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22. April 2020

Regierungserklärung des Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher

„Aktuelle Corona-Lage - Erste Schritte in ein normales Leben“ - Regierungserklärung des Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher in der Hamburgischen Bürgerschaft. Es gilt das gesprochene Wort.

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Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,

Hamburg hält der Corona-Pandemie stand. 

Die globale Ausbreitung des Coronavirus schreitet voran. Seit der letzten Sitzung der Bürgerschaft vor drei Wochen hat sich die Zahl der Menschen, bei denen eine Infektion mit diesem neuartigen Virus nachgewiesen wurde, weltweit mehr als verdreifacht. Laut Weltgesundheitsorganisation wurden in 213 Ländern über zwei Millionen Fälle registriert. Mehr als 130.000 Menschen sind an COVID-19 gestorben.

In Deutschland ist es mit den von uns beschlossenen Beschränkungen des öffentlichen Lebens gelungen, Infektionsketten zu durchbrechen, unser Land vor einer Überlastung des Gesundheitswesens zu schützen und     sicherzustellen, dass alle eine gute medizinische Behandlung bekommen können, wenn es darauf ankommt.

Obwohl die Einschränkungen für das Leben und die persönliche Freiheit weitreichend sind, bleiben die Bürgerinnen und Bürger verantwortungsvoll und halten die Auflagen sehr gut ein. 

Wie im März vereinbart, haben die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder in der Woche nach Ostern über das weitere Vorgehen in der Coronakrise beraten.

Die gute Nachricht des Robert Koch-Instituts und der Gesundheitsexperten lautete: Die Maßnahmen wirken. Es ist gelungen, die sehr schnelle Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland zu stoppen. Wer mit SARS-CoV-2 infiziert ist, überträgt den Erreger nicht mehr auf drei, sondern im Durchschnitt nur noch auf rund eine weitere Person. 

In Hamburg geht die Zahl Erkrankten seit dem 6. April zurück. Es erholen sich mehr Menschen von dem Virus, als neue Infektionen dazukommen. Die Zahl der Intensivpatienten ist stabil, wir haben ausreichend Behandlungskapazitäten und alle, die an COVID-19 oder aus anderen Gründen schwer erkranken, können in unseren Kliniken gut behandelt werden. 

Das ist ein großer Erfolg, den wir gemeinsam erreicht haben: 

  • Alle Hamburgerinnen und Hamburger, die sich an die Auflagen halten und damit ihren Beitrag leisten, um Infektionen zu vermeiden. 
  • Alle, die in unserem Gesundheitswesen arbeiten und sich um diejenigen kümmern, die eine medizinische Behandlung oder Pflege benötigen. 
  • Alle, die dafür sorgen, dass unsere Stadt funktioniert und wir alles haben, was wir zum täglichen Leben brauchen.
  • Alle, die sich für andere engagieren, im Alltag Unterstützung geben und zeigen: Hamburg steht zusammen.

Im Namen des Senats sage ich hierfür: Herzlichen Dank!

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

aufgrund der verlangsamten Virusausbreitung und der Besonnenheit unserer Bürgerinnen und Bürger trauen wir uns jetzt zu, einzelne Kontaktbeschränkungen zu lockern und erste Schritte zu gehen in ein wieder normaleres öffentliches Leben.  

Diese Schritte sind nicht nur möglich, sie sind auch nötig, um den psychologischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Coronakrise zu begegnen. Gerade weil es darauf ankommt, unsere Maßnahmen in der Pandemie für eine längere Zeit bis zur Entwicklung eines Impfstoffs durchzuhalten, gerade deshalb müssen diese Maßