Ein Rundgang durch das Hamburger Rathaus mit den Schauspielerinnen Beate Kiupel, Herma Koehn, Dieter Schmitt und Thomas Karallus. Konzeption und Vorlagen sowie Texte: Dr. Rita Bake, Dr. Birgit Kiupel. Weitere Texte und Dramaturgie bestimmter Szenen: Hartmut Cyriacks und Peter Nissen.
Moderation: Dr. Rita Bake
Als das Rathaus 1897 gebaut wurde, waren Frauen noch von der realen politischen Teilhabe ausgeschlossen, hatten sie doch noch nicht einmal das Wahlrecht. Doch in nahezu sämtlichen Räumen und an der Fassade des Rathauses wurden die Frauen als idealisierte weibliche Körper, als Allegorien aufgenommen. So wimmelt es seitdem im Hamburger Rathaus von Frauen. Viele von ihnen allerdings nur in Stein gehauen, gemalt und barbusig. Dabei hatten die Herren Bildhauer und Maler allerdings keine große Phantasie walten lassen. Taillenumfang und Busengröße der Damen sind meist gleich.
Damals, beim Bau des Rathauses sollten die weiblichen Körper die vom Bürgertum vertretenen Werte und Ideale wie z. B. Gnade und Gerechtigkeit, Sittlichkeit und Weisheit darstellen. Denn der weibliche Körper galt als unbeschriebenes Blatt, völlig rein und unbefleckt von ökonomischen und staatlichen Konkurrenzen, in die Männer eingebunden sind, und somit konnten auch nur weibliche Körper solche Tugenden darstellen.
Aber es sind auch Darstellungen „realer“ Hamburgerinnen im Rathaus zu finden. Wenige zwar – aber immerhin.
Wir möchten Ihnen auf diesem Rundgang einige Räumlichkeiten zeigen, in denen Ihnen historische Frauen begegnen werden, die manchmal auch ganz schön im Streit waren mit einigen historischen Männern. Wir werden sie dabei belauschen.
1. Station: Treppenhaus der Hamburgischen Bürgerschaft.
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Hier verläuft oben an den Wänden ein Wandfries. Er behandelt den idealen Lebenslauf eines bürgerlichen Handwerkerpaares aus dem 19. Jahrhundert. Gemalt wurde der Fries von Hermann de Bruycker – der übrigens auch Heinzelmännchen gemalt hat.
Der Blick nach oben bedeutet Stolpergefahr – und dies in mehrfacher Hinsicht: Transportiert doch dieser Fries Sehnsüchte nach einem heilen Mittelalter, in dem Frauen nur die altbekannte Rolle spielen durften. Bleibt die Frage, wie wirkmächtig solche Bilder auch heute noch sind.
2. Station: Rathausdiele
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In der Rathausdiele stehen 16 Säulen, an denen Portraitmedaillons von 56 Persönlichkeiten angebracht sind. Ganze 4 Portraits von Frauen befinden sich an einer so genannten Frauensäule und zwei weitere Frauenmedaillons an einer Wand. Obwohl damals etliche Frauen vorgeschlagen worden waren, darunter Sängerinnen, Dichterinnen, Schauspielerinnen, machten das Rennen schließlich nur die Frauen der Kategorie „Wohltäterinnen“. Sie wurden auf einer Säule an der linken Seite zum Senatsaufgang und an der Wand vis a vis platziert. Zwei dieser Damen lernen Sie jetzt kennen: Es sind Amalie Sieveking (geboren 1794, gestorben 1859) und Emilie Wüstenfeld (geboren 1817, gestorben 1874).
3. Station: Brautpforte im Hof des Rathauses
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Im Hof des Hamburger Rathauses befindet sich auf der Senatsseite die Brautpforte. Der Rathausbaumeister Martin Haller wollte damals, als das Rathaus gebaut wurde, auch ein Standesamt im Rathaus errichten lassen. Doch Hallers Idee wurde von der Rathausbaukommission abgelehnt. Sie erlaubte nur den Bau einer „Brautpforte“ sowie die dahinter liegende Brautdiele und eine Brauttreppe – jedoch kein Standesamt. Deshalb hat das Rathaus eine Brautpforte, die nicht zum Ziel führt.
An der Pforte befinden sich symbolische Gestalten: Adam, von einem treuen Hund begleitet; Eva mit der Schlange und den Apfel darreichend, ein schnäbelndes Taubenpaar. Und noch etwas …. aber hören Sie selbst dem Brautpaar zu.
4. STATION: Senatstreppenhaus vor dem Eingang zum Senatsgehege
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Über das Senatstreppenhaus gelangt man zum Senatsgehege. Sein Eingang wird flankiert von zwei überlebensgroßen weiblichen Gestalten: der Gnade und Gerechtigkeit. Mit diesen beiden Figuren werden die ehemaligen richterlichen und sittlichen Aufgaben des Senats verkörpert. Beide Figuren tragen Brustmedaillons: Auf der Gnade befindet sich ein Medusenhaupt: bei der Gerechtigkeit ist das Urteil des Salomon abgebildet.
