Prognose der Zugangsentwicklung von Asyl- und/oder Schutzsuchenden und Schutzsuchenden aus der Ukraine sowie Kapazitätsplanung der öffentlich-rechtlichen Unterbringung (Stand 30. Juni 2024)
Einleitung - Zugangssituation
Der am 24. Februar 2022 begonnene russische Angriffskrieg auf die Ukraine sorgte für die größten Fluchtbewegungen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Auswirkungen machten und machen sich auch in Hamburg deutlich bemerkbar. Hinzu kommt, dass bereits zuvor, seit der zweiten Jahreshälfte 2021, die Zugangszahlen Asyl- und/oder Schutzsuchender wieder deutlich und kontinuierlich angestiegen waren. Die mit beiden Entwicklungen einhergehenden Gesamtzugänge nach Hamburg waren höher als im Jahr 2015 und damit die höchsten seit Beginn der Datenerfassung 2006.
Im Jahr 2023 gingen die Zugangszahlen zwar zunächst zurück, stabilisierten sich aber anschließend auf einem hohen Niveau und sorgten für die dritthöchsten Zugänge nach 2015 und 2022. Insgesamt kamen im vergangenen Jahr 22.908 Asyl- und/oder Schutzsuchende nach Hamburg und wurden registriert. Darunter waren 9.387 Schutzsuchende aus der Ukraine, von denen 6.002 öffentlich-rechtlich untergebracht wurden.
Von Januar 2024 bis Juli 2024 wurden 3.698 Schutzsuchende aus der Ukraine in Hamburg registriert, von denen 636 Personen in andere Bundesländer verteilt wurden. 3.062 Personen verblieben in Hamburg. 2.949 Personen wurden öffentlich-rechtlich untergebracht. Aufgrund der unverminderten Kriegshandlungen werden die Zugänge sowie der Unterbringungsbedarf voraussichtlich auch in diesem Jahr auf einem hohen Niveau bleiben. Bei einer Verschlechterung der Lage in der Ukraine könnten die Zahlen auch weiter ansteigen.
Ergänzend zu den Zugängen Schutzsuchender aus der Ukraine ergibt sich eine sehr herausfordernde Situation aus den stark gestiegenen Zugängen der Asyl- und/oder Schutzsuchenden aus anderen Herkunftsländern. Die hohen Zugänge des Jahres 2022 wurden im Jahr 2023 nochmals deutlich übertroffen. Insgesamt wurden im Jahr 2023 13.521 Asyl- und/oder Schutzsuchende in Hamburg registriert, 9.812 Personen verblieben in Hamburg und 7.650 Personen hatten einen Unterbringungsbedarf. In der ersten Jahreshälfte 2024 haben sich die Zugangszahlen stabilisiert. Aufgrund der Erfahrung aus den Vorjahren ist ein erneuter Anstieg über die Sommermonate und in den Herbst hinein anzunehmen. Von Januar 2024 bis Juli 2024 kamen bisher 5.974 Asyl- und/oder Schutzsuchende aus anderen Herkunftsländern nach Hamburg. Von den 3.970 verbliebenen Personen wurden 2.494 Personen öffentlich-rechtlich untergebracht. 2.004 Personen wurden in andere Bundesländer verteilt.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen hat die Sozialbehörde die Zugangsprognosen für Asyl- und/oder Schutzsuchende - Schutzsuchende aus der Ukraine eingeschlossen - aktualisiert und angepasst. Zusätzlich werden die globalen Lageentwicklungen (u. a. Kriege, sonstige Konflikte, Naturkatastrophen, Klimaflucht, Wirtschaftskrisen) sowie die Bewegungen auf den für Europa hauptsächlich relevanten vier Hauptmigrationsrouten permanent beobachtet und - soweit möglich - deren Auswirkungen auf Deutschland und Hamburg eingeschätzt. Aus den Ankunftszahlen an den europäischen Außengrenzen lässt sich jedoch maximal eine Tendenz für die Zugangssituation in Deutschland und Hamburg ableiten, Auswirkungen auf die konkreten Zugangszahlen sind nicht herleitbar. Umfassende Informationen zu Entwicklungen in Europa, Deutschland und Hamburg werden zudem im Monatlichen Lagebild Flüchtlinge veröffentlicht.
Erläuterungen zu den jeweiligen angenommenen Szenarien der Prognose der Zugangsentwicklung
Im Average Case der Prognose entsteht bis Ende 2024 ein leichtes Defizit.
Im Average Case Szenario werden für Asyl- und/oder Schutzsuchende sowie Wohnungslose die Zugänge der letzten 12 Monate und für Schutzsuchende aus der Ukraine die Zugänge der letzten 6 Monate betrachtet und fortgeschrieben. In diesem Szenario wird von einem durchschnittlichen monatlichen Unterbringungsbedarf (Einzüge) von 1.400 Personen ausgegangen, davon sind 560 Asyl- und/oder Schutzsuchende sowie 480 Schutzsuchende aus der Ukraine. Die verbleibenden Unterbringungsbedarfe von 360 Personen ergeben sich unter anderem durch Wohnungslose und Geburten.
