Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Inhalt
2. Leistungsberechtigte
3. Bedarf einer kostenaufwändigen Ernährung
4. Angemessene Höhe des Mehrbedarfs
5. Bewilligungsverfahren
6. Berichtswesen
7. Gültigkeitsdauer
1. Einleitung und Inhalt
Das Präsidium des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. hat am 1. Oktober 2008 neue Empfehlungen zur Gewährung von Krankenkostzulagen verabschiedet. Sie treten an die Stelle der Empfehlungen aus dem Jahr 1997.
Vor diesem Hintergrund hat die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) die Regelungen für die Anerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung (Krankenkostzulage) gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII überarbeitet und in dieser Arbeitshilfe dargestellt.
2. Leistungsberechtigte
Ein Mehrbedarf in angemessener Höhe (siehe Punkt 4.) ist anzuerkennen für
- kranke,
- genesende,
- behinderte oder
- von einer Krankheit oder Behinderung bedrohte
Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen (siehe Punkt 3.) und die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 oder 2 SGB XII erfüllen.
Eine Krankheit liegt bei einem regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand vor, der ärztlicher Behandlung bedarf. Eine Behinderung besteht, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Von einer Behinderung bedroht ist ein Mensch, wenn die Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erwarten ist.
3. Bedarf einer kostenaufwändigen Ernährung
Die Leistungsberechtigten müssen wegen ihrer vorhandenen, drohenden oder noch nachgehend zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen einer Ernährung bedürfen, die kostenaufwändiger als die von Gesunden oder Nichtbehinderten ist. Die Kosten müssen außerdem höher sein, als es die im Regelsatz für Ernährung vorgesehenen Beträge sind. Hierbei ist zu beachten, dass Krankenkostzulagen ausschließlich zur Deckung des krankheitsbedingt erhöhten Ernährungsbedarfs und nicht weiterer Aufwendungen (z.B. für Medikamente) dienen.
3.1 Grundsatz der Prüfung im Einzelfall
Nicht bei jeder Krankheit oder Behinderung besteht ein besonderer Ernährungsbedarf. Bei welchen Krankheiten oder Behinderungen ein besonderer Ernährungsbedarf begründet werden kann, richtet sich nach dem allgemein anerkannten Stand der Ernährungsmedizin, Ernährungslehre und Diätetik. Dass für die jeweilige Erkrankung oder Behinderung ein besonderer Ernährungsbedarf besteht, muss daher durch ein ärztliches Gutachten/Attest belegt und amtsärztlich überprüft werden (siehe hierzu Punkt 5.1).
3.2 Empfehlungen des Deutschen Vereins
Die Empfehlungen des Deutschen Vereins gelten nur für Erwachsene. Für Minderjährige ist immer eine amtsärztliche Stellungnahme einzuholen (Punkt 3.1)
3.2.1 Anerkannte Regelfälle
Bei folgenden ärztlich attestierten Erkrankungen entfällt die in Punkt 3.1 vorgesehene amtsärztliche Überprüfung und ein besonderer Ernährungsbedarf ist anzuerkennen:
- Niereninsuffizienz mit Dialysediät,
- Zöliakie bzw. einheimische Sprue (chronische Erkrankung der Dünndarmschleimhaut aufgrund einer Überempfindlichkeit gegen Gluten)
3.2.2 Keine anerkannten Regelfälle
Bei Erkrankungen, die nach dem allgemein anerkannten Stand der Medizin keiner spezifischen Diät, sondern einer so genannten „Vollkost“ bedürfen, ist ein Mehrbedarf grundsätzlich zu verneinen (Ausnahmen siehe Punkt 3.2.3). Aufwendungen für Vollkost sind mit dem Regelsatz abgegolten.
Bei Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus, erhöhten Blutfetten, erhöhten Blutharnsäurewerten und Gicht sowie bei Herz-Kreislauferkrankungen wie Bluthochdruck ist ein Mehrbedarf grundsätzlich ebenfalls zu verneinen.
Entsprechend den Empfehlungen des Deutschen Vereins wurde die Anerkennung eines Mehrbedarfs für viele Erkrankungen gestrichen.
