
Vom Beton-Gerinne zurück zum Bach
Die Seebek ist ein kleiner Hamburger Bach, der im Bezirk Wandsbek aus dem Bramfelder See entspring und an dessen südöstlicher Spitze seinen kurzen nur knapp 4 Kilometer langen Weg gen Süden zur Osterbek und Alster aufnimmt. Grenzbach ist ein anderer Name des Baches, der sich auf den Verlauf auf der Grenze zu Wandsbek gründet, das noch bis 1938 eigenständig war. Auch heute markiert der Bach Grenzverläufe, im Oberlauf zwischen den Stadteilen Bramfeld und Steilshoop und im Unterlauf zwischen Bramfeld und Barmbek (-Nord), sowie auf der gleichen Strecke zwischen den Bezirken Wandsbek und Hamburg-Nord. Der Name ist bei den Menschen in den Stadteilen auch heute noch gebräuchlich, zudem hat er sich in verschiedenen Benennungen erhalten, wie bei den Namen der Grenzbachstraße oder des Kleingartenvereins am Grenzbach.
Dieser kleine Bach war noch in den 1980-er Jahren eine auf weite Strecken in Beton gefasste Abflussrinne. Im Zuge zunehmenden ökologischen Bewusstseins und unterstützt durch die Anforderungen der EG-Wasserrahmenrichtlinie wurde die als sandgeprägter Tieflandbach eingeordnete Seebek ausgehend vom Oberlauf und vom Bezirk Wandsbek in engagierter Arbeit Stück für Stück aus ihrem Korsett befreit, in weiten Teilen in ehrenamtlicher Arbeit in Kooperationen mit dem NABU Hamburg im Rahmen des Projekts Eisvogel.
Ab dem Austritt aus dem Bramfelder See misst der Lauf der Seebek bis zu ihrer Mündung in die Osterbek 3,7 km. Zählt man einen Zulauf aus dem Teich an der Anderheitsalle hinzu, wie es in den Gewässerkarten heute ausgewiesen ist, erweitert sich die Gesamtlänge auf rund 4,5 km. Von dieser Strecke liegen nur etwa 600 m im Verwaltungsbereich des Bezirks Hamburg-Nord. Dies ist das letzte Stück des Unterlaufes bevor die Seebek in die Osterbek mündet.
Staue und Sohlabstürze – unterbrochener Biotopverbund
Aber genau hier war diese Verbindung lange Zeit unterbrochen. Zwar konnte das Wasser des Baches zur Osterbek und Alster fließen, für viele Tiere des Baches aber war der Weg durch sogenannte Querbauwerke versperrt (vgl. zu Querbauwerken auch die Osterbek). Alle drei Bauwerke waren Sohlabstürze, an denen die Sohle des Baches tiefer versetzt ist, so dass das Wasser ein Stück hinabstürzt – ein kleiner Wasserfall also, über den viele Tiere zwar abwärts gelangen können, wenige aber wieder hinauf.
Für wandernde Fische stellt das ein Problem dar: Wandern sie zur Fortpflanzung ins Meer, wie es die Aale tun (katadrome Wanderung), kommen sie hernach nicht wieder in ihre Habitate zurück. Müssen sie aber zur Fortpflanzung in die Oberläufe der Bäche wandern, wie es die Lachsen tun (anadrome Wanderung), kommen sie dort erst gar nicht an. Zudem wandern viele Tierarten in den Bächen auf der Suche nach Nahrung, was im Falle der Sohlabstürze dazu führen kann, dass diese Tiere nach und nach aus dem Oberlauf des Baches verschwinden, da sie dorthin auf ihrer Wanderung nicht zurückkehren können. Starke Strömungen bei Hochwasser tragen auch dazu bei, dass Tiere im Bach „verdriftet“ werden. Schon bei einem 5-jährliches Hochwasserereignis (HQ5) im Unterlauf der Seebek fließt mit etwa 1.500 l/s mehr als 12 Mal so viel Wasser durch das Bachbett, wie bei mittleren Abflüssen (MQ) mit etwa 120 l/s. Bei Niedrigwasser (NQ) hingegen beträgt der Abfluss rund 22 l/s und damit nur etwa 1/6 des mittleren Abflusses. Die Bandbreite der Abflussmengen ist also sehr groß und die Kraft und Spülwirkung eines Hochwasserabflusses beträchtlich.

