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Kapitel 2

Zu den juristischen Grundlagen des "Ehrenbürgerrechts" in Hamburg

Die Geschichte des hamburgischen Ehrenbürgerrechts beginnt 1813 mit der Verleihung des „hiesigen Bürgerrechts“ an Friedrich Karl Freiherr von Tettenborn. Die Bezeichnung „Ehrenbürgerrecht“ wurde ab der dritten derartigen Verleihung 1826 an Otto August Graf Grote benutzt. Bis heute listet die Freie und Hansestadt Hamburg 35 Personen auf, die mit dieser Auszeichnung geehrt worden sind, zuletzt Dr. Michael Otto im Jahr 2013. Diese Liste enthält nicht alle Ehrenbürgerrechte, die in Hamburg bisher vergeben wurden: Die beiden Auszeichnungen während der nationalsozialistischen Herrschaft (Adolf Hitler 1933, Hermann Göring 1937) wurden im Juni 1945 durch Bürgermeister Rudolf Petersen aberkannt.

Vergleichbare Akte gab es in der Nachkriegszeit in vielen deutschen Städten.[5] Ebenso führt die Freie und Hansestadt Hamburg die Ehrenbürger der 1938 im Rahmen des Groß-Hamburg-Gesetzes eingemeindeten Städte Altona, Harburg-Wilhelmsburg und Wandsbek nicht in ihrer Liste. Letztere, die sich zum Teil mit hamburgischen Ehrenbürgern überschneiden, sind auch nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Auf der Website http://www.hamburg.de/ehrenbuergerrecht/ gibt die Freie und Hansestadt Hamburg einen kurzen und prägnanten Überblick über die beiden wichtigsten historischen Wurzeln des Ehrenbürgerrechts: „Die Bezeichnung ‚Ehrenbürger‘ findet sich in Deutschland zuerst im 16. Jahrhundert. Sie bezeichnete ‚diejenigen Bürger, welche wohl die Rechte, aber nicht die Pflichten, wenigstens nicht alle Pflichten der Stadtbürger hatten‘ […] Solche Ehrenbürgerrechte wurden z.B. an auswärts wohnende Gelehrte und Künstler, an Beamte oder Diplomaten verliehen, die man für die Interessen einer Stadt zu gewinnen wünschte […]. Während der französischen Revolution entstand in Frankreich etwas Ähnliches. Damals wurde ausländischen Persönlichkeiten, die sich nach allgemeiner Ansicht um die Menschenrechte und die Freiheit verdient gemacht hatten, das französische Staatsbürgerrecht ehrenhalber verliehen“.

