Dass es auf dem Fischmarkt jede Menge Vögel zu kaufen gibt, ist gemeinhin bekannt. Das durchdringende Krähen eines Hahnes oder das aufgeregte Gackern der Hühner überraschen den geübten Fischmarkt-Besucher nicht allzu sehr.

Aber das Zwitschern einer Nachtigall? Solch seltene Vögel vermutet man auf einem orientalischen Basar – doch nicht auf dem Fischmarkt! Und wer die Quelle des lieblichen Trällerns sucht, erlebt dann auch gleich die nächste Überraschung: Wer da so munter vor sich hin zwitschert, will aber auch gar nicht wie ein edler Singvogel aussehen! Mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht sitzt da Hans Ohlmeier in seinem Rollstuhl und flötet in den schönsten Tönen. Ein Wunder? Nein, der 57-Jährige führt ganz einfach seine „Nachtigallenstimmen“ vor, die er seit 30 Jahren auf dem Fischmarkt verkauft. Diese kleinen Flöten verschwinden völlig im Mund und erlauben ihrem Benutzer, täuschend echt eine Nachtigall zu imitieren.
Humor gehört dazu

Wundersam ist an Hans Ohlmeier also nichts. Na gut, bis auf seine Kopfbedeckung vielleicht. Mit dem selbst gebastelten Strohhut, auf dem es von kleinem Federtier nur so wimmelt, macht er auch äußerlich seinem Spitznamen „Vogel-Jakob“ alle Ehre. „Wenn einer zu mir sagt: Du hast ja einen Vogel! – dann kann ich sagen: Einen? Nein, viele!“ erläutert Ohlmeier augenzwinkernd einen der zahlreichen Vorteile seines Hutes.
Sich selbst nicht so ernst nehmen und bloß den Humor nicht verlieren – so lautete die Devise von „Vogel-Jakob“ bereits zu Beginn seiner Fischmarkt-Karriere. Und die währt nun schon eine ganze Weile. Als Sohn der „Singenden Säge“, jener Frau deren schräger Gesang auf dem Fischmarkt noch heute legendär ist, wurde er gewissermaßen in den Fischmarkt hinein geboren. Seinem Vater half er schon als Kind am Spielwaren-Stand der Familie. Mit 18 machte er sich dann selbstständig – zunächst ebenfalls mit Spielwaren und Porzellan, bis er dann bei einem Dom-Besuch zufällig die zauberhaften kleinen Flöten entdeckte, mit denen er die Fischmarkt-Besucher bis heute entzückt.

Vogeljakob als Fernsehstar
Selbst Kamerateams aus aller Welt sind dem Charme des fröhlich zwitschernden Händlers verfallen. So soll er schon in zahlreichen Ländern, darunter zum Beispiel Amerika, Japan oder Thailand, im Fernsehen zu bewundern gewesen sein. Auch in einer Folge der Hamburger Krimi-Serie „Großstadtrevier“ hat er bereits mitgewirkt.
Was ist es nun aber, das ihn bei der Arbeit stets so gut gelaunt sein lässt? „Es sind vor allem die Menschen, die ich treffe“, erzählt Vogel-Jakob, „Besonders schön ist es, wenn ich Kindern das Pfeifen auf den Flöten beibringe und die sich dann über ihren ersten Ton freuen!“ Und weil ihm die Arbeit so viel Spaß macht, wird er auch nicht so schnell damit aufhören: „Ich bin schon mein ganzes Leben lang auf dem Fischmarkt, und ich werde auch mit 80 noch hier sein!“ Man darf sich also noch auf viele Fischmarkt-Jahre mit diesem ganz besonderen „Vogel“ freuen!