgisches Grundsteuergesetz beantragt werden. Es wird im jeweiligen Einzelfall geprüft, ob ein besonders gelagerter Härtefall vorliegt, der auf einer so genannten „Äquivalenzstörung“ beruht, weil es zu einem vom Hamburger Grundsteuermodell nicht intendierten, systemwidrigen Ergebnis kommt. Eine Äquivalenzstörung liegt vor, wenn die Teilhabe an der nicht durch Gebühren und Beiträge gedeckten Infrastruktur nur eingeschränkt möglich ist. Der Härtefall soll durch ein qualifiziertes Gutachten nachgewiesen werden.
Ein allgemeiner wertbezogener Erlass, z.B. bei einer Verdoppelung werden x Prozent erlassen, ist leider rechtlich nicht möglich. Der Wert oder Rohertrag eines Gebäudes können bei einem Erlass nach § 8 Absatz 1 Hamburgisches Grundsteuergesetz nicht berücksichtigt werden.
In den folgenden Beispielen ist der Erlass nur für den Anteil der Grundsteuer möglich, der auf das Gebäude entfällt.
1.) Eingeschränkte Erreichbarkeit durch die Lage
Eine Lage, die ganz erheblich von den ortsüblichen Verhältnissen abweicht und aufgrund derer eine stark eingeschränkte Äquivalenz für das Gebäude vorliegt.
Beispiel:
Ein Einfamilienhaus ohne Anschluss an das Straßennetz in einem Naturschutzgebiet oder auf einem Sumpf-/Moorgrundstück. Das Haus ist nur durch einen unbefestigten Fußweg zu erreichen.
Aber: Das gilt nicht, wenn die Zweckbestimmung des Grundstücks eine derartige Abgelegenheit erforderlich macht oder wenn die Abgelegenheit sich nicht nachhaltig auf die Nutzung auswirkt.
2.) Überschreiten der Gesamtnutzungsdauer
Das Gebäude ist sehr alt (Grenze z.B. bei Wohngrundstücken 80 Jahre, bei Lagerhallen 40 Jahre). Zudem hat keine Kernsanierung stattgefunden und dadurch liegt nur eine eingeschränkte Äquivalenz für das Gebäude vor.
Beispiel:
Ein Mehrfamilienhaus mit Baujahr 1931, bei dem in den vergangenen Jahrzehnten keine Kernsanierung stattgefunden hat, befindet sich in einem bedenklichen Gesamtzustand. Lediglich eine von sechs Wohnungen kann noch bewohnt werden. Strom und Wasser sind nur in wenigen Gebäudeteilen verfügbar. Eine tatsächliche Nutzung jedoch nur noch sehr eingeschränkt möglich.
Von 400 m² Wohnfläche sind 300 m² nicht bewohnbar. Daher sind 75% der Grundsteuer, die auf das Gebäude entfällt, zu erlassen.
3.) Übergröße
Übergröße eines nicht zu Wohnzwecken genutzten Gebäudes. Zudem hat das Gebäude einen Hallenteil und weist eine einfachste oder einfache Standardstufe (z.B. Einfachverglasung der Fenster, kein oder sehr einfacher Fußbodenbelag, Holzbalkendecke, nicht zeitgemäßer Wärmeschutz); ausführlicher hierzu Anlage 24 zum Bewertungsgesetz. Durch den Gebäudestandard besteht eine stark eingeschränkte Äquivalenz für das Gebäude.
Beispiel :
Eine außergewöhnlich große Wellblechhalle, die aufgrund der einfachen Standardstufe nur noch eingeschränkt als Lager genutzt werden kann.
4.) Nutzungseinschränkung
Eine Behörde hat die Nutzung eines Gebäudes oder Teile davon behördlich untersagt (zum Beispiel aufgrund einer Giftstoffbelastung).
Beispiel:
Es wird glaubhaft dargelegt, dass ein Gebäude wegen eines behördlich angeordneten Betretungsverbotes zu 20 % nicht genutzt werden darf, sodass in diesem Umfang ein Erlass zu gewähren ist. Daher werden 20% der Grundsteuer, die auf das Gebäude entfällt, erlassen.
