
Rechts neben den Grabkreuzen für den Wandsbeker Dichter Matthias Claudius und seine Frau Rebecka befindet sich auf dem Historischen Friedhof Wandsbek hinter der Christuskirche die Grabanlage für den dänischen Generalleutnant Friedrich Philipp Victor von Moltke (1768 – 1845). Im März 1972 wurde hier für seinen Verwandten, den Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Helmuth James Graf von Moltke eine Gedenkplatte verlegt. Helmuth von Moltke wurde als führendes Mitglied der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis vom sogenannten Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 23. Januar 1945 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee ermordet. Seine nationalsozialistischen Henker verweigerten ihm ein Grab. Nach seiner Hinrichtung wurde seine Leiche verbrannt und die Asche über ein Rieselfeld Berlins verstreut. Es sollte keine Erinnerung an ihn durch eine Grabstätte geben, wo man seiner gedenken kann.

Es brauchte in der Bundesrepublik lange Zeit, bis der deutsche Widerstand gegen den Nationalsozialismus, für den Helmuth von Moltke und andere standen und stehen, gewürdigt wurde. Seine Witwe Freya von Moltke versuchte nach Kriegsende zunächst in Kreisau (heute Krzyżowa) eine Gedenktafel anbringen zu lassen. Dieses scheiterte. Erst Ende der 1980er Jahre kam es zu einer länderübergreifenden Bürgerinitiative, an seinem Geburtsort an Helmuth von Moltke und den Kreisauer Kreis durch eine Internationale Begegnungsstätte („Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung“) zu erinnern. Lange Zeit blieb die Wandsbeker Gedenkplatte der einzige Ort, wo an Helmuth von Moltke und sein Wirken erinnert wurde. Dabei lassen sich aus dem Lebenswerk Helmuth von Moltkes viele positive Anregungen für die Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft entnehmen.
Angesichts der Armut und des Elends in seiner Heimat Schlesien beteiligte sich Moltke schon früh an Initiativen zur Verbesserung der Wohn- und Arbeitsverhältnisse. So führte er stellenlose junge Arbeiter und Bauern mit Studenten zusammen, damit diese voneinander lernen konnten, nicht nur handwerkliche Tätigkeiten, sondern auch staatsbürgerliche Kenntnisse, Pflichten und Rechte. In Kreisau stellte er Teile seines Grundbesitzes für bäuerliche Existenzgründungen zur Verfügung, was ihm die scharfe Kritik benachbarter Grundbesitzer eintrug.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme überlegte er auszuwandern. Er hatte sein Jurastudium erfolgreich abgeschlossen. Richter in Deutschland wollte er nicht werden, da von ihm verlangt wurde, Mitglied der NSDAP zu werden. Er wurde Rechtsanwalt in Berlin und arbeitete in verschiedenen Kanzleien. Als Anwalt für Völkerrecht und internationales Privatrecht konnte er zur Auswanderung gezwungenen Juden und anderen Opfern des NS-Regimes helfen. Zwischen 1935 und 1938 hielt Moltke sich regelmäßig in Großbritannien auf und absolvierte dort die englische Ausbildung zum Rechtsanwalt, um für den Fall einer Auswanderung gute berufliche Chancen zu haben. In Großbritannien versuchte er angesichts der drohenden Kriegsgefahr und der antijüdischen Maßnahmen in Deutschland die britische Appeasement-Politik gegenüber Hitlerdeutschland zu beeinflussen.
Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Moltke als Mitarbeiter in der völkerrechtlichen Abteilung der Amtsgruppe Ausland/Abwehr tätig, dem Nachrichtendienst der deutschen Wehrmacht unter Admiral Canaris. Canaris war zugleich Helfer und Gegner Hitlers. Er unterstützte zahlreiche konservative Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime. Im Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler wurde Canaris am 23. Juli 1944 verhaftet. Am 5. Februar 1945 wurde er ins KZ Flossenbürg transportiert. Dort wurde er von einem SS-Standgericht zum Tode verurteilt und gehenkt.
Moltke versuchte an seinem neuen Arbeitsort Meldungen über nationalsozialistische Kriegs- und Gewaltverbrechen nachzugehen. Er engagierte sich für die Einhaltung des Völkerrechts, für die Rechte von Kriegsgefangenen und gegen Geiselerschießungen.
Auf seinem Gut Kreisau kam es ab dieser Zeit zu regelmäßigen Treffen von Mitstreitern aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten, aus dem Adel, dem Bürgertum, der Arbeiterbewegung und den beiden christlichen Kirchen. Die Gestapo benannte später diese Widerstandsorganisation „Kreisauer Kreis“. Die Gruppe erörterte auf verschiedenen Zusammenkünften trotz unterschiedlicher politischer Auffassungen gemeinsame Pläne für einen demokratischen Neubeginn in Deutschland nach dem Ende des NS-Regimes. Man hoffte auf einen Militärputsch. Im Mittelpunkt der Entwürfe für ein Nachkriegsdeutschland stand das Bekenntnis zur freien Entfaltung der Persönlichkeit eines jeden Einzelnen. Grundprinzip des Staatsaufbaus sollten kleine Gemeinschaften in einem föderalen Staat sein, um eine zentralistisch organisierte, leicht manipulierbare Massengesellschaft zu verhindern. Der geforderte Aufbau von unten widersprach dem vorhandenen Obrigkeitsstaat mit seiner hierarchischen Befehlsstruktur. Auch die Wirtschaft sollte demokratisch gestaltet werden. Zur Sicherung des Friedens wurden eine gesamteuropäische Ordnung und eine europäische Union vorgeschlagen.

Am 18. Januar 1944 wurde Helmuth von Moltke verhaftet, nachdem er telefonisch seinen Freund Otto Carl Kiep vor dessen beabsichtigten Ergreifung gewarnt hatte. Der Zusammenhalt der Kreisauer Gruppe zerfiel mit dem Fehlen Moltkes. Einige schlossen sich der Gruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg an, die das Attentat auf Hitler vorbereitete. Nach dessen Scheitern wurden auch mehrere Mitstreiter des Kreisauer Kreises verhaftet. Moltke wurde unterstellt, dass er von den Attentatsplänen gewusst habe. Deshalb wurde er zusammen mit weiteren Mitgliedern des Kreisauer Kreises vor dem Volksgerichtshof angeklagt. Da Helmuth von Moltke vom Vorsitzenden Richter Roland Freisler keine Beteiligung am Attentat nachgewiesen werden konnte, wurde ihm vor allem seine christliche Grundhaltung zur Last gelegt. Er wurde zum Tode verurteilt und durch den Strang hingerichtet.
Helmuth von Moltke hatte auch im Wissen um sein Todesurteil den Mut besessen, zu seinen Überzeugungen zu stehen.
Buchempfehlungen
Allgemein
- Stefan Romey: „Widerstand in Wandsbek 1933-1945“. Herausgegeben von der Bezirksversammlung Wandsbek. Zweite erweiterte Auflage. Hamburg 2021
- Stefan Romey und andere: „Wandsbek erinnert an 1933-1945. Wegweiser zu den Gedenkstätten“. Herausgegeben von der Bezirksversammlung Wandsbek. Zweite erweiterte Auflage. Hamburg 2022
Helmuth James Graf von Moltke
- Günter Brakelmann: Helmuth James von Moltke. 1907 – 1945. Eine Biographie. München 2007
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