Das städtische Haushalts- und Rechnungswesen umfasst alle wirtschaftlich relevanten Vorgänge und damit auch alle Risiken, die bei ihrer Konkretisierung eine wirtschaftliche Belastung für die Kernverwaltung darstellen könnten. Das Risikomanagement ist somit in den Haushalts- und Steuerungskreislauf eingebettet: Die Behörden und Ämter setzen sich fortlaufend mit akuten und potenziellen Risiken auseinander, bewerten diese und nehmen sie in die Haushaltsplanung auf. Dies schließt durch die Konzernbetrachtung auch die Risiken der öffentlichen Unternehmen ein, die sich möglicherweise in der Bewertung der Finanzanlage oder in höheren Zuschussbedarfen im Haushaltsplan niederschlagen.
Risiken und Chancen können aus dem makroökonomischen Umfeld sowie aus der Entwicklung wesentlicher Ertrags- und Aufwandspositionen, unter anderem Steuererträge, Personalaufwendungen, Transferaufwendungen und Zinsaufwendungen, resultieren.
Wirtschaftliche Entwicklung
Eine konjunkturelle Erholung lässt bundesweit weiter auf sich warten. Zu Beginn des Haushaltsjahres 2024 deutet sich angesichts der geopolitisch und wirtschaftlich angespannten Rahmenbedingungen eine konjunkturelle Seitwärtsbewegung an.
Der private Konsum zeigte im ersten Quartal 2024 eine leicht stützende Wirkung auf die Konjunktur. Von ihm dürften auch im weiteren Jahresverlauf wesentliche Wachstumsimpulse ausgehen.
Im ersten Quartal 2024 schwächte sich die Inflation in Deutschland weiter ab, jedoch verbleibt sie auf einem moderaten Niveau. Das stärkt die Kaufkraft der privaten Haushalte. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren für das Jahr 2024 einen Anstieg der Verbrauchspreise von knapp unter drei Prozent.
Der Arbeitsmarkt zeigt sich trotz der schwachen wirtschaftlichen Dynamik recht robust und die Beschäftigung dürfte im laufenden Jahr noch einmal etwas zulegen. Der weiterhin hohe Fachkräftemangel dürfte zu steigenden Löhnen führen und den privaten Konsum stimulieren.
Alles in allem ist mit Beeinträchtigungen der konjunkturellen Entwicklung zu rechnen, aber nicht mit einem Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität. Das BIP dürfte leicht zunehmen; für Hamburg wird mit einem Wirtschaftswachstum von real 0,6 Prozent gerechnet. Allerdings sind die Prognosen aufgrund der stark von Unsicherheit geprägten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weniger belastbar als in der Vergangenheit.
Entwicklung der Steuererträge
Die deutliche Aufwärtsentwicklung der Steuererträge in den vergangenen Haushaltsjahren wird sich nach den Ergebnissen der Mai-Steuerschätzung 2024 vermutlich nicht fortsetzen. Die Expansion der Steuererträge verliert merklich an Tempo (siehe auch Abbildung 18).
Die Hamburg verbleibenden Steuern werden demnach im Haushaltsjahr 2024 im Vergleich mit dem Ist-Ergebnis des Vorjahres um rund 1,3 Mrd. Euro auf 15,3 Mrd. Euro zurückgehen. Dieser Rückgang lässt sich auf negative Sondereffekte bei der Körperschaftsteuer und die Normalisierung bei den nicht veranlagten Steuern vom Ertrag nach einer stark überzeichneten Vorjahresbasis aufgrund von außergewöhnlich hohen Dividendenausschüttungen der Vorjahre zurückführen.
Danach wird das Steueraufkommen nach und nach bis auf etwa 17,3 Mrd. Euro im Haushaltsjahr 2028 zunehmen. Insgesamt liegen die Werte der Mai-Steuerschätzung um etwa 254 Mio. Euro oberhalb der November-Steuerschätzung.
In dieser Prognose ist die bereits beschlossene Steuergesetzgebung des Bundes bereits berücksichtigt. Insgesamt muss aufgrund bundesgesetzlicher Neuregelungen mit einer Reduzierung der Steuererträge in Höhe von 365 Mio. Euro gerechnet werden, wovon rund 305 Mio. Euro auf das Wachstumschancengesetz entfallen.
