Nada Verbič war eine von über fünfhundert Frauen, die im Sommer 1944 vom zentralen Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück in das Außenlager Wandsbek-Drägerwerk des KZ Neuengamme überstellt wurde.
Die Häftlinge erhielten neue Nummern, Nada Verbič war die 4639. Der rote Winkel kennzeichnete allgemein politische Häftlinge. Das J stand für ihr Herkunftsland Jugoslawien. Die Häftlinge wurden unmittelbar neben dem Betriebsgelände des Drägerwerks in Holzbaracken auf engstem Raum untergebracht. Das Gelände wurde mit einem zweieinhalb Meter hohen Zaun umgrenzt, der unter Starkstrom stand.
Die Häftlinge arbeiteten im Zwei-Schicht-System zwölf Stunden täglich. Die Arbeit war sehr schwer. Durch erhitztes Gummi, Benzin und Ersatzstoffe entstanden gesundheitsschädliche Dämpfe. Aus „Sicherheitsgründen“ wurde nicht gelüftet.
Nada Verbič musste zunächst am Fließband Gasmasken herstellen. Später wurde sie zur Endkontrolle eingesetzt. Hier gelang es ihr und anderen Häftlingen, die Masken so zu beschädigen, dass sie unbrauchbar waren. Diese Sabotage blieb unentdeckt.
Der jungen ukrainischen Frau Raja Ilinauk fiel bei der Zwangsarbeit eine 25 kg schwere Form aus Gusseisen herunter. Ihr wurde Absicht unterstellt. Wegen Sabotage wurde sie am 29. August 1944 im Lagerbereich gehenkt. Alle Häftlinge mussten dieser grausamen Tötung zusehen.
Aufgrund von schweren Misshandlungen starben weitere Häftlinge im Wandsbeker KZ-Außenlager. Als besonders grausam wird der Tod der Ukrainerin Maria, einer Zeugin Jehova, geschildert.
Die Häftlinge berichteten aber auch von einem großen Zusammenhalt. Mit großer Dankbarkeit erinnern sich die Frauen an jene Mithäftlinge, die ihnen von den ohnehin kargen Essensrationen etwas abgaben. Selbst unter primitivsten Verhältnissen wurde medizinische Hilfe organisiert. Gegenseitig sprachen die Häftlinge sich Mut zu und hofften auf baldige Befreiung durch die Alliierten.
Das Drägerwerk setzte seine Tätigkeit für den „Gasschutz“ auch nach Einstellung der Produktion von Gasmasken aufgrund Materialmangels fort. Noch im März 1945 unternahm das Drägerwerk Versuche mit Häftlingen, um festzustellen, wie lange Menschen in einem abgedichteten Schutzraum ohne Belüftung überleben können. Für diese Versuche wurden die Häftlinge des KZ-Außenlagers Wandsbek wie auch Gefangene aus anderen Lagern herangezogen.
Ein Großteil der Wandsbeker Häftlinge konnte durch das Schwedische Rote Kreuz am 1. Mai 1945 mit der Eisenbahn über Dänemark nach Schweden in Sicherheit gebracht werden. Andere wurden in das KZ-Außenlager Eidelstedt überstellt, wo sie am 5. Mai 1945 durch britische Truppen befreit wurden.
1947 wurde der Kommandant des KZ-Außenlagers Wandsbek, Johannes Steenbock, im sogenannten Hamburg-Wandsbek Case vom britischen Militärgericht zu einer Haftstrafe von zwanzig Jahren verurteilt. Auch die SS-Aufseherin Johanna Anders und der Bewachungssoldat Ludwig Dreier erhielten lange Haftstrafen.
Es war ein langer Weg bis zu einem würdigen Gedenken an die Häftlinge des ehemaligen Wandsbeker Konzentrationslagers. Erst Ende der 1980er Jahre wurde eine erste Gedenktafel am Zaun Ahrensburger Straße 162 angebracht.
Nach Aufgabe der gewerblichen Nutzung entstand 2004/2005 eine Wohnsiedlung auf dem Gelände des ehemaligen KZs. Gemäß Auflage des Wandsbeker Bezirksamtes schuf der Bauträger eine kleine Gedenkanlage, die nur sehr schwer erreichbar war. Aufgrund der mangelhaften Ausstattung und der fehlenden Beschilderung kam es zu öffentlicher Kritik. Deshalb errichtete der Bezirk Wandsbek 2010 eine neue erweiterte Gedenkstätte auf öffentlichem Grund, um ein angemessenes Gedenken zu ermöglichen.
Mit der Grundform eines gleichschenkeligen Dreiecks nimmt diese neue Gedenkstätte Bezug auf die Winkel, mit denen die SS die KZ-Häftlinge an ihrer Kleidung nach den vermeintlichen Haftgründen und der Nationalität kennzeichneten. Alle bekannten Namen der in diesem KZ-Außenlager inhaftierten Frauen sind auf sechs Granitsteindreiecken zu lesen. Das Mahnmal, das zwei ineinander verwobene und in Ketten gelegte Dreiecke zeigt, wurde im Rahmen eines Kunstkurses des Lehrers Jörg Otto Meier am Charlotte-Paulsen-Gymnasium von den Schülerinnen Chiedza Busse und Monique du Mont entworfen.
Die ehemaligen Häftlinge des Wandsbeker KZ-Außenlagers Nila Kurljak, Natalja Radtschenko und Ludmilla Subowskaja aus der Ukraine nahmen an der Einweihung der neuen Gedenkstätte teil.
Jedes Jahr am 29. August, dem Todestag der hingerichteten Raja Ilinauk, versammeln sich hier Menschen, um sich gemeinsam der Geschehnisse in der NS-Zeit an diesem Ort zu erinnern und für Gegenwart und Zukunft zu mahnen.
Buchempfehlungen
Allgemein
- Stefan Romey: „Widerstand in Wandsbek 1933-1945“. Herausgegeben von der Bezirksversammlung Wandsbek. Zweite erweiterte Auflage. Hamburg 2021
- Stefan Romey und andere: „Wandsbek erinnert an 1933-1945. Wegweiser zu den Gedenkstätten“. Herausgegeben von der Bezirksversammlung Wandsbek. Zweite erweiterte Auflage. Hamburg 2022
Nada Verbič
- Stefan Romey: Ein KZ in Wandsbek. Zwangsarbeit im Hamburger Drägerwerk. Erweiterte Neuausgabe 2016
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