Dem stehen durchschnittlich 1.180 Auszüge pro Monat gegenüber, was einen positiven Saldo von 220 Personen zur Folge hat. Das bedeutet, dass pro Monat 220 zusätzliche Personen im System der öffentlich-rechtlichen Unterbringung untergebracht werden müssen. Im 1. bis 2. Quartal 2024 gab es einen saldierten Unterbringungsbedarf, welcher um 280 Personen leicht zurückging. Für das 3. bis 4. Quartal 2024 wird ein Unterbringungsbedarf von 1.320 Personen prognostiziert, sodass für das gesamte Jahr 2024 ein zusätzlicher Unterbringungsbedarf von insgesamt 1.040 Personen entsteht. Das ist ein Rückgang um 2.745 Personen gegenüber der Prognose des 1. Quartals 2024. Dieser Rückgang erklärt sich durch erhöhte Auszüge im 2. Quartal 2024 sowie nicht gestiegene Unterbringungsbedarfe.
Dieses Szenario ist nach derzeitigem Kenntnisstand und auf Basis von Erfahrungswerten als realistisch zu bewerten.
Im Best Case der Prognose entsteht bis Ende 2024 eine Kapazitätsreserve von bis zu 1.400 Plätzen.
Im Best Case Szenario werden für Asyl- und/oder Schutzsuchende sowie Wohnungslose die Zugänge der letzten 6 Monate und für Schutzsuchende aus der Ukraine die Zugänge der letzten 12 Monate betrachtet und fortgeschrieben. In diesem Szenario wird von einem durchschnittlichen monatlichen Unterbringungsbedarf (Einzüge) von 1.140 Personen ausgegangen, davon sind 340 Asyl- und/oder Schutzsuchende sowie 410 Schutzsuchende aus der Ukraine. Die verbleibenden Unterbringungsbedarfe von 390 Personen ergeben sich unter anderem durch Wohnungslose und Geburten.
Dem stehen durchschnittlich 1.170 Auszüge pro Monat gegenüber, was einen negativen Saldo von 30 Personen zur Folge hat. Das bedeutet, dass pro Monat 30 Personen mehr das System der öffentlich-rechtlichen Unterbringung verlassen, als untergebracht werden müssen. Im 1. bis 2. Quartal 2024 gab es einen saldierten Unterbringungsbedarf, welcher um 280 Personen leicht zurückging. Für das 3. bis 4. Quartal 2024 wird ein Rückgang des Unterbringungsbedarfes von 180 Personen prognostiziert, sodass für das gesamte Jahr 2024 ein rückläufiger Unterbringungsbedarf von insgesamt 460 Personen entsteht. Das ist ein Rückgang um 1.275 Personen gegenüber der Prognose des 1. Quartals 2024. Dieser Rückgang ergibt sich durch gesunkene Unterbringungsbedarfe aus den Durchschnittswerten der letzten 6 Monate von Schutzsuchenden aus der Ukraine sowie aus den letzten 12 Monaten von Asyl- und Schutzsuchenden.
Dieses Szenario ist nach derzeitigem Kenntnisstand als nicht realistisch zu bewerten, da in der zweiten Jahreshälfte die Unterbringungsbedarfe erfahrungsgemäß ansteigen.
Im Worst Case der Prognose entsteht bis Ende 2024 ein zusätzlicher Kapazitätsbedarf von bis zu 1.600 Plätzen.
Im Worst Case Szenario werden für Asyl- und/oder Schutzsuchende sowie Wohnungslose und für Schutzsuchende aus der Ukraine die Zugänge der letzten 24 Monate betrachtet und fortgeschrieben. In diesem Szenario wird von einem durchschnittlichen monatlichen Unterbringungsbedarf (Einzüge) von 1.680 Personen ausgegangen, davon sind 570 Asyl- und/oder Schutzsuchende sowie 700 Schutzsuchende aus der Ukraine. Die verbleibenden Unterbringungsbedarfe von 410 Personen ergeben sich unter anderem durch Wohnungslose und Geburten.
Dem stehen durchschnittlich 1.205 Auszüge pro Monat gegenüber, was einen positiven Saldo von 475 Personen zur Folge hat. Das bedeutet, dass pro Monat 475 zusätzliche Personen im System der öffentlich-rechtlichen Unterbringung untergebracht werden müssen. Im 1. bis 2. Quartal 2024 gab es einen saldierten Unterbringungsbedarf, welcher um 280 Personen leicht zurückging. Für das 3. bis 4. Quartal 2024 wird ein Unterbringungsbedarf von 2.850 Personen prognostiziert, sodass für das gesamte Jahr 2024 ein zusätzlicher Unterbringungsbedarf von insgesamt 2.570 Personen entsteht. Das ist ein Rückgang um 1.530 Personen gegenüber der Prognose des 1. Quartals 2024. Wie auch im Average Case, erklärt sich dieser Rückgang durch die im 2. Quartal 2024 nicht gestiegenen Unterbringungsbedarfe und gestiegenen Auszüge.
Dieses Szenario ist nach derzeitigem Kenntnisstand und auf Basis von Erfahrungswerten nicht ausgeschlossen und nicht unrealistisch.
