Die Sozialbehörde finanziert das Modellprojekt auf ein Ersuchen (PDF) der Hamburgischen Bürgerschaft hin (Drucksache 22/4444) mit rund 880.000 Euro. Das Projekt läuft drei Jahre.
Die Akquise und Vermittlung der Wohnungen sowie die Unterstützung und die begleitenden Angebote für die obdachlosen Menschen erfolgen durch gemeinnützige Träger. Im Zuge eines Interessenbekundungsverfahrens mit mehreren Bewerbungen hat die Sozialbehörde dafür nun ein Trägerverbund aus dem Diakonischen Werk Hamburg, der Benno und Inge Behrens-Stiftung und dem Ev.-Luth. Kirchenkreis Hamburg-Ost ausgewählt.
Für obdachlose Menschen ist oftmals nicht allein das fehlende Dach über dem Kopf ein Problem – sondern psychische Erkrankungen, ein angegriffener Gesundheitszustand, schwere Sucht- und Drogenproblematiken und gehen häufig einher oder sind sogar eine mögliche Ursache der Obdachlosigkeit. Einen Weg aus dem Leben auf der Straße zu finden, fällt dann oft schwer, weil nötige Hilfen aufgrund der individuellen Verfassung nicht angenommen werden.
Durch das Housing-First-Modellprojekt sollen gezielt Menschen erreicht werden, die seit langer Zeit ohne Wohnung sind, auf der Straße leben und aufgrund ihrer multiplen Problemlagen über das bisherige Wohnungslosenhilfesystem nicht erfolgreich in Wohnraum vermittelt werden konnten. Sie sollen direkt und niedrigschwellig Wohnraum im Rahmen unbefristeter Mietverhältnisse erhalten. Indem sie eine feste Wohnung haben, sollen sie sich erholen können, gesund werden und in eine Situation gelangen, in der sie Unterstützungsleistungen annehmen können.
Im Rahmen des Modellprojekts werden die Menschen dabei betreut, sodass sie aufgrund begleitender Angebote ihren Alltag mittelfristig selbst strukturieren und beispielsweise auch Arbeit aufnehmen können.
Ziel des dreijährigen Modellprojektes sowie der begleitenden Evaluation ist es, obdachlose Menschen langfristig in eigenem Wohnraum zu stabilisieren und Erfahrungen darüber zu gewinnen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solches Vorgehen in bestimmten Fällen als ergänzendes Instrument Bestandteil des Gesamtkonzeptes Wohnungslosenhilfe werden kann.
Sozialsenatorin Dr. Melanie Leonhard: „Niemand soll in Hamburg obdachlos sein müssen. Um Menschen, die in Not gekommen sind, schnell helfen zu können, gibt es in Hamburg deswegen Anlaufstellen für Beratung, öffentliche Unterkünfte und ganz regelhaft die Möglichkeit, über den Bezug von Sozialleistungen bei einem entsprechenden Anspruch eine Wohnung bezahlt zu bekommen. Wir merken in der Hilfe für Obdachlose jedoch, dass die Menschen sehr, sehr unterschiedliche Probleme haben – das hat in den zurückliegenden Jahren sogar noch zugenommen. Eine einzelne Lösung, um die Ursachen von Obdachlosigkeit zu beseitigen, wird sich daher zwar kaum finden lassen. Wir reagieren aber, indem auch die Hilfsangebote an diese unterschiedlichen Problemlagen angepasst werden und wir das Hilfesystem stetig weiterentwickeln. Mit dem Housing-First-Modellprojekt probieren wir einen weiteren Ansatz aus, und versprechen uns Erkenntnisse, ob sich dieser Ansatz als wirksam erweist und eine sinnvolle Ergänzung der bestehenden Hilfen sein kann. Unser Ziel ist es, damit weiteren Menschen zu ermöglichen, das Leben auf der Straße hinter sich zu lassen.“
Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg: „Wir freuen uns sehr über die Vergabe und stehen nun in den Startlöchern, das Projekt aufzubauen. In unserem Trägerverbund verfügen wir gemeinsam mit der Benno und Inge Behrens-Stiftung und dem Ev.-Luth. Kirchenkreis Hamburg-Ost über eine fundierte Expertise im Kontakt zu wohnungslosen Menschen, im Bereich der Wohnraumakquise und der Begleitung der betroffenen Menschen beim Wohnungsbezug. Der Ansatz Housing First, mit dem direkten Zugang zur Wohnung, ist eine wichtige Ergänzung zur Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen.“
Der Projektbeginn ist nach der nun erfolgten Trägerauswahl für den Juli dieses Jahres vorgesehen. Wohnungen werden voraussichtlich frühestens nach einer planmäßig etwa fünfmonatigen Aufbauphase vermittelt. Die Vermittlung von zunächst bis zu 30 Haushalten soll möglichst innerhalb der ersten beiden Projektjahre abgeschlossen sein. Das dritte Jahr dient vorrangig der Verstetigung. Die wissenschaftliche Evaluation soll im zweiten Halbjahr 2025 vorliegen, ein entsprechendes Vergabeverfahren hierfür erfolgt derzeit und ist noch nicht abgeschlossen.
