18. Jahrhundert
Das Gebiet der heutigen Hamburger Neustadt liegt ursprünglich außerhalb der Festungsanlagen Hamburgs. Im 17. Jahrhundert werden die Verteidigungsanlagen der Hansestadt entlang der heutigen Wallanlagen erweitert. Daraufhin verdichtet sich in den folgenden Jahrzehnten die Bebauung der Neustadt zunehmend, so dass bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Blockrandbebauung des heutigen Sanierungsgebietes Gängeviertel/Valentinskamp geschlossen ist.
19. Jahrhundert
Bis etwa 1840 werden auch die Hinterhöfe gänzlich bebaut. Die Bautätigkeit ist insbesondere auf das starke Bevölkerungswachstum Hamburgs im 19. Jahrhundert zurückzuführen, als der Bedarf an Wohnungen in der Stadt deutlich ansteigt. Da die Torsperre erst im Jahr 1860 aufgehoben wird, ist das Interesse innerhalb der Stadtbefestigung zu siedeln vor 1860 sehr groß, was den Siedlungsdruck auf die Neustadt noch zusätzlich erhöht. Um die knappen Flächen möglichst effektiv zu nutzen, entstehen die für Hamburg typischen Gängeviertel, in denen Fachwerkhäuser dicht an dicht errichtet werden. Die Straßen und Gänge sind sehr schmal und teils stark verwinkelt, es gibt nahezu keine Freiflächen. Die Gängeviertel der Neustadt werden traditionell von mittleren und ärmeren Hamburger Arbeiterfamilien bewohnt. Neben der Wohnnutzung ist traditionell auch kleinteiliges Gewerbe in den Gängevierteln ansässig.
Ende des 19. Jahrhunderts
In der städtebaulichen Grundstruktur sowie in der Bausubstanz ändert sich seit den 1860er Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg relativ wenig. Ende des 19. Jahrhunderts werden lediglich die Fachwerkgebäude Speckstraße 83–87 sowie Caffamacherreihe 37–57 durch moderne gründerzeitliche Bauten ersetzt.
1930
In die Bausubstanz der übrigen Gebäude wird offenbar schon vor dem Zweiten Weltkrieg nicht ausreichend investiert, da die Wohnungen des Quartiers bereits in den 1930er Jahren als „minderwertig und unbewohnbar“ eingestuft werden.
1939–1945
Etliche Gebäude im Umfeld des heutigen Sanierungsgebietes Gängeviertel/Valentinskamp erleiden während des Zweiten Weltkriegs große Schäden.
1950–1980
Das Gebäude Valentinskamp 38d in der Schier's-Passage wird 1956 abgebrochen. Durch den Bau der U-Bahnlinie Ende der 1960er Jahre sowie durch die Errichtung mehrerer großer Verwaltungsgebäude werden zahlreiche historische Bauten im Umfeld zerstört. Die Wohnnutzung in diesem Teil der Hamburger Neustadt wird durch diese Maßnahmen zunehmend verdrängt. Lediglich das heutige Sanierungsgebiet Gängeviertel/Valentinskamp stellt noch ein zusammenhängendes Wohnquartier in diesem Teil der Stadt dar. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wird nicht intensiv in die Bausubstanz des Gängeviertels investiert, sondern dessen Abriss geplant. Dementsprechend unterbleiben seit den 1950er Jahren Modernisierungen, und notwendige Reparaturen werden mit möglichst geringem Aufwand durchgeführt. Dementsprechend sind bereits in den 1980er Jahren viele Gebäude des heutigen Sanierungsgebietes sanierungsbedürftig.
1986/1987
Aufgrund der mangelhaften Bausubstanz werden in den Jahren 1986 und 1987 vorbereitende Untersuchungen (VU) nach § 4 des Städtebauförderungsgesetzes mit dem Ziel durchgeführt, die Notwendigkeit der Sanierung des Gebietes zu beurteilen sowie Vorschläge zur Planung und Durchführung einer Sanierung auszuarbeiten. Das Untersuchungsgebiet umfasst den gesamten Baublock zwischen Caffamacherreihe, Valentinskamp, Bäckerbreitergang und Speckstraße. Es ist somit ein größeres Areal als das heutige Sanierungsgebiet. Als Grundlage für diese vorbereitenden Untersuchungen dient ein städtebauliches Gutachten aus dem Jahr 1985, das Nutzung und Zustand der einzelnen Gebäude bereits detailliert untersucht hatte.