Aufgrund der moderaten Entwicklung des Steueraufkommens in den kommenden Haushaltsjahren, sind somit kaum Impulse von den Steuererträgen für die städtische Ertragslage zu erwarten.
Entwicklung der Personalaufwendungen
26 Prozent der Beschäftigten der Hamburger Verwaltung ist 55 Jahre alt und älter. Die Zahl der Versorgungsempfängerinnen und -empfänger wird in den kommenden Jahren weiter ansteigen. Sie wird jährlich um ein bis zwei Prozent zunehmen und im Haushaltsjahr 2029 mit knapp 72.000 Versorgungsempfängerinnen und -empfängern ihren Höhepunkt erreichen. Danach werden die Zahlen langsam zurückgehen.
Entsprechend ziehen die zu leistenden Versorgungsausgaben in den kommenden Haushaltsjahren merklich an. Sie werden bis 2025 bei einer unterstellten Steigerungsrate von zwei Prozent um rund 200 Mio. Euro steigen.
Systematisch stellen die Versorgungsausgaben Verbräuche der Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen dar. In den kommenden Jahren ist mit Zuführungsbeträgen von etwa einer Mrd. Euro jährlich zu rechnen.
In den vergangenen Jahren war ein kontinuierlicher Personalaufwuchs zu verzeichnen. Die Zahl der Beschäftigten stieg seit 2019 um rund acht Prozent. Dies reflektiert die wachsenden Anforderungen an die öffentliche Verwaltung, aber auch die Herausforderungen, die in den zurückliegenden Haushaltsjahren zu bewältigen waren. Für die kommenden Haushaltsjahre gehen die Planungen davon aus, dass nach der Wachstumsstufe der Personalbestand auf dem dann erreichten Niveau stabilisiert werden kann. Einerseits stellt das Wachstum der Stadt laufend neue Anforderungen, die erfüllt werden müssen, andererseits darf auf Aufgabenkritik und Effizienzsteigerung nicht verzichtet werden. Dies steht im Einklang mir den Vorgaben der quantitativen Personalsteuerung.
Die Tarifparteien verständigten sich im Dezember 2023 auf einen Tarifabschluss, der ab dem Haushaltsjahr 2024 zu steigenden Personalaufwendungen führt. Die Auswirkungen auf die Höhe der Rückstellungen für Pensions- und Beihilfeverpflichtungen sind Großteils im Jahresabschluss 2023 bereits berücksichtigt.
Entwicklung der Transferaufwendungen
Es zeichnet sich für das Haushaltsjahr 2024 ein leichter Rückgang der Transferleistungen ab. Die Effekte aus den Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für die Überwindung der Folgen der Corona-Pandemie werden im Haushaltsjahr 2024 vollends beendet sein. Dies hatte schon in den Vorjahren zu einem Rückgang sowohl der Transferaufwendungen als auch der Transfererträge geführt.
Dagegen dürften die Aufwendungen für Sozialleistungen weiter aufwärtsgerichtet sein. Die Reform des Wohngeldes, führt zu zusätzlichen Aufwendungen. Der Kreis der anspruchsberechtigten Haushalte stieg auch zu Beginn des Haushaltsjahres 2024 noch weiter an.
Ein Aufwärtsrisiko besteht zudem mit Blick auf die Kosten für die Versorgung, Integration und Unterbringung von Asyl- und Schutzsuchenden. Mit Blick auf das Jahr 2024 wird nach derzeitigen Erkenntnissen davon ausgegangen, dass der Unterkunftsbedarf auf dem Niveau von Ende 2023 verbleibt und weitere Unterbringungsmöglichkeiten akquiriert werden müssen. Im ersten Quartal des Haushaltsjahres 2024 lagen die Kosten für die Hilfen zur Existenzsicherung über dem Vorjahreswert und deuten weitere Steigerungen an.
Zu berücksichtigen ist zudem, dass das Haushaltsurteil des BVerfG vom November 2023 zu dem Schluss kam, dass das sogenannte Corona-Sondervermögen des Bundes nicht umgewidmet werden darf. Der Bund wollte die darin enthaltenen 60 Mrd. Euro, die aus Krediten stammten, vor allem für den Klimaschutz ausgeben. Es ist daher anzunehmen, dass dem Bundeshaushalt entsprechende Finanzierungsmittel fehlen werden. Die Stadt bleibt dennoch bestrebt, wichtige Investitionen in den Bereichen Transformation und Klimaschutz weiterhin zu ermöglichen.
Unter dem Strich ist erneut mit einem negativen Transferergebnis von über sechs Mrd. Euro zu rechnen.
Entwicklung der Verschuldung
Im Haushaltsjahr 2024 dürfen zusätzliche Kredite, also Kredite, die nicht nur auslaufende Finanzierungen ersetzen, nur noch aufgenommen werden, um konjunkturell bedingte Einnahmeausfälle und einen etwaig negativen Saldo aus finanziellen Transaktionen zu refinanzieren. Die haushaltsrechtlichen Regelungen wirken somit einer Ausweitung der städtischen Verschuldung entgegen. Aufgrund der prognostizierten rückläufigen Steuererträge wird in der Planung für die Haushaltsjahre ab 2024 mit einer zunehmenden Entnahme aus der Konjunkturposition und eine damit einhergehende Kreditaufnahme aus konjunkturellen Gründen gerechnet.
Kreditermächtigungen sind im städtischen Haushalt für das Haushaltsjahr 2024 in Höhe von 2.319 Mio. Euro gemäß Haushaltsbeschluss vorgesehen. Im ersten Quartal 2024 wurden Deckungskredite in Höhe von 1.183 Mio. Euro getilgt, während keine neuen aufgenommen wurden. Der Schuldenstand sank folglich zunächst auf 21.491 Mio. Euro. Auf Grundlage der Mai-Steuerschätzung zeichnet sich zudem ab, dass für das Haushaltsjahr 2024 eine geringere Entnahme aus der Konjunkturposition erforderlich wird als bislang geplant.
Die Gründung der FSA zum Haushaltsjahr 2025 wird voraussichtlich die Netto-Kreditaufnahme und damit den Schuldenstand des Kernhaushalts erhöhen, sofern die FSA Darlehen aus dem Kernhaushalt erhält. Dies lässt zwar die Verschuldung im Kernhaushalt optisch ansteigen, die bereinigte Verschuldung im Konzern selbst wird sich dadurch aber nicht verändern.
Alles in allem ist zu erwarten, dass der Schuldenstand der Kernverwaltung im Haushaltsjahr 2024 in etwa auf dem bisherigen Niveau verharren wird. Aus der Verschuldung der Stadt erwächst somit kurzfristig kein Risiko für die Tragfähigkeit der städtischen Finanzen. Voraussichtlich ab dem Haushaltsjahr 2025 ist jedoch mit einer höheren konjunkturbedingten Neuverschuldung zu rechnen.
Entwicklung der Zinsaufwendungen
Der Anteil der Zinsaufwendungen an den gesamten Aufwendungen liegt in Hamburg gegenwärtig bei rund zwei Prozent und damit weit unterhalb der Inflationsrate. In den vergangenen Jahren profitierte die Stadt Hamburg bei ihren Refinanzierungsgeschäften vom niedrigen Zinsniveau. Nach Erreichen des Zinshöchststands im September 2023 und einer unveränderten Zinspolitik über neun Monate, senkte die EZB im Juni 2024 die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte. Angesichts der deutlichen Abschwächung der Inflation wurde eine Lockerung der geldpolitischen Maßnahmen erwartet. Trotz der jüngst eingeleiteten Zinswende bleibt der Restriktionsgrad der Geldpolitik vorerst hoch.
Im Vergleich zum Vorjahr waren die Zinsaufwendungen der Stadt im ersten Quartal 2024 rückläufig, was im Wesentlichen auf das niedrige Zinsniveau der vergangenen Jahre sowie die hohen Tilgungen der letzten Jahre zurückzuführen ist. Grundsätzlich wird im Haushaltsjahr 2024 mit einer konjunkturellen Neuverschuldung geplant. Im Ergebnis veranschlagt die Stadt Hamburg Zinsaufwendungen im Haushaltsjahr 2024 von rund 596 Mio. Euro.