Ein weiteres Hindernis und eine Unterbrechung des Lebensraums Bach stellte der große Staubereich des Rückhaltebeckens an der Schiffbauversuchsanstalt dar, da auch er für manche Arten nur schwer zu durchwandern war .
Inzwischen wurden diese Unterbrechungen der Biotopverbindung und der Durchgängigkeit geschlossen! Bereits im Jahr 2012 wurde eine Planung zur naturnäheren Gestaltung des Abschnitts umgesetzt. Durch die Maßnahmen wurden die Sohlabstürze aufgelöst und im Bereich des Rückhaltebeckens entwickelt sich seitdem ein wertvolles Feuchtgebiet. Gewässerlauf und Aue können sich in diesem Abschnitt frei entwickeln. Ein kurzes aber sehr natürliches Stück Bach ist entstanden.
Vom Sohlabsturz zur Sohlgleite
Der Höhenunterschied, der an den Sohlabstürzen an einer Stelle in Form einer Stufe zu überwinden war, wurde auf eine längere Strecke des Baches verteilt. Es entstand eine Fließstrecke mit etwas höherem Gefälle. Sie stellt nun in einem gleitenden Übergang die Verbindung zwischen Oben und Unten her. Die Sohle und mit ihr das Wasser stürzen nicht mehr ab, sondern gleiten von einer Höhenlage auf die nächste und mit ihr können die Fische und Kleinstlebewesen hinab gleiten und auch wieder hinaufgelangen.
Aufgrund des erhöhten Gefälles dieser Sohlgleite entwickelte sichauf dieser Strecke eine deutlich höhere Fließgeschwindigkeit. Um diese zu mindern, der Erosion der Sohle vorzubeugen und den Tieren im Bach, vor allem auch den kleineren den Weg hinauf zu ermöglichen, sind Störsteine in die Sohle eingebaut worden. Dies sind große Steine in geringem Abstand zueinander, an denen das Wasser umgelenkt und geringfügig gebremst, bzw. aufgestaut wird. Hier bilden sich neben schnell und sprudelnd fließenden Abschnitten auch ruhigere Bereiche aus, die als Ruhezonen im Aufstieg dienen.
Vom Rückhalteteich zum lebendigen Feuchtgebiet
Der Stau des vormaligen Rückhalteraums an der Schiffbauversuchsanstalt wurde aufgelöst. So entfiel der Höhensprung am Wehr, über den das Wasser hinabstürzte und der den wandernden Tieren ein Hindernis war. Der Bach durchfließt dieses Gebiet nun in einem vielgestaltigen und sich wandelnden Bett, beeinflusst und gelenkt von ebenfalls veränderlichen Hindernissen wie Bewuchs und Holz. Hier ist viel Raum für dynamische Entwicklung. Weiden und Erlen haben sich eingefunden und bilden im Wachsen und Vergehen zusammen mit vielzähligen Stauden des Ufer- und Sumpfbereiches einen wunderbar vielfältigen Gewässerlebensraum.
Da aber die Seebek wie viele andere Bäche heute sehr viel Sand transportiert, wurde diesem Biotop ein strömungsberuhigter Bereich vorgelagert, in dem sich der transportierte Sand absetzen und aus welchem er entnommen werden kann, ohne die Qualität des anschließenden Feuchtgebietes zu beeinträchtigen – ein sogenannter Sandfang.
Der gesamte Biotop-Bereich ist aufgrund seiner sumpfigen Charakteristik kaum Störung ausgesetzt. Er ist für nicht dort heimische Tiere und für Menschen natürlicherweise unzugänglich.

Gewässererlebnis als Konkurrenz für die Entwicklung von Sekundär-Auen?
Nicht unzugänglich genug sind einige Bereiche mit Aufweitung des Gewässerbetts und Einbau von Holz ins Gewässer, die Auenqualität entwickeln sollten. Sie sind durch Fuß- und Pfotentritt belastet und können sich kaum im Sinne der Zielsetzung entwickeln.
Natürlicherweise steht ein Bach im Austausch mit den angrenzenden Landflächen, den Auen. Hierhin dehnt er sich bei Hochwasser aus. Die Wechselwirkungen dieses Austausches zwischen Wasser und Land sowie die Einträge ins Wasser und ins Land sind Teil der Entwicklungs-, Nahrungs- und Lebensprozesse dieser Lebensräume.
Nun wurden die Bäche in der Vergangenheit jedoch oft vertieft ausgebaut, um die Ausuferungen im Hochwasser zu vermeiden. Die Eintiefungen sind heute nur schwer oder gar nicht zurückzunehmen. Diese Situation findet sich z.T. auch an der Seebek und so bestand der Plan, dem Bach auf einem tieferen Niveau begrenzte Flächen verfügbar zu machen, die das Wasser bei höheren Abflüssen erreichen kann, um hier in Ansätzen die Auen-Austauschprozesse zu ermöglichen.
Solche Ersatzbereiche werden als Sekundär-Auen bezeichnet. Sie können sich z.B. durch Erosion der Böschungen auch von selber entwickeln. In den beengten Verhältnissen der Seebek wurden dazu kleinräumige Aufweitungen des Bachquerschnitts geplant und umgesetzt, sowie der Einbau von Holz und Steinen in den Bach innerhalb dieser erweiterten Querschnitte.
In diesem stark von Menschen frequentierten Gebiet scheinen diese Bereiche aber eher dem Wunsch nach Zugang zum Gewässer zu dienen, sodass sie sich kaum in der gewünschten Weise entwickeln können. Eine Veränderung wäre hier wünschenswert. Die Orientierung an der sehr unzugänglichen Situation des vormaligen Rückhaltebeckens kann dabei hilfreich sein.


Links
- Die Seebek im Basis-Gewässernetz auf Geo-Online Hamburg
- Gewässerschutz Renaturierung Bezirk Hamburg-Nord
- Das "Projekt Eisvogel" an Seebek und Osterbek – NABU Hamburg
- Fischbestandskundliche Untersuchungen und ökologische Bewertung der Fischfauna gemäß EG-Wasserrahmenrichtlinie an der Osterbek
- Biomonitoring Frühjahr 2021 – Untersuchung der Qualitätskomponente benthische Wirbellosenfauna gemäß EG-Wasserrahmenrichtlinie an der Seebek