5. Station: Ratsstube
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Hinter den beiden Figuren der Gnade und Gerechtigkeit geht es durch eine reich verzierte Gittertür in das Senatsgehege und dort in die Ratsstube
Jeden Dienstagvormittag sitzen in der Ratsstube der Erste Bürgermeister und die Zweite Bürgermeisterin zusammen mit den Senatoren und den Senatorinnen, den Staatsräten und der Staatsrätin und beraten Hamburgs Politik
Im Rücken des Bürgermeisters und der Bürgermeisterin hängt ein Wandbehang. Auf ihm ist auf dunkelgrünem Samtgrund in rot das große Hamburger Staatswappen aufgestickt. Am unteren Rand steht gestickt: „Gestiftet von Hamburgs Frauen 1897“. Initiatorin dieser Geschenke war Toni Petersen, die Vorsitzende des Damencomitees und ledige Tochter des Bürgermeisters Dr. Carl Petersen. Ein Wort bei den künstlerischen Überlegungen mitgeredet hatte Justus Brinckmann, der damalige Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe. Nach über hundert Jahren haben sich Toni Petersen und Justus Brinckmann einmal wieder im Rathaus getroffen. Belauschen wir ein Gespräch zwischen den beiden in der Ratsstube.
6. Station: Waisenzimmer
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Im ersten Stock des Hamburger Rathauses befindet sich das Waisenzimmer. 80 Waisenhausknaben im Alter zwischen zehn und vierzehn Jahren fertigten für einen Raum des neuen Rathauses Wandverkleidungen in Kerbholzschnitztechnik. Die Schnitzereien wurden zur Rathauseröffnung übergeben, das dafür auserkorene Zimmer heißt seitdem Waisenzimmer.
7. Station: KAISERSAAL
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Die 7. Szene spielt 1898 im Kaisersaal. Es treten auf: Bürgermeister Johann Georg Mönckeberg, geboren 1839, gestorben 1908, dessen Portrait im Kaisersaal hängt und Charlotte Ackermann, eine berühmte Hamburger Schauspielerin des 18. Jahrhunderts, die bereits im Alter von 18 Jahren verstarb, doch über das 18. Jahrhundert hinaus eine Legende blieb.
Als während des Baus des Rathauses beschlossen wurde, an den Säulen in der Rathausdiele Medaillons berühmter Hamburger anzubringen, schlug Bürgermeister Mönckeberg ein Medaillon der Schauspielerin Charlotte Ackermann vor. Doch seine Courage hielt nicht lange, er ließ wenig später den Namen Charlotte Ackermanns von der Vorschlagliste für ein Medaillon streichen. Warum? Das hören Sie gleich.
8. Station: Plenarsaal der Bürgerschaft
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Im Plenarsaal der Bürgerschaft werden wir Zeuginnen und Zeugen einer illegalen Aktion: Zwei Arbeiterinnen schleichen sich ins Parlament. Warum so heimlich? Nun, Frauen hatten damals im 19. Jhd. grundsätzlich nichts im Parlament zu suchen, vielleicht gerade mal als Reinmachefrau. Aber für ihre Rechte kämpfende Arbeiterinnen, die waren wirklich fehl am Platz und dem Bürgertum äußerst suspekt.
9. Station: Plenarsaal der Bürgerschaft
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Nachdem 1918 die Frauen das aktive und passive Wahlrecht erkämpft hatten, wurden 1919 bei der Wahl zur ersten verfassungsgebenden Bürgerschaft zum ersten Mal Frauen ins Hamburger Parlament gewählt. 168 Männer und siebzehn Frauen zogen in die Bürgerschaft ein. Neun Frauen gehörten der SPD an, vier der Deutschen Demokratischen Partei, zwei der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei, eine der Deutschen Volkspartei und eine weitere der Deutschnationalen Volkspartei.
Belauschen wir ein Gespräch zwischen einem Angeordneten, gespielt von Dieter Schmitt und einem Senator, gespielt von Thomas Karallus. Später kommen in den Plenarsaal die Senatorin Paula Karpinksi, gespielt von Herma Koehn und die Abgeordnete Charlotte Fera, gespielt von Beate Kiupel.
10. Station: Plenarsaal der Bürgerschaft
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Im November 1950 und im Mai 1952 wurden hier im Plenarsaal zwei bemerkenswerte Debatten geführt. Es ging um die Neufassung der Hamburgischen Verfassung und zwar um die Wahl und Anzahl der Senatoren. Für die Abgeordnete Emmy Beckmann (FDP) ging es aber um noch etwas anderes.
Werden Sie Zeuginnen und Zeugen dieser Debatten. Zu deren wesentlichen Akteuren gehörten: Der Bürgerschaftspräsident Adolf Schönfelder (SPD), gespielt von Dieter Schmitt; die FDP Abgeordnete Emmy Beckmann, gespielt von Beate Kiupel, die Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft Dr. Emilie Kiep-Altenloh (FDP), gespielt von Herma Koehn, der SPD Abgeordnete Richter und der SPD Abgeordnete Steinfeldt. Aus Einspargründen bei den Abgeordnetendiäten gespielt von einer Person, von Thomas Karallus.
Der folgende Wortlaut ist authentisch und den Sitzungsprotokollen der beiden Debatten, die hier in der Szene zu einer zusammengefasst sind, entnommen.