In Wandsbek bestanden während der NS-Zeit zwei Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme für weibliche Gefangene: von Juni 1944 bis Mai 1945 das KZ Drägerwerk in der Ahrensburger Straße 162 und das KZ Sasel am heutigen Feldblumenweg.
Das ehemalige Kriegsgefangenenlager, gelegen zwischen den heutigen Straßen Hohensasel und Saseler Mühlenweg, wurde ab Mitte September 1944 bis Kriegsende als KZ-Frauenaußenlager Sasel genutzt. Die Lebensbedingungen in dem streng bewachten Lagern waren denkbar schlecht: Die hölzernen Wohnbaracken waren total überbelegt. Mangelhafte Ernährung und fehlende Bekleidung führten zu ständigem Hunger und vor allem während der Wintermonate zu Auskühlungen und schweren Erkrankungen. In 12-Stunden-Schichten mussten die Häftlinge schwere körperliche Arbeit verrichten. Hinzu kamen die alltäglichen Appelle, Schikanen und Misshandlungen durch die SS-Aufseherinnen. „Es war arbeiten oder sterben“, schilderte Lucille Eichengreen in einem Zeitzeugengespräch die unerträgliche Situation, die beständige Angst und den quälenden Hunger, den die inhaftierten Frauen im KZ Sasel erleiden mussten.
Die Frauen wurden aus unterschiedlichen Gründen hier eingesperrt: Sie waren als politisch, religiös, national oder sozial unerwünschte Personen verfolgt und inhaftiert worden.
Über 500 überwiegend polnische Jüdinnen kamen hier im Spätsommer 1944 an. Sie waren wie Cecilie Landau (nach der Heirat 1946: Lucille Eichengreen) über das Getto Łódź (in der NS-Zeit: Litzmannstadt) und das KZ Auschwitz-Birkenau nach Hamburg zunächst in das KZ-Außenlager Dessauer Ufer verschleppt worden. In Sasel mussten diese Gefangenen für die Firmen Möller sowie Wayss & Freytag beim Bau von Behelfsunterkünften für ausgebombte Hamburger Familien in Poppenbüttel und Wandsbek Zwangsarbeit leisten. Mit Loren mussten sie vom Bahnhof Poppenbüttel die angelieferten Baumaterialien zu den Baustellen bringen, das Erdreich für die Fundamente ausheben und den Boden planieren. Die etwa 25 SS-Aufseherinnen trieben sie brutal an. Nur wenige Menschen aus der Wohngegend um das Lager versuchten das Leiden der Häftlinge zu mildern, indem sie ihnen beispielsweise einen Apfel oder ein Stück Brot über den Zaun warfen. Die meisten sahen weg.
In der ersten Aprilwoche 1945 ließ die SS das Lager räumen und verbrachte die Häftlinge in das KZ Bergen-Belsen. Zu dieser Zeit begann dort aufgrund des Hungers und von Epidemien ein Massensterben. Täglich starben Hunderte. Am 21. April 1945 wurde das Lager Sasel erneut mit weiblichen KZ-Häftlingen belegt. Diese kamen vollkommen ausgehungert aus dem KZ-Außenlager Helmstedt-Beendorf. Zwölf Frauen starben noch am Tag ihrer Ankunft in Sasel. Am 1. Mai 1945 konnten die meisten Frauen aus dem KZ Sasel mit einem Zug des schwedischen Roten Kreuzes Hamburg verlassen. Sie wurden über Dänemark nach Schweden gebracht und dort liebevoll versorgt.
Nach der Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands verurteilte das britische Militärgericht in Hamburg 1946 im „Sasel-Case“ – auch aufgrund der Aussagen von Lucille Eichengreen – den Kommandanten Leonhard Stark, weiter den Inhaber der Firma Kowahl & Bruhns, für den die Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten, sowie siebzehn Bewacher und SS-Aufseherinnen zu unterschiedlich langen Haftstrafen.
1980 begannen Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Oberalster mit ihren Lehrern die Geschichte des KZ Sasel aufzuarbeiten. Durch ihre Forschungen wurden die Kenntnisse zum KZ Sasel erweitert, so zum Lageplan, zur Totenliste, zur Herkunft der Häftlinge, zur Zwangsarbeit und zum Leben im Lager. Zudem fertigten die Schüler einen Entwurf für einen Gedenkstein mit der Inschrift „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ an, der 1982 aufgestellt wurde. Das Areal rund um den Gedenkstein wird durchgehend von Mitgliedern des Vereins Begegnungsstätte Poppenbüttel e.V. betreut und gepflegt. Seit 2010 gestaltet der Verein jährlich am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, eine öffentliche Gedenkstunde. An dieser beteiligen sich regelmäßig Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Oberalster.
Seit Anfang der 1990er Jahre war die ehemalige Gefangene im KZ Sasel Lucille Eichengreen oftmals in Hamburg, um Vorträge auf Gedenkveranstaltungen, in Schulen und Universitäten zu halten. Ihre Erlebnisse sind nachzulesen in ihrem Buch „Von Asche zum Leben“.
Buchempfehlungen
Allgemein
- Stefan Romey: „Widerstand in Wandsbek 1933-1945“. Herausgegeben von der Bezirksversammlung Wandsbek. Zweite erweiterte Auflage. Hamburg 2021
- Stefan Romey und andere: „Wandsbek erinnert an 1933-1945. Wegweiser zu den Gedenkstätten“. Herausgegeben von der Bezirksversammlung Wandsbek. Zweite erweiterte Auflage. Hamburg 2022
Lucille Eichengreen
- „Ich kann nicht vergessen und nicht vergeben.“ Festschrift für Lucille Eichengreen. Herausgegeben von Ursula Wamser und Wilfried Weinke. Hamburg 2015
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