Grundgesetz
Im Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) wird für Kinder das Recht auf Schutz manifestiert. Dort steht, dass die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die ihnen vorrangig obliegende Pflicht ist. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Es besteht also ein Grundrecht der Eltern auf Pflege und Erziehung der Kinder; aber das Kind hat ebenfalls das Recht auf die pflichtgemäße Ausübung der elterlichen Sorge und damit auch das Recht auf staatliches Eingreifen, wenn die Eltern ihre Verantwortung nicht tragen können oder sich ihrer Verantwortung entziehen.
Bürgerliches Gesetzbuch
Der Paragraph 1666 BGB Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls konkretisiert das im Artikel 6 Abs. 2 GG formulierte staatliche Wächteramt. Das Familiengericht hat gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet werden und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden.
Es geht folglich um die Prüfung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Der Begriff „Kindeswohlgefährdung“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der aus den in § 1666 BGB aufgeführten Eingriffsnormen abgeleitet werden kann. Die ständige Rechtsprechung spricht von „eine(r) gegenwärtige(n), in einem solchen Maße vorhandene(n) Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt“ (BGH FamRZ 1956, 350 = NJW 1956, 1434).
Es gehört nicht zu den Aufgaben des Staates, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen (BVerfG FamRZ 2014, 1270 (1272)).
Ist das Kindeswohl jedoch gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, diese Gefahr abzuwenden, ist der Staat verpflichtet, den Schutz der Grundrechte des Kindes sicherzustellen. Hierzu kann er in das Elternrecht eingreifen und die zur Abwehr der Gefahr erforderlichen Maßnahmen treffen. Allerdings muss er dabei versuchen, durch helfende und unterstützende Maßnahmen ein verantwortungsvolles Verhalten der Eltern (wieder)herzustellen (BverfG FamRZ 2017, 524 (527)).
Weiterführende Links
- Gesetzestext § 1626 BGB Elterliche Sorge, Grundsätze
- Gesetzestext § 1631 BGB Inhalt und Grenzen der Personensorge
SGB VIII
Die Ausführung der Bestimmung aus dem Grundgesetz wird seit 2005 durch den § 8a SGB VIII Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung konkretisiert. Demnach ist es Aufgabe des Jugendamtes, die mögliche Gefährdung des Kindeswohls festzustellen und durch praktisches sozialpädagogisches Handeln abzuwenden.
Bundesweit werden vier Arten von Kindeswohlgefährdung in der Statistik der Kinder- und Jugendhilfe voneinander unterschieden.
- Unter Vernachlässigung versteht man die anhaltende oder wiederholte Unterlassung fürsorglichen Handelns der sorgeverantwortlichen Personen (Eltern oder andere Betreuungspersonen). Vernachlässigung kann auf erzieherischer oder körperlicher Ebene erfolgen, zum Beispiel fehlende erzieherische Einflussnahme bei unregelmäßigem Schulbesuch oder unzureichende Pflege und Versorgung des Kindes z. B. mit Nahrung, sauberer Kleidung oder Hygiene.
- Zu körperlicher Misshandlung zählen Handlungen der Eltern oder anderer Betreuungspersonen, die durch Anwendung von körperlichem Zwang oder Gewalt vorhersehbar erhebliche physische oder seelische Beeinträchtigungen des jungen Menschen und seiner Entwicklung zur Folge haben können.
- Psychische Misshandlung umfasst feindselige, abweisende oder ignorierende Verhaltensweisen der Eltern oder anderer Bezugspersonen sofern sie fester Bestandteil der Erziehung sind. Dazu gehört zum Beispiel die feindselige Ablehnung des Kindes, das Anhalten/ Zwingen des Kindes zu strafbarem Verhalten, das Isolieren des Kindes vor sozialen Kontakten oder das Verweigern von emotionaler Zuwendung. Eine weitere Fallgruppe der psychischen Misshandlung sind Minderjährige, die wiederholt massive Formen der Partnergewalt in der Familie erleben oder eine gezielte Entfremdung von einem Elternteil erfahren.