Beispiel:
Für eine Halle, welche bislang von einem Logistikunternehmen für die Lagerung von wasserwirtschaftlich bedenklichen Stoffen genutzt wurde, wurden die bautechnischen Maßnahmen für die Vorkehrungen des Hochwasserschutzes nicht vorgenommen. Deshalb darf diese Halle jetzt nur noch für die Lagerung von unbedenklichen Stoffen wie zum Beispiel Mehl genutzt werden. Hier ist eine sinnvolle Nutzung möglich und eine Nutzungseinschränkung liegt nicht vor.
5.) Sturmfluten
Soweit ein Gebäude durch Sturmfluten regelmäßig nicht oder nur eingeschränkt nutzbar ist, kann ein Erlass in Betracht kommen.
Beispiel:
Das Gebäude konnte ist im Durchschnitt der letzten zehn Jahre an 15 von 365 Tagen aufgrund von Sturmfluten nicht genutzt werden. Daher werden ca. 4,1 % der Grundsteuer, die auf das Gebäude entfällt, erlassen.
6.) Privater Hochwasserschutz im hochwassergefährdeten Tidegebiet der Elbe
Das Grundstück liegt im durch Tidehochwasser gefährdeten Bereich und ist nur aufgrund von Hochwasserschutzmaßnahmen nutzbar. Zudem müssen Aufwendungen für den Hochwasserschutz selbst getragen werden.
7.) Unorganischer Aufbau
Die Teilhabe an der Infrastruktur ist durch eine sehr ungünstig geschnittene Lagerinfrastruktur beeinträchtigt. Um festzustellen, ob ein unorganischer Aufbau vorliegt, ist der auf dem Grundstück geführte Betrieb mit einem Normalbetrieb und nicht mit einem Muster- oder Idealbetrieb zu vergleichen.
Maßgeblich ist immer die Gesamtschau des Einzelfalls unter Würdigung aller Umstände. Bei den vorgenannten Beispielen handelt es sich um keine abschließende Aufzählung aller Fälle. Trotz Einzelfallnähe zu einem Regelbeispiel kann die Gewährung eines Erlasses nicht geboten sein, wenn keine tatsächliche Äquivalenzstörung vorliegt, die einen Härtefall begründet. Der Vergleichsmaßstab soll der Normalfall und nicht der Muster- oder Idealfall sein.
Der Antrag auf Erlass soll bis zum 31. März des Folgejahres gestellt werden. Beispiel: Der Antrag für den Erlasszeitraum 2025 soll bis zum 31. März 2026 gestellt werden.
Einer jährlichen Wiederholung des Antrags bedarf es in den obengenannten Konstellationen nicht. Allerdings sind Änderungen der maßgeblichen Verhältnisse dem Finanzamt für Verkehrsteuern und Grundbesitz mitzuteilen.
Gibt es weitere Erlassmöglichkeiten?
Zusätzlich zum Erlass nach § 8 Hamburgisches Grundsteuergesetz kann eine abweichende Steuerfestsetzung oder ein Erlass nach §§ 163, 227 Abgabenordnung in Betracht kommen, wenn die Festsetzung/Erhebung der Steuer „unbillig“ wäre. Dies ist beispielsweise denkbar bei Grundstücken, die aufgrund ihrer Beschaffenheit kaum nutzbar sind, also beispielsweise Moor- oder Sumpfgrundstücke. Auch in Fällen der Nutzungseinschränkung könnte dies in Betracht kommen (vgl. oben Beispiel 4).
Bei bebauten Grundstücken ist ein Erlass nach § 34 Grundsteuergesetz beispielsweise möglich, wenn ein Gebäude durch ein besonderes Ereignis (z.B. Brand) vollständig oder teilweise nicht nutzbar ist und so der Rohertrag deutlich gemindert ist.
Es kann für „Kulturgut und Grünanlagen“, also insbesondere öffentlich zugänglichen Grundbesitz, ein Erlass nach § 32 Grundsteuergesetz in Betracht kommen. Voraussetzung ist unter anderem, dass die Kosten den Rohertrag übersteigen.
Erlass zur Anwendung des Hamburgischen Grundsteuergesetzes (AEHmbGrStG)
Unter Abschnitt B. II. A H 8 finden Sie im Erlass Ausführungen zur Härtefallregelung.