3.2.3 Anerkennung eines Regelfalls nach amtsärztlicher Begutachtung
Ein besonderer Ernährungsbedarf ist darüber hinaus anzuerkennen bei ärztlich attestierter
- Niereninsuffizienz mit eiweißdefinierter Kost, wenn der Bedarf für die eiweißdefinierte Kost amtsärztlich bestätigt wird.
Ferner wird ein besonderer Ernährungsbedarf bei ärztlich attestierten konsumierenden Erkrankungen (verzehrende Erkrankungen, welche mit krankheitsbedingtem Gewichtsverlust, allgemeinem Kräfteverfall oder stark erhöhtem Energie- und Eiweißbedarf einhergehen), z.B.
- fortschreitendem/fortgeschrittenem Krebsleiden,
- HIV/AIDS,
- Multipler Sklerose,
- Morbus Crohn oder
- Colitis ulcerosa,
dann anerkannt, wenn eine amtsärztliche Überprüfung schwere Verläufe oder besondere Umstände attestiert.
Besondere Umstände liegen zum Beispiel bei gestörter Nährstoffaufnahme oder -verwertung vor, insbesondere, wenn
- der BMI (Body Mass Index) unter 18,5 liegt und das Untergewicht Folge der Erkrankung ist und/oder
- ein schneller, krankheitsbedingter Gewichtsverlust zu verzeichnen ist (über 5 % des Ausgangsgewichtes in den vorangegangenen drei Monaten, sofern keine gewollte Abnahme bei Übergewicht vorliegt).
Bei anderen Erkrankungen, die mit einer gestörten Nährstoffaufnahme oder -verwertung einhergehen, kann ebenfalls von einem erhöhten Ernährungsbedarf ausgegangen werden, wenn die genannten besonderen Umstände amtsärztlich attestiert werden.
Die Aufzählung der Erkrankungen ist im Übrigen nicht abschließend. Insbesondere Erkrankungen, die einer stark auf den Einzelfall ausgerichteten Diät bedürfen, wie dies typischerweise bei Nahrungsmittelallergien bzw. -unverträglichkeiten der Fall ist, sind nicht aufgeführt worden. Entscheidend für das Vorliegen eines besonderen Ernährungsbedarfs ist in solchen Fällen daher das Ergebnis der amtsärztlichen Begutachtung (Punkt 3.1).
4. Angemessene Höhe des Mehrbedarfs
Angemessen im Sinne des § 30 Abs. 5 SGB XII ist ein Betrag, der ausreicht, die im Regelsatz nicht berücksichtigten und auch nicht berücksichtigungsfähigen Mehrkosten voll zu decken, die den Leistungsberechtigten durch die von ihnen aus gesundheitlichen Gründen einzuhaltende spezielle Ernährung entstehen.
4.1 Grundsatz der Prüfung im Einzelfall
Zu bewilligen ist demnach der Betrag, mit dem der medizinisch begründete, tatsächliche Kostenaufwand für eine Ernährung ausgeglichen werden kann, die von der Regelleistung nicht gedeckt werden kann. Er ist im Einzelfall durch Einholung medizinischer und/oder ernährungswissenschaftlicher Stellungnahmen und Gutachten zu klären (siehe hierzu Punkt 5.1).
4.2 Anerkennung von Regelfällen
In der Regel sollen Krankenkostzulagen für Erwachsene in Höhe der folgenden Regelwerte gewährt werden (Eine Übersicht zu den Regelwerten für Krankenkostzulagen findet sich auch in der Anlage zu dieser Arbeitshilfe). Besonderheiten des Einzelfalls können jedoch ein Abweichen von den Regelwerten erforderlich machen. Für Minderjährige ist immer eine amtsärztliche Stellungnahme einzuholen (Punkt 4.1).
- Krankenkostzulage I entspricht 20 % der Regelbedarfsstufe I nach § 28 SGB XII (Dialysediät bei Niereninsuffizienz)
- Krankenkostzulage II entspricht 20 % der Regelbedarfsstufe I nach § 28 SGB XII (Glutenfreie Kost bei Zöliakie bzw. einheimische Sprue)
- Krankenkostzulage III entspricht 10 % der Regelbedarfsstufe I nach § 28 SGB XII (Eiweißdefinierte Kost bei Niereninsuffizienz)
- Krankenkostzulage IV entspricht 10 % der Regelbedarfsstufe I nach § 28 SGB XII (Individuell angepasste Aufbaukost bei konsumierenden Erkrankungen und gestörter Nährstoffaufnahme bzw. -verwertung, wenn schwere Verläufe oder besondere Umstände gegeben sind - Beispiele siehe Anlage)
Die Notwendigkeit einer Anpassung der Krankenkostzulagen wird von der BASFI regelmäßig überprüft.
5. Bewilligungsverfahren
5.1 Ärztliches Attest / Amtsärztliches Gutachten
Krankenkostzulagen bedürfen zu ihrer Begründung der Vorlage eines ärztlichen Attestes, in der Regel des behandelnden Arztes, das unter genauer Bezeichnung des Gesundheitsschadens die Notwendigkeit einer Krankenkostzulage darlegen muss. Aus dem Attest muss insbesondere auch die genaue Form der notwendigen Kost hervorgehen. Bei Zöliakie bzw. einheimischer Sprue hat der Arzt sowohl den serologischen als auch den histologischen Nachweis auf dem Attest zu bescheinigen.
Bei der Prüfung und Bewilligung der Krankenkostzulagen I und II kann auf die zusätzliche Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens verzichtet werden.
Bei der Prüfung und Bewilligung der Krankenkostzulagen III und IV ist immer ein amtsärztliches Gutachten einzuholen.
Im Übrigen ist in Zweifelsfällen, bei Anträgen von Minderjährigen oder in von den Regelfällen abweichenden Einzelfällen immer ein amtsärztliches Gutachten einzuholen. Dies gilt in den genannten Fällen auch für die Ermittlung des Betrags, mit dem der medizinisch begründete, tatsächliche Kostenaufwand für eine Ernährung ausgeglichen werden kann, die von der Regelleistung nicht gedeckt werden kann.
5.2 Mehrere Mehrbedarfe
Sind mehrere (verschiedene) Kostformen erforderlich, sind die jeweiligen Mehrbedarfe nicht zu addieren, sondern der Ernährungsaufwand aufgrund des gesamten Krankheitsbildes konkret zu ermitteln. Hierfür ist ein amtsärztliches Gutachten einzuholen.
5.3 Bewilligungszeitraum
Die Bewilligung einer Krankenkostzulage ist grundsätzlich auf zwölf Monate zu befristen. Anschließend ist der Bedarf erneut zu überprüfen. Bei der Zöliakie bzw. einheimischer Sprue kann auf eine Befristung verzichtet werden, da eine lebenslange Diät erforderlich ist.
5.4 Nachrangprinzip
Ein Mehrbedarf nach § 30 Abs. 5 SGB XII ist nicht anzuerkennen, wenn der krankheitsbedingt erhöhte Ernährungsaufwand anderweitig, z.B. im Rahmen von Leistungen des 5. bis 9. Kapitels SGB XII oder durch vorrangig verpflichtete Leistungsträger (z.B. gesetzliche oder private Versicherungen), zu decken ist.
6. Berichtswesen
Die durchführenden Dienststellen berichten der BASFI quartalsweise anhand der gebildeten Kennzahlen und Strukturdaten wie folgt:
- Anzahl der Empfänger von Leistungen nach § 30 Abs. 5 SGB XII,
- Gesamtvolumen der gewährten Leistungen gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII,
- Volumen der gewährten Leistungen nach § 30 Abs. 5 SGB XII je Person, Geschlecht, Kostform und Altersklasse (0 bis unter 18, 18 bis unter 25, 25 bis unter 40, 40 bis unter 60, über 60 Jahre) und
- durchschnittliche Dauer des Leistungsbezugs in den jeweiligen Kostformen, gestaffelt nach Altersklassen und Geschlecht
Weitere Kennzahlen zur Steuerung können zwischen den Bezirken und der BASFI vereinbart werden. Die durchführenden Dienststellen berichten unverzüglich, wenn außergewöhnliche Entwicklungen deutlich werden.
7. Inkrafttreten
Diese Arbeitshilfe tritt am 01.04.2014 in Kraft.