Der Bezug auf das historische „Bürgerrecht“ mit seinen zuvor stadtrechtlichen Implikationen und Privilegien kam nach der Einführung des Ehrenbürgerrechts Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts unter anderem darin zum Ausdruck, dass lange Zeit, zum Teil bis 1935, nur Städte, nicht aber Landgemeinden das Recht zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde hatten.[6] Gleichwohl stand das Ziel der „Auszeichnung“ von Beginn an im Mittelpunkt der Maßnahme. Die Praxis vieler deutscher Städte bei der Einführung des „modernen“ Ehrenbürgerrechts legt hier eine Verbindung zur Französischen Revolution und zum napoleonischen Code Civil nahe, lässt sich aber in den wenigsten Fällen belegen.[7] Für Hamburg gibt es ebenfalls keine eindeutige Bezugnahme auf diese Tradition. Aber von Anfang war, wie andernorts auch, offenkundig der Gedanke leitend, die Ehrenbürger mit der Auszeichnung als Lobbyisten für Hamburg zu gewinnen und der Freien und Hansestadt damit selbst einen Zugewinn an Ruhm und Ehre zu verschaffen.[8] Worauf das Ehrenbürgerrecht in Hamburg rechtlich basiert, ist unklar. Konsens war im hamburgischen Senat damals nur, dass es eine solche „Ehren- oder Dankbezeugung“ zuvor nicht gegeben hatte. Sie ist eingeführt worden, ohne den rechtlichen Status eines „Ehrenbürgers“ in irgendeiner Form zu definieren. Dies ist insofern keine Besonderheit, als es in den meisten Städten erst im Nachhinein zu – überwiegend rudimentären – gesetzlichen Fixierungen kam. Generell besteht bis heute ein weiter Entscheidungsspielraum darüber, welche „Verdienste“ eine Person ehrenbürgerwürdig machen. In Hamburg gibt es für die Verleihung des Ehrenbürgerrechts allerdings bis heute keine schriftlichen Bestimmungen, nicht einmal ein Entwurf dazu existiert.[9] In der Folge kam es nach der ersten Verleihung 1813 wiederholt zu Diskussionen über den rechtlichen Gehalt des Ehrenbürgerrechts und damit zusammenhängend über die Frage, wer für seine Vergabe zuständig sei.[10] Bei der Etablierung und anschließenden Praxis der Vergabe orientierte man sich in Hamburg aber offenbar an bereits vorhandenen Vorbildern. In Preußen etwa durfte das Ehrenbürgerrecht gemäß der Kommunalreform von 1808 nur an natürliche Personen auf Lebenszeit und an Nichtbürger vergeben werden, die damit die politischen Bürgerrechte erhielten. Im Rahmen der Einführung der Preußischen Städteordnung 1832 erhielt die Auszeichnung dort dann mehr und mehr den Charakter einer bloßen Ehrung. Privilegien verbanden damit nur noch sehr wenige Städte.[11] Ähnlich verlief die Entwicklung in Sachsen und Thüringen, wobei die Einführung vergleichbarer gesetzlicher Vorschriften zeitlich variierte.[12]

Spätestens zu Beginn der Weimarer Republik wurde die Loslösung des Ehrenbürgerrechts von den städtischen Bürgerrechten in Deutschland nahezu flächendeckend rechtlich fixiert, indem das Ehrenbürgerrecht als jeweils höchste Ehrung in die Landes- und Kommunalverfassungen aufgenommen wurde. Eine Ausnahme bildete Hamburg, das das Ehrenbürgerrecht in Zusammenhang mit der Neuordnung der Bürgerrechte nicht erwähnte.[13] In der Weimarer Republik waren solche Auszeichnungen dann generell selten. Vor allem politische Gründe führten dazu, dass mit der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 in Deutschland wieder vermehrt Ehrenbürgerwürden verliehen wurden.[14] Die Freie und Hansestadt Hamburg erkannte zunächst nur Nichthamburgern, d.h. Hamburgern ohne politisches Bürgerrecht oder Angehörigen sonstiger deutscher oder ausländischer Staaten das Ehrenbürgerrecht zu. Diese Tradition endete 1948, als Senator a.D. Henry Everling anlässlich seines 75. Geburtstages für seine „Verdienste um das Gemeinwohl (Genossenschaftswesen)“ mit dem Ehrenbürgerrecht ausgezeichnet wurde. Doch erst bei der Ehrung von Bürgerschaftspräsident Adolph Schönfelder 1950 kam es zum Einwand, Hamburger dürften nicht das Ehrenbürgerrecht erhalten. Dies stehe nur Nicht-Hamburgern offen. Damals wurde entschieden, dass das Ehrenbürgerrecht an Hamburger gewährt werden kann, wenn deren Verdienste auch über den Rahmen Hamburgs hinausgehen. Verdienste von Mitbürgern um die Hansestadt Hamburg sollten mit der 1925 gestifteten Bürgermeister-Stolten-Medaille geehrt werden. Die späteren Ausführungen des hamburgischen Senats zum Ehrenbürgerrecht basieren im Wesentlichen auf einer Expertise des Juristen Hans W. Hertz über „Das Ehrenbürgerrecht und die Ehrenbürger der vier freien Städte Deutschlands von 1795 bis 1933“ aus dem Jahr 1951, ohne aber dessen Schlussfolgerungen und Empfehlungen zu übernehmen. Hertz hatte unter anderem die Aufgabe des zuvor „unstrittigen Grundsatzes“, ausschließlich nicht Ansässige zu Ehrenbürgern zu machen, moniert. Dies führe dazu, so Hertz, dass „in Zukunft der Begriff des ‚Ehrenbürgers‘ seines eigentlichen Gehaltes entleert“ würde und sich „nicht mehr von Ehrenbürgern in nicht freien Städten“ unterscheide, wo diese eine bloße Auszeichnung unter vielen sei.[15] Allerdings folgte 1965/66 sein einzig verbliebenes „Argument“ Bremen dem Beispiel aller anderen Städte, auch ortsansässige Bürger mit dem Ehrenbürgerrecht zu würdigen. Dies entsprach dem allgemeinen Bedeutungswandel, wenngleich in Bremen bis in die jüngere Vergangenheit mit Blick auf die Tradition als „Freie Hansestadt“ immer mal wieder Fragen nach „Eigenheiten des bremischen Bürgerrechts“ aufkamen. Bremen hatte den Bruch anscheinend ohne bewusste Entscheidung vollzogen, in den 1980er Jahren glaubte man im dortigen Rathaus irrigerweise sogar, „es sei immer nur Bremern das Ehrenbürgerrecht verliehen worden“.[16] In Hamburg waren die Ehrenbürgerrechte de facto stets als Auszeichnungen in Anspruch genommen worden. Diskussionen in den führenden politischen Organen der Stadt über eventuell damit verbundene, weiterreichende Bürgerrechte sind nach 1918 nicht mehr bekannt geworden. Hertz führte 1951 an, dass sich in Hamburg damals längst der Standpunkt durchgesetzt hatte, die Verleihung des Ehrenbürgerrechts sei eine „reine Ehrenbezeugung“. Zudem wies er darauf hin, dass spätestens seit der Verfassungsnovelle 1927 gar kein spezielles hamburgisches Bürgerrecht mehr existierte, auf das sich ein lokales Ehrenbürgerrecht, das über eine bloße Auszeichnung hinaus geht, hätte beziehen können.[17]

Letztlich ließ Hertz offen, worin der von ihm eingeforderte „eigentliche Gehalt“ eines speziellen hamburgischen Ehrenbürgerrechts künftig hätte bestehen können. In Hamburg gab es zuletzt 1960 den Versuch der oppositionellen CDU, mit dem Hinweis, Max Brauer könne als Hamburger Bürger aus Gründen althamburgischer Tradition kein Ehrenbürger werden, dessen Würdigung zu verhindern. „Das war damals keine überzeugende Position, und die CDU verabschiedete sich davon auch“, fasste später der Journalist und Buchautor Uwe Bahnsen das Ergebnis der Debatte zusammen.[18] Auch in der Frage, wer für die Vergabe des Ehrenbürgerrechts zuständig sei, folgt die Freie und Hansestadt Hamburg heute der sich historisch herausgebildeten Tradition. Auf der Website der Stadt (http://www.hamburg.de/ehrenbuergerrecht) heißt es dazu: „Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts, das kein besonderes Recht, sondern eine Auszeichnung darstellt, steht dem Senat zu und wurde ursprünglich allein von ihm ausgeübt […]. Allerdings hatte der Senat bereits bei der Verleihung 1813 die Erbgesessene Bürgerschaft um Zustimmung gebeten, vor allem aber deshalb, um die Genehmigung für das mit der Verleihung des Bürgerrechts verbundene Geldgeschenk einzuholen […] Um dieser seltenen Ehrung eine noch größere Bedeutung zu geben, wurde dann im Jahre 1834 die Mitgenehmigung der Bürgerschaft herbeigeführt, ohne jedoch eine Verpflichtung hierzu anzuerkennen. Erst 1890 beschloss der Senat, die Bürgerschaft stets mit einzubeziehen und vorher vertraulich den Vorstand der Bürgerschaft zu informieren, um unliebsame Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden. Der Präsident der Bürgerschaft sicherte zu, dass der Vorstand vertraulich die Ergebnisse der Besprechung in den Fraktionen dem Senat mitteilen würde […]. Auch 1918 hat der Senat in einer Besprechung mit dem juristischen Ausschuss der Bürgerschaft erklärt, dass es richtig sei, auch in Zukunft die Zustimmung der Bürgerschaft einzuholen.“ Vergleichbar der Auszeichnung in anderen Städten, handelt es sich heute bei der Verleihung des Ehrenbürgerrechts um die höchste Ehrenbezeugung, die die Freie und Hansestadt Hamburg zu vergeben hat. Rechte und Pflichten entstehen dadurch nicht. Die besondere Bedeutung der Ehrenbürgerwürde, so urteilen Fachleute, basiere nicht zuletzt auf der seltenen Vergabe. Hamburg gilt in dieser Hinsicht als ein Vorbild.[19]

