Wohnungslosenberichterstattung

Hamburger Gesundheitsbefragung obdachloser Menschen

05. November 2025 Pressemitteilung

Die Sozialbehörde hat im Rahmen der zweiten bundesweiten Erhebung zur Wohnungslosenberichterstattung im Februar vergangenen Jahres proaktiv eine vertiefende Befragung zur gesundheitlichen Situation obdachloser Menschen in Hamburg durchführen lassen. Das Ergebnis: Der Gesundheitszustand der Betroffenen hat sich gegenüber früheren Jahren verschlechtert. Hamburg reagiert darauf bereits mit einer stärkeren Verzahnung von Obdachlosen- und Suchthilfe, einer besseren psychiatrischen Versorgung sowie einer engeren Vernetzung niedrigschwelliger medizinischer Angebote mit den allgemein zugänglichen Angeboten der medizinischen Versorgung. Die hierzu bereits in den vergangenen Jahren eingeleitete Maßnahmen werden fortlaufend weiterentwickelt.

Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer: „Die Ergebnisse der Gesundheitsbefragung überraschen uns nicht. Aus dem engen Austausch mit den Einrichtungen wissen wir, dass viele obdachlose Menschen in Hamburg gesundheitlich stark belastet sind. Die Befragung bestätigt das und zeigt, dass viele nur schwer Zugang zu Hilfe finden. Das bestärkt uns darin, unseren eingeschlagenen Weg konsequent fortzusetzen. Mit der Neukonzeption der Straßensozialarbeit, dem Social Hub Hauptbahnhof und dem Streetwork-Mobil erreichen wir obdachlose Menschen direkter auf der Straße und stellen sicher, dass Hilfe dort ankommt, wo sie wirklich gebraucht wird. Parallel setzen wir den Landespsychiatrieplan um, um insbesondere schwer psychisch und häufig auch gleichzeitig suchterkrankte obdachlose Menschen noch gezielter zu unterstützen. Unser Ziel ist, die Lebenslagen obdachloser Menschen in Hamburg spürbar zu verbessern.“

Zentrale Ergebnisse der Befragung
Im Rahmen der Gesundheitsbefragung wurden 300 Fragebögen obdachloser Menschen ausgewertet. Rund 26 Prozent der Befragten bewerteten ihre Gesundheit dabei als „gut“ oder „sehr gut“. Mehr als die Hälfte schätzte sie als „weniger gut“ oder „schlecht“ ein – ein Anstieg im Vergleich zu früheren Erhebungen. 41 Prozent der Befragten gaben an, psychische oder Suchterkrankungen zu haben, weitere 16 Prozent erklärten, zusätzlich an körperlichen Erkrankungen zu leiden. Obwohl 68 Prozent der Befragten über dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigungen berichteten, gaben nur 32 Prozent an, Unterstützung zu benötigen – ein Hinweis auf eine eingeschränkte Krankheitseinsicht oder mangelnde Behandlungsbereitschaft. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Rund 31 Prozent der Befragten suchten Sucht- oder Drogenberatungsstellen auf – fast doppelt so viele wie in früheren Jahren.

Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist eine zentrale Herausforderung: 72 Prozent der deutschen, aber nur 42 Prozent der nichtdeutschen Befragten verfügten den Angaben zufolge über eine Krankenversicherung. Viele nutzten daher vor allem niedrigschwellige Angebote, über die zumindest eine medizinische Grundversorgung verfügbar ist. 77 Prozent nahmen solche Hilfen in den vergangenen sechs Monaten in Anspruch, während nur 51 Prozent reguläre medizinische Leistungen nutzten. Etwa die Hälfte der Befragten berichtete von Diskriminierung oder schwer erreichbaren Angeboten. Besonders herausfordernd ist der Zugang zur medizinischen Versorgung für obdachlose Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit: Sie machen mehr als die Hälfte der obdachlosen Menschen Hamburgs aus und haben aufgrund sehr häufig fehlender Leistungsansprüche oder Sprachbarrieren überwiegend keinen Zugang zur Regelversorgung.

Stärkung und Vernetzung sozialer und gesundheitlicher Hilfen weiter vorantreiben
Die Hamburger Zusatzbefragung macht deutlich: Der Gesundheitszustand obdachloser Menschen erfordert weiterhin besondere Aufmerksamkeit, da er im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zusätzliche Herausforderungen aufzeigt. Das niedrigschwellige Hilfesystem – etwa durch Schwerpunktpraxen und Tagesaufenthaltsstätten – wurde in den vergangenen Jahren erfolgreich weiterentwickelt, unter anderem durch das Übergangswohnen (seit Juni 2024) und die Pflegeeinrichtung Garstedter Weg (seit April 2024). Um die Lebenslage der Betroffenen jedoch spürbar zu verbessern, braucht es ergänzend weitere abgestimmte Maßnahmen und Unterstützung.