- Unter sexuelle Gewalt fallen Straftaten gegenüber Kindern und Jugendlichen, die gegen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung verstoßen und damit negative Auswirkungen auf die Entwicklungsverläufe des/der Minderjährigen zur Folge haben können. Strafbar sind alle sexuellen Handlungen, die an oder vor einem Kind/Jugendlichen vorgenommen werden, unabhängig vom Verhalten oder einer eventuell aktiven Beteiligung des jungen Menschen.
Weiterführende Links
- Gesetzestext § 8b SGB VIII Fachliche Beratung und Begleitung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
- Gesetzestext § 63 SGB VIII Datenübermittlung und -nutzung
BKiSchG
Seit dem 1. Januar 2012 gelten auch die Bestimmungen des Bundeskinderschutzgesetzes (BKiSchG).
Das Bundeskinderschutzgesetz fasste 2012 verschiedene Gesetzesveränderungen im Interesse des Schutzes von Kindern und Jugendlichen zusammen. Das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) ist Teil des Bundeskinderschutzgesetzes. Mit dem Ziel, das Wohl von Kindern zu schützen und ihre Entwicklung zu fördern, wurde in den §§ 4 und 5 KKG die Zusammenarbeit zwischen relevanten Akteuren in Kinderschutzfällen festgeschrieben.
Weiterführende Links
- Gesetzestext § 4 KKG Beratung und Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger bei Kindeswohlgefährdung
KJSG
Seit dem 10. Juni 2021 gelten durch das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (KJSG) Veränderungen in fünf Bereichen:
- Besserer Kinder- und Jugendschutz
- Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen
- Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen
- Mehr Prävention vor Ort
- Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien
Dafür wurden Veränderungen in den Gesetzen Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder und Jugendhilfe (SGB VIII), Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG), Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (SGB IX), Zehntes Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), Jugendgerichtsgesetz (JGG) sowie dem Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (GVGEG) vorgenommen.
Strafgesetzbuch (StGB)
Im StGB werden strafbare Handlungen und deren rechtliche Folgen bei Verletzung von Kinderrechten und Kindeswohl aufgeführt. Das sind vor allem:
§ 171 StGB Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht
§ 174 StGB Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen
§ 174a StGB Sexueller Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen
§ 174b StGB Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung
§ 174c StGB Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses
§ 176 StGB Sexueller Missbrauch von Kindern
§ 176a StGB Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind
§ 176b StGB Vorbereitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern
§ 176c StGB Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern
§ 176d StGB Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge
§ 176e StGB Verbreitung und Besitz von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern
§ 177 StGB Sexueller Übergriff, Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung
§ 178 StGB Sexueller Übergriff, Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge
§ 180 StGB Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger
§ 180a StGB Ausbeutung von Prostituierten
§ 181a StGB Zuhälterei
§ 182 StGB Sexueller Missbrauch von Jugendlichen
§183 StGB Exhibitionistische Handlungen
§183a StGB Erregung öffentlichen Ärgernisses
§ 184 StGB Verbreitung pornographischer Inhalte
§ 184a StGB Verbreitung gewalt- oder tierpornographischer Inhalte
§ 184b StGB Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte
§ 184c StGB Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Inhalte
§ 184e StGB Veranstaltung und Besuch kinder- und jugendpornographischer Darbietungen
§ 184f StGB Ausübung der verbotenen Prostitution
§ 184g StGB Jugendgefährdende Prostitution
§ 184i StGB Sexuelle Belästigung
§ 184j StGB Straftaten aus Gruppen
§ 184k StGB Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen
§ 184l StGB Inverkehrbringen, Erwerb und Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild
§ 201a StGB Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen
§ 225 StGB Misshandlungen von Schutzbefohlenen
§ 226a StGB Verstümmelung weiblicher Genitalien
§ 232a StGB Zwangsprostitution
§ 232b StGB Zwangsarbeit
§ 233 StGB Ausbeutung der Arbeitskraft
§ 233a StGB Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung
§ 234 StGB Menschenraub
§ 234a StGB Verschleppung
§ 235 StGB Entziehung Minderjähriger
§ 236 StGB Kinderhandel
§ 237 StGB Zwangsheirat
Weitere Links
- UN-Konvention über die Rechte des Kindes
- Online-Handbuch des Deutschen Jugendinstitutes (Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB und Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD))