Nationalsozialistische Funktionäre als zeitweilige Ehrenbürger „In freudiger Zuversicht auf die Kraft Ihrer Führung hat der hamburgische Senat beschlossen, Ihnen die Ehrenbürgerrechte der Freien und Hansestadt Hamburg zu verleihen“, schrieben Reichsstatthalter Karl Kaufmann und Bürgermeister Carl Vincent Krogmann am 19. April 1933 an Adolf Hitler. Tags darauf, am 44. Geburtstag des „Führers“, wurde der Ehrenbürgerbrief „unter freudiger Zustimmung der hamburgischen Bevölkerung“, so heißt es im Text, ausgestellt.[119] Hamburg reihte sich zwar hier auch „nur“ ein in eine reichsweite „Flut“ solcher Auszeichnungen, in der zahlreiche Städte Hitler nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933 zum Ehrenbürger ernannten.[120] Der Vorgang hat jedoch insofern eine besondere hamburgische Komponente, als Hitler seit 1925 wiederholt in der Hansestadt zu Gast gewesen war und dort zuerst „von seinen Anhängern, die er auch in Hamburg in immer größerer Zahl gewann, später dann von der großen Mehrheit der Bevölkerung“ umjubelt wurde. „Er weilte in Hamburg als Opernbesucher und als Tourist, er empfing offizielle Ehrungen und demonstrierte die Macht des totalitären Staates“ resümierte der Historiker Werner Johe die insgesamt 33 Hamburg-Besuche Hitlers zwischen 1925 und 1939.[121]
Im Oktober 1933 reglementierte die Regierung wegen des inflationären Gebrauchs der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an NS-Repräsentanten die Vergabe. Paragraph 33 der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 erlaubte fortan nur noch, Ehrenbürgerrechte mit Zustimmung der NSDAP zu verleihen. Anders als manche andere Stadt ging Hamburg in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft sparsam mit der Vergabe des Ehrenbürgerrechts um: Es wurde lediglich noch am 30. Januar 1937 an Reichsminister Hermann Göring „in dankbarer Würdigung seiner großen Verdienste als Mitarbeiter des Führers und Wegbereiter Groß-Hamburgs“ vergeben.[122] Der Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Groß-Hamburg-Gesetzes vier Tage zuvor und die opportunistische Absicht, die Gunst Görings als Beauftragten für den „Vierjahresplan“ und seiner Zuständigkeit vor allem für wichtige Belange der Entwicklung der hamburgischen Hafenwirtschaft zu bewahren, bestätigten die Initiatoren um Kaufmann selbst.[123]
Am 1. Juni 1945 stellte Rechtsanwalt Hans Hertz den Antrag an den von der britischen Besatzungsmacht eingesetzten Bürgermeister Rudolf Petersen, den beiden führenden Repräsentanten des NS-Staates die Ehrenbürgerrechte abzuerkennen. Es sei für „jeden Hanseaten selbstverständlich, daß diese Ehrungen wieder aufgehoben werden müssen“, schrieb Hertz. Petersen entzog Hitler und Göring allein Kraft seines Amtes als Bürgermeister, da die formell dafür zuständige Behörde zurzeit nicht existierte, am 6. Juni 1945 die Ehrenbürgerrechte und dankte Hertz „für Ihre Anregung“.[124] Es blieben die bislang einzigen Rücknahmen von Ehrenbürgerrechten in Hamburg.
Fußnoten
- [119] Zitiert nach: Hamburg im Dritten Reich. Sieben Beiträge, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg 1998, S. 172.
- [120] So Ralf Blank: Ehrenbürgerrecht im „Dritten Reich“. Der Hagener „Ehrenbürgerbrief“ für Adolf Hitler, in: Westfälische Forschungen 53 (2003), S. 345-378, hier S. 348.
- [121] Werner Johe: Hitler in Hamburg. Ein besonderes Verhältnis, Hamburg 1996, S. 7.
- [122] Beschluss des hamburgische Senats vom 30.01.1937, in: StAHH 131-4_1934 A 61/3; zur Diskussion solcher Auszeichnungen in der NS-Zeit siehe das Beispiel Flensburg: Broder Schwensen: „In dankbarer Freude“. Verleihungen des Flensburger Ehrenbürgerrechts während der NS-Zeit, in: ders. (Hrsg.): Zwischen Konsens und Kritik. Facetten kulturellen Lebens in Flensburg 1933-1945, Flensburg 1999, S. 37-57.
- [123] Hamburger Fremdenblatt, 20.04.1933 und 27.11.1937; siehe auch Unterlagen des Senats 1937 (Göring), in: StAHH 131-4_1934 A 61/3.
- [124] Beide Zitate nach: Hamburg im Dritten Reich (wie Anm. 119), S. 173f.