Viele Menschen nutzen vor allem niedrigschwellige Angebote, da der Zugang zur medizinischen Regelversorgung durch bürokratische Hürden, negative Erfahrungen und eingeschränkte Erreichbarkeit erschwert wird. Die Sozialbehörde stärkt daher die Verzahnung der Hilfesysteme und optimiert etablierte Strukturen wie das Entlassmanagement aus Krankenhäusern. Maßnahmen wie das Streetwork-Mobil und die Koordinierungsstelle „Social Hub“ erleichtern zusätzlich den Übergang und bauen Brücken in die Regelversorgung.

Ein großer Teil der obdachlosen Menschen in Hamburg sind EU-Zugewanderte. Sie leben hier ohne sozialrechtliche Ansprüche. Gemeinsam mit spezialisierten Fachberatungsstellen wie Plata und der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit werden sie unterstützt. Die Hilfe umfasst die Stabilisierung ihrer Lebenslage, die Klärung ihrer Perspektiven und gegebenenfalls die Rückkehr in ihr Herkunftsland. Gleichzeitig setzt sich Hamburg auf Bundesebene dafür ein, den Zugang nicht leistungsberechtigter Personen, insbesondere aus Osteuropa, zur regulären Krankenversorgung zu verbessern.

Neukonzeption der Straßensozialarbeit
Die Ergebnisse der Befragung verdeutlichen, wie wichtig eine konsequente, verbindliche und aktivierende Ansprache obdachloser Menschen ist. Frühzeitige Hilfe kann gesundheitliche Probleme verhindern und Verschlimmerungen vermeiden. Damit soll auch eine Entlastung des Gesundheitssystems vor allem in der Notfallversorgung und in der Langzeitbehandlung erreicht werden. Mit der im Juni 2025 vorgestellten Neukonzeption der Straßensozialarbeit sowie flankierenden Angeboten wie dem „Social Hub“ in den Räumlichkeiten der Bahnhofsmission am Hauptbahnhof (seit April 2024) und dem Streetwork-Mobil (seit März 2025) wurden bereits wichtige Weichen gestellt. Hilfsbedürftige sollen so schneller erreicht, komplexe Einzelfälle systemübergreifender koordiniert und der Zugang zu Krankenversicherung sowie weiteren notwendigen Hilfen erleichtert werden. Ziel der Maßnahmen ist es, die Lebenslage obdachloser Menschen grundlegend zu verbessern, anstatt lediglich auf kurzfristige Hilfsangebote zu setzen.

Umsetzung des Hamburger Landespsychiatrieplans
Auch der im Januar 2025 vorgestellte Hamburger Landespsychiatrieplan legt einen Schwerpunkt auf die Versorgung insbesondere schwer psychisch und suchterkrankter obdachloser Menschen. Erste Maßnahmen sind bereits umgesetzt: Im September 2025 wurden Übergangsplätze für suchtkranke obdachlose Menschen in der Repsoldstraße 27 eröffnet. Im selben Gebäude entsteht bis Winter 2025/26 eine psychiatrische Schwerpunktambulanz für die Zielgruppe. Sie arbeitet niedrigschwellig und zielt in enger Zusammenarbeit mit Angeboten aus anderen Versorgungssystemen auf eine nachhaltige Stabilisierung der Lebenslage Betroffener. Die Ambulanz bietet Frühintervention, risikoorientierte Diagnostik, sozialpsychiatrische Betreuung und gezielte Vermittlung, um forensische Krankheitsverläufe zu vermeiden. Fachärztinnen und -ärzte, Psychologinnen und Psychologen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Pflegekräfte arbeiten eng zusammen. Ergänzt wird das Angebot durch aufsuchende Betreuung in Kooperation mit dem Projekt SAFE des UKE und des Asklepios Westklinikums. Das Projekt sieht u. a. den Aufbau zweier mobiler Behandlungsteams vor.

Die Hamburger Gesundheitsbefragung
Im Rahmen der bundesweiten Zählung obdachloser Menschen 2024 hatte Hamburg die Erhebung der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e. V. (GISS) um einen Zusatzfragebogen erweitert. Dieser enthielt neun Fragen zum Gesundheitszustand, Krankenversicherungsschutz, zur Nutzung von Hilfeeinrichtungen und zu entsprechenden Bedarfen. Ziel ist es, diesen Bereich besser zu erforschen und Hilfen noch passgenauer auszurichten.

Die Ergebnisse der Hamburger Gesundheitsbefragung sind hier zu finden.

Der 2. Wohnungslosenbericht des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen ist hier zu finden.

Eine Übersicht des umfangreichen sozialen Hilfesystems für wohnungslose Menschen in Hamburg bietet diese Broschüre: Das soziale Hilfesystem für wohnungslose Menschen

Rückfragen der Medien
Sozialbehörde
Pressestelle
Telefon: 040 42863 2889
E-Mail: pressestelle@soziales.hamburg.de 
Internet: www.hamburg.de/sozialbehoerde

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