Im Rahmen der „Ein- und Durchführung eines Housing-First-Modellprojekts in Hamburg als ergänzendes Instrument der Wohnungslosenhilfe“ sind Ziele, Zielgruppe und Vorgehensweise konkret beschrieben. Das Angebot richtet sich an volljährige Langzeitobdachlose mit multiplen Problemlagen (z.B. Probleme der psychischen Gesundheit, problematischer Drogen- und / oder Alkoholkonsum, schlechte körperliche Gesundheit, chronische Erkrankungen oder Behinderung), die bisher keinen Zugang zum Wohnungslosenhilfesystem finden konnten, die einen hohen Unterstützungs- und Beratungsbedarf haben und deren prekäre Situation daher über die Hilfsangebote des Regelsystems der Wohnungslosenhilfe bisher nicht nachhaltig beendet werden konnte und die nach SGB XII oder SGB II leistungsberechtigt sind. Rund ein Drittel der Plätze soll an Frauen vergeben werden.
Eine Aufnahme in das Modellprojekt ist nicht möglich bei akuten Problemlagen, die mit einer möglichen Selbst- oder Fremdgefährdung einhergehen, ausgeprägten Suchterkrankungen, in Folge derer die Kommunikations- und Absprachefähigkeiten schwerwiegend eingeschränkt sind und die Eingehung vertraglicher Verpflichtungen nicht möglich ist und schwerwiegenden Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten.
Das Hilfesystem für Wohnungslose
Die Freie und Hansestadt Hamburg verfügt seit vielen Jahren über ein ausdifferenziertes und zum Teil auch niedrigschwelliges Wohnungslosenhilfesystem. Es beruht auf vier Säulen (siehe hierzu: Gesamtkonzept Wohnungslosenhilfe).
Im Rahmen von Prävention und Integration soll vermieden werden, dass es überhaupt zum Verlust des eigenen Wohnraums kommt. Dazu arbeiten Fachstellen für Wohnungsnotfälle, soziale Beratungsstellen und Beratungsstellen für besondere Zielgruppen und helfen in konkreten Problemlagen. Niedrigschwellige Hilfen greifen für diejenigen, die obdachlos geworden sind; dazu zählen das Winternotprogramm, das Angebot von Tagesaufenthaltsstätten, Angebote zur gesundheitlichen Versorgung und eine aufsuchende Straßensozialarbeit, die von der Stadt finanziert werden. Für diejenigen, die keinen Wohnraum haben und sich nicht selbst helfen können, wird eine öffentliche Unterbringung angeboten. Dabei wird auf die zunehmend differenzierten Problemlagen eingegangen, indem auch differenzierte, besondere Angebote geschaffen werden – etwa für gesundheitlich geschwächte Personen, für ältere Menschen oder für Jungerwachsene. Ziel ist es aber stets, ein möglichst eigenständiges Wohnen und ein Leben jenseits der Straße zu ermöglichen; dafür werden Anstrengungen zur Wohnraumvermittlung, zur Schaffung von günstigem Wohnraum und zur Bewilligung von Kostenübernahmen für privaten Wohnraum unternommen.