Wo liegen die Motive?
Zwangsheiraten sind von anderen Formen der Heiratsanbahnung wie der arrangierten Ehe zu unterscheiden, die dann vorliegen, wenn die Heirat zwar von Verwandten, Bekannten oder von Ehevermittlerinnen/-vermittlern initiiert, aber mit vollem Einverständnis der Eheleute geschlossen werden. Insoweit ergeben sich in vielen Fällen Abgrenzungsschwierigkeiten.
Als Motive für eine Zwangsheirat werden häufig genannt:
- Probleme mit der Erziehung; Kontrolle über unerwünschtes Verhalten/Sexualität,
- Verhinderung von unerwünschten Beziehungen der Kinder,
- Wunsch und Überzeugung nach ökonomischer Absicherung des eigenen Kindes,
- Wunsch nach Absicherung eines behinderten Kindes,
- Bewahrung von „Familienehre“ und „Tradition“,
- Einhaltung familiärer Verpflichtungen/Eheversprechen,
- Stärkung von Familienbindungen.
Wer ist betroffen?
Bei den Betroffenen handelt es sich zumeist um minderjährige Mädchen und junge volljährige Frauen. Aber es liegen auch Befunde vor, die zeigen, dass auch Jungen beziehungsweise Männer von Zwangsheirat betroffen sind.
Zwangsheiraten gehen häufig in hohem Maße einher mit physischer, psychischer sowie sexualisierter Gewalt gegenüber den Betroffenen. Sie bedeuten in der Regel auch die Einschränkung der persönlichen Entwicklung, die Verweigerung von Bildung, Berufsausübung und materieller Unabhängigkeit.
Die Erfahrungen der Beratungspraxis in Hamburg aber auch bundesweit belegen, dass ein hoher Unterstützungs- und Schutzbedarf für junge volljährige Frauen (in der Altersgruppe von 18-25 Jahren) besteht.
Es handelt sich dabei vor allem um Frauen, die aus traditionell-patriarchalischen Familien kommen. Über Jahre anhaltende Misshandlungen und Gefährdungen in und durch die Familie, ständige Kontrolle und Einengung in der Lebensführung durch die Familie, bisher versagte Verselbständigung (zum Beispiel durch fehlende oder nicht hinreichende schulische/berufliche Ausbildungsgänge) sowie Verlust sozialer Bindungen prägen ihre Lebenssituation.
EU-Projekt „Aktiv gegen Zwangsheirat“
Das internationale Projekt "Aktiv gegen Zwangsheirat" (2007-2009) hatte zum Ziel, dem Verbot der Zwangsheirat verstärkte Geltung zu verschaffen. Hierzu wurden Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung gezielt beraten und für das Thema sensibilisiert.
Um Zwangsheiraten länderübergreifend bekämpfen und den Opfern zielgerichteter helfen zu können, wurde ein länderübergreifender Handlungsleitfaden entwickelt.
Der Handlungsleitfaden mit dem Titel „Aktiv gegen Zwangsheirat“ umfasst 29 Empfehlungen zur Prävention und Hilfe bei Zwangsheiraten. Diese Vorschläge basieren auf erfolgreichen Handlungsansätzen in den jeweiligen Partnerländern. Sie gaben damit auch Impulse für die Weiterentwicklung der Hamburger Handlungsansätze.
Dokumente und Materialien
- Konzept zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Menschenhandel und Gewalt in der Pflege (Hamburg 2014)
- „Intervention bei Zwangsverheiratung – Möglichkeiten interdisziplinärer Fallzusammenarbeit“ – Handreichung für Fachkräfte
- Europäischer Handlungsleitfaden „Aktiv gegen Zwangsheirat“
- Dokumentation der Fachveranstaltung „Aktiv gegen Zwangsheirat“ vom 28. September 2009
- Dokumentation der Fachkonferenzen der Partnerorganisationen des EU-Projektes „Aktiv gegen Zwangsheirat“
- Studie „Zwangsheirat in Hamburg“: Ergebnisse einer Befragung der Lawaetz-Stiftung im Auftrag der Stadt Hamburg 2006 (PDF, 550 KB)
- Studie „Zwangsverheiratung in Deutschland – Anzahl und Analyse von Beratungsfällen“ (2011)