Für die Planung der Haushaltsjahre 2025 und 2026 liegt ein erhöhter Zinssatz für neue Kreditaufnahmen in Höhe von 3,75 Prozent (Vorjahr: 3,25 Prozent) bei überwiegend mittel- bis langfristigen Finanzierungen am Kapitalmarkt zu Grunde. Ab dem Haushaltsjahr 2025 wird zudem von stark zunehmenden Konjunkturkreditaufnahmen ausgegangen, die entsprechend höhere Zinsaufwendungen mit sich bringen werden.
Konzernbetrachtung
Im Zuge des Projekts BeMaZ wurde eine neue Risikoberichterstattung der öffentlichen Unternehmen erarbeitet. Danach melden die Unternehmen all diejenigen wesentlichen Risiken, die auch ihrem jeweiligen Aufsichtsgremium berichtet werden (würden).
Auf dieser Grundlage wurden bei den öffentlichen Unternehmen insgesamt 686 Risiken mit einem Gesamtrisikobetrag von 1.089 Mio. Euro identifiziert. Abbildung 19 zeigt die Verteilung der gemeldeten Einzelrisiken auf die elf Segmente der Hamburger Stadtwirtschaftsstrategie.
Dem Segment Immobilien, Stadtentwicklung und Wohnen können mit einer Anzahl von 155 die meisten gemeldeten Risiken (22,6 Prozent) zugeordnet werden. Mit 15 öffentlichen Unternehmen gehören diesem Segment zugleich die meisten öffentlichen Unternehmen mit Risikomeldungen an. Mit 145 gemeldeten Risiken folgt das Segment Wasserwirtschaft und Entsorgung (21,1 Prozent). An dritter Stelle folgt mit deutlichem Abstand das Segment ÖPNV mit 13,4 Prozent und 92 Einzelrisiken.
Das Segment Immobilien, Stadtentwicklung und Wohnen sticht auch mit einem Risikobetrag – also dem Produkt aus Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit – von 467 Mio. Euro hervor. Das Segment Wasserwirtschaft und Entsorgung rangiert trotz der Vielzahl der gemeldeten Einzelrisiken beim Risikobetrag erst an fünfter Stelle. Hier weisen somit die Risiken niedrigere Schadenshöhen und/oder Eintrittswahrscheinlichkeiten auf als die Risiken der Segmente Energieversorgung und ÖPNV. Bei der Betrachtung des aggregierten Risikobetrages liegen diese Segmente mit 13,2 Prozent beziehungsweise 12,4 Prozent trotz der geringeren Anzahl an gemeldeten Einzelrisiken auf dem zweiten beziehungsweise dritten Platz.
Inhaltlich unterscheiden sich die Risiken je nach Unternehmensaufgabe und -branche. Gleichwohl gibt es auch thematische Überschneidungen und inhaltliche Schnittmengen. So werden allgemeine Kostensteigerungen und insbesondere Kostensteigerungen im Bausektor mehrfach unternehmensübergreifend benannt. Weitere unternehmensübergreifende Risiken bestehen in den Bereichen IT, Personal, Fachkräftesicherung und -gewinnung sowie Finanzierung – hier insbesondere mögliche Zinsveränderungen. Derartige unternehmensübergreifend gleichartige Risikofelder sollen in den folgenden Jahren zu Klumpenrisiken zusammengefasst und gemonitort werden.
Aus den Risikomeldungen der Unternehmen ergeben sich jedoch keine Risiken, für die sich nach Gesamteinschätzung die Gefahr einer Bestandsgefährdung realisieren könnte. Die gemeldeten Daten deuten zudem darauf hin, dass die in den Beteiligungen der FHH etablierten Risikomanagementsysteme grundsätzlich angemessen und wirksam sind. Die getroffenen Gegenmaßnahmen beziehungsweise Vorsorge erscheinen schlüssig.