Fußnoten

  • [5] Hamburg setzte hier ein frühes Beispiel. Berlin z.B. erkannte erst 1948 Repräsentanten des NS-Staates die Ehrenbürgerschaft ab. Vgl. Thorsten Müller: Berlins Ehrenbürger: Von Conrad Ribbeck bis Nelly Sachs, Berlin 1968, S. 10.
  • [6] Welf Sundermann: Das Ehrenbürgerrecht – Betrachtungen zur höchsten gemeindlichen Auszeichnung, in: Deutsche Verwaltungspraxis 65 (2014) 7, S. 271-276, hier S. 272.
  • [7] Antje Krause / Karsten Schröder: „Einem gar wohlgefälligen Bürgersmann zur Ehr…“. Ehrenbürgerschaften und Ehrenbürger der Stadt Rostock. Historisches und Biografisches, Rostock 2010, S. 9f.
  • [8] Für Bremen ist diese Intention deutlich belegt: Hartmut Müller: Vom Ehrenbürgerrecht der Freien Hansestadt Bremen, in: Bremisches Jahrbuch 78 (1999), S.190-200, hier S. 192.
  • [9] Für Bremen etwa existiert immerhin ein Verfassungsentwurf von 1814, der in § 67 ein Ehrenbürgerrecht benennt. Allerdings erhielt es zunächst keinen Eingang in die neuen Verfassungen von 1849 und 1854 als eigener Artikel, obwohl in der Praxis reger Gebrauch davon gemacht wurde, ebd., S. 194f.
  • [10] Grundlegend dafür: Hans W. Hertz: Das Ehrenbürgerrecht und die Ehrenbürger der vier freien Städte Deutschlands von 1795 bis 1933, in: Zeitschrift des Vereins für hamburgische Geschichte 41 (1951), S. 285-329.
  • [11] Krause / Schröder, Ehrenbürgerschaften Rostock (wie Anm. 7), S. 10.
  • [12] Gitta Günther: Ehrenbürger der Stadt Weimar. Ein Beitrag zur Stadtgeschichte, Weimar 2011, S. 9; Christel Hermann: Ehrenbürger der Stadt Dresden, in: Dresdner Geschichtsbuch 11 (2005), S. 245-278, hier S. 245.
  • [13] So wies im Unterschied zu früheren Städteordnungen weder die sächsische Gemeindeordnung von 1923 noch jene von 1925 ein „Ehrenbürgerrecht“ aus, ebd.
  • [14] Ebd.; Müller, Ehrenbürgerrecht Bremen (wie Anm. 8), S. 196.
  • [15] Konsequenterweise bezieht sich Hertz nur auf das Ehrenbürgerrecht der vier freien Städte und benennt Frankfurt am Main als erste Stadt in Deutschland, die das Ehrenbürgerrecht verliehen hätte (1795), obwohl Saarbrücken und Hannover früher (1790) vergleichbare Würdigungen vollzogen.
  • [16] Müller, Ehrenbürgerrecht Bremen (wie Anm. 8), S. 190.
  • [17] Hertz, Ehrenbürgerrecht (wie Anm. 10), S. 309f.
  • [18] In: Die Welt, 30.09.2005.
  • [19] Sundermann, Ehrenbürgerrecht (wie Anm. 6), S. 271.