1991
Am 26. März 1991 wird das Gebiet der vorbereitenden Untersuchungen als Sanierungsgebiet Neustadt S3 – Valentinskamp förmlich festgelegt.
1995
Am 13. April 1995 erfolgt die förmliche Aufhebung des Sanierungsgebietes Neustadt S3 – Valentinskamp. Als Begründung werden die in den westlichen Bundesländern stark gekürzten Bundesmittel der Städtebauförderung angeführt, die eine Finanzierung der erforderlichen Ordnungs- und Baumaßnahmen nicht mehr ermöglichen. Die zur Verfügung stehenden Mittel sollen verstärkt in den sozial benachteiligten Quartieren investiert werden. Einzige bauliche Maßnahme im Rahmen des Sanierungsverfahrens bleibt somit die öffentlich geförderte Instandsetzung und Modernisierung des im 17. Jahrhundert errichteten Fachwerkhauses Valentinskamp 34.
1995–2000
In der Folge der Aufhebung des Sanierungsgebietes und der weiterhin ungewissen Zukunft der Gebäude bleibt die Bausubstanz des heutigen Sanierungsgebietes Gängeviertel/Valentinskamp bis auf ein Gebäude unsaniert.
Das Gebiet bleibt in den folgenden Jahren weitgehend unbeachtet. Aufgrund der ausbleibenden Instandhaltung durch die öffentliche Hand und des dadurch bedingten Verfalls der Gebäude nimmt die Bewohneranzahl in den Folgejahren weiter ab.
2002
Ab dem Jahr 2002 bemüht sich die Freie und Hansestadt Hamburg, die Grundstücke des heutigen Sanierungsgebietes Gängeviertel/Valentinskamp an Investoren zu verkaufen.
2006–2009
Nachdem der erste Versuch eines Investors gescheitert war, das Häuserensemble des heutigen Sanierungsgebietes zu entwickeln, wird ab 2006 mit einem niederländischen Investor verhandelt, der den Zuschlag zum Erwerb des Quartiers erhält. Dessen Planungen sehen vor, die Bausubstanz weitestgehend abzubrechen und durch Büro-Neubauten zu ersetzen. Einige Gebäudefassaden sollen erhalten und in das neu errichtete Quartier integriert werden.
2009
Im August 2009 werden die zwölf leerstehenden Gebäude im Bereich des heutigen Sanierungsgebietes von der Initiative „Komm in die Gänge“ kulturell besetzt, um für den Erhalt des Ensembles und die Schaffung günstiger Wohn- und Arbeitsräume zu protestieren. Infolgedessen etablieren sich unkommerzielle Nutzungen im Bereich Kunst, Kultur, Politik und Soziales. In Würdigung der Aktivitäten der Initiative „Komm in die Gänge“ und vor dem Hintergrund der gegenüber den Vorjahren veränderten politischen Situation in Hamburg entschließt sich die Stadt Ende des Jahres zur Rückabwicklung des Kaufvertrages. Eine Umsetzung der bisherigen Planungen wird von beiden Vertragspartnern als nicht mehr zukunftsweisend erachtet. So wird die Stadt Hamburg bzw. die SAGA/Sprinkenhof AG wieder Eigentümerin der Grundstücke. Die Stadt bekräftigt in den Folgemonaten den Entschluss, die Altbausubstanz zu erhalten, zu sanieren und nicht zu veräußern.
2010
Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (heute Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen) beauftragt die steg Hamburg mbH mit der kooperativen Erarbeitung eines Integrierten Entwicklungskonzeptes (IEK) für das Gebiet Gängeviertel/Valentinskamp. Nach einem intensiven Abstimmungs- und Planungsprozess zwischen allen Beteiligten erfolgt im September 2010 die Fertigstellung des IEK, das auf dem Nutzungskonzept der Initiative „Komm in die Gänge“ basiert. Ende des Jahres wird von der Initiative die Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG gegründet.
2011
Im September schließen die Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG, der Gängeviertel e.V., die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, die Kulturbehörde und das Bezirksamt Hamburg-Mitte eine Kooperationsvereinbarung, in der Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der Projektbeteiligten im Sanierungsprozess festgelegt werden. Im Oktober 2011 erklärt der Hamburger Senat das Gängeviertel zum Sanierungs- und Stadtumbaugebiet Neustadt SU2, Gängeviertel/Valentinskamp.
2012
Übertragung der städtischen Grundstücke im Sanierungsgebiet auf das Treuhandvermögen der steg Hamburg mbH, die zudem vom Bezirksamt Hamburg-Mitte als Sanierungsträgerin eingesetzt wird. Die neu eingerichtete Baukommission zur fachlichen Begleitung und Steuerung der Modernisierungsschritte nimmt ihre Tätigkeit auf.
2013
Einrichtung und Wahl des Sanierungsbeirates Gängeviertel. Im September 2013 erfolgt der erste Baubeginn im Gängeviertel mit der öffentlich geförderten Modernisierung und Instandsetzung des Gebäudes Caffamacherreihe 43–49, des sogenannten Kupferdiebehauses.
2014
Im April 2014 ist Baubeginn der öffentlich geförderten Modernisierung und Instandsetzung des Gebäudes Caffamacherreihe 37-39, des sogenannten Jupi-Hauses.
Im August 2014 starten die Sanierung und der Umbau der „Fabrique“ zu einem sozio-kulturellen Zentrum.
2015
Im Februar 2015 erfolgt die Fertigstellung und der Bezug der ersten Wohnungen im Gängeviertel in der Caffamacherreihe 43–49. Aufgrund bestehender Differenzen vereinbaren Gängeviertel e.V., Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG und die Freie und Hansestadt Hamburg im Februar 2015 einen Planungsstopp, der jedoch nicht für die laufenden Baumaßnahmen gilt. Zudem werden drei Arbeitsgruppen zur Klärung strittiger Punkte gebildet.
Als ein Ergebnis einer Arbeitsgruppe wird im September 2015 ein Generalmiet- und Verwaltungsvertrag zwischen der steg Hamburg mbH, der Freie und Hansestadt Hamburg und der Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG abgeschlossen, der eine weitestgehende Selbstverwaltung der fertiggestellten Gebäude während des Sanierungsverfahrens durch die Genossenschaft ermöglicht.
Im Oktober 2015 ist die Modernisierung und Instandsetzung des „Jupi-Hauses“ Caffamacherreihe 37–39 abgeschlossen.
Ebenfalls im Oktober 2015 übernimmt die Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG die Verwaltung der fertiggestellten Gebäude.
Im November 2015 erfolgt die Fertigstellung der Sanierung und des Umbaus der „Fabrique“, des sozio-kulturellen Zentrums des Gängeviertels, Valentinskamp 34a.
2017
Beginnend im November 2017 finden zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG sowie Vertreterinnen und Vertretern des Senats erneut Gespräche mit dem Ziel der Entwicklung einer langfristigen Perspektive für das Gängeviertel und die Wiederaufnahme des Sanierungsverfahrens statt. Alle Beteiligten verständigen sich auf einen nachhaltigen Umgang mit den einzusetzenden Ressourcen und Mitteln sowie auf eine langfristig nachhaltige Bewirtschaftung und Nutzung des Quartiers.
2019
Im Juni 2019 erfolgt der Beschluss des Senats zum Abschluss eines Erbbaurechtsvertrages mit der Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG, der im August 2019 unterzeichnet. Im Dezember stimmt die Bürgerschaft zu. Damit werden die Ziele der Gebietsentwicklung langfristig gesichert sowie die Selbstverwaltung der fertiggestellten Gebäude erreicht.
Das IEK wird fortgeschrieben und die Kooperationsvereinbarung wird aktualisiert.
Im Dezember 2019 beschließt der Senat auf Grundlage der Fortschreibung des IEK die Verlängerung der Laufzeit des Sanierungsgebietes bis zum 31. Dezember 2027.