Aus der Prognose resultierender Handlungsbedarf in Bezug auf zusätzlich zu schaffende Plätze
Für den prognostizierten Unterbringungsbedarf Ende 2024 bildet die Grundlage der Average Case. In diesem Szenario wird im Folgesystem der öffentlich-rechtlichen Unterbringung von 8.400 Zugängen (Einzüge), sowie 7.080 Abgängen (Auszüge) für den Zeitraum des 3. bis 4. Quartals 2024 ausgegangen. Am Ende des 2. Quartals 2024 waren im Folgesystem der öffentlich-rechtlichen Unterbringung 42.186 Personen untergebracht. Im Folgesystem werden die Standorte der Erstaufnahme (EA) und Notstandorte der Erstaufnahme nicht berücksichtigt. Das Ankunftszentrum (ZEA) wird ebenfalls nicht berücksichtigt.
Zusätzlich waren am Ende des 2. Quartals 2024 in der Erstaufnahme (inkl. der EA-Notstandorte) 3.114 Personen überresident. Eine Person ist überresident, wenn die Residenzpflicht von sechs Monaten in der Erstaufnahme überschritten wird und/oder ein Anspruch auf einen Platz im System der Folgeunterbringung besteht, jedoch eine Verlegung in das Regelsystem der öffentlich-rechtlichen Unterbringung bislang nicht möglich war. Für diese Personen besteht ebenfalls ein entsprechender Unterbringungsbedarf im Folgesystem.
Somit ergibt sich Ende 2024 in diesem Szenario ein Unterbringungsbedarf von 46.620 Personen im Folgesystem. Bei einer durchschnittlichen Auslastung von 93 % entspricht dies einem Bedarf von 50.129 Plätzen.
Im Folgesystem lag die Kapazität am Ende des 2. Quartals 2024 bei 46.876 Plätzen. Mit Stand vom 25. Juli 2024 werden 1.967 Plätze im Zeitraum des 3. bis 4. Quartals 2024 in Betrieb genommen. Diesem Kapazitätsaufbau steht bis zum Jahresende ein Kapazitätsverlust durch unvermeidbare Schließungen bzw. Reduzierungen der Kapazität in Höhe von 1.684 Plätzen gegenüber. Daraus ergibt sich eine Kapazität von 47.159 Plätzen im Folgesystem zum Ende des Jahres 2024.
Zusätzlich zu den bereits genannten rund 1.700 Plätzen, die durch unvermeidbare Schließungen bzw. Reduzierungen verlorengehen, ist es erforderlich, dass im Jahr 2024 rund 1.300 weitere Plätze bereitgestellt werden, um den Unterbringungsbedarf des Average Cases erfüllen zu können. So ergibt sich bei der Gegenüberstellung der voraussichtlichen Platzkapazität und des Platzbedarfs Ende 2024, ein Handlungsbedarf von insgesamt rund 3.000 zu schaffenden Plätzen, um den zu erwartenden Unterbringungsbedarf decken zu können. Die Kapazität des Folgesystems könnte sich dadurch im Vergleich zu 2023 um rund 1.300 Plätze erhöhen.
Sie möchten uns bei der Schaffung von weiteren Kapazitäten unterstützen?
Die für die Unterbringung zuständigen Behörden und F&W Fördern und Wohnen AöR (F&W) prüfen intensiv fortlaufend alle Möglichkeiten, Unterkünfte und Unterkunftsplätze neu zu errichten bzw. zu erhalten. Behörden, Bezirksämter und F&W sind dazu in engem Austausch. Immobilien werden sowohl von städtischer Seite, z. B. über die Bezirksämter oder den Landesbetrieb Immobilien und Grundvermögen (LIG), als auch von privaten Eigentümerinnen und Eigentümern angeboten, schnellstmöglich geprüft und Realisierungsoptionen ausgelotet. Der Kapazitätsaufbau schließt hierbei sowohl die Schaffung kurzfristiger Not- und Interimskapazitäten als auch die Neuentwicklung von Standorten im Regelsystem ein. Hierfür müssen grundsätzlich alle geeigneten Immobilien in Anspruch genommen werden. Aufgrund der Stadtstaatlichkeit Hamburgs sind die zur Verfügung stehenden Flächen und Möglichkeiten dabei jedoch zunehmend sehr begrenzt.
Wenn Sie eine Immobilie (Grundstück oder Objekt) zur Entwicklung und/oder Nutzung anbieten möchten, dann wenden Sie sich bitte an immobilienmeldungen@sfa.hamburg.de.
Im Rahmen der quartalsweisen Fortschreibung der Prognose mit Stand 30.06.2024 werden die Kapazitäten und Zugänge bis zum Jahresende 2024 berücksichtigt. Im Sinne einer möglichst weitreichenden Vorplanung wird hier der Betrachtungszeitraum für die weiteren Kapazitätsentwicklungen (Stand 25.07.2024) bis zum 2. Quartal 2025 ausgeweitet (siehe Seite 7 und 8).
Die Prognose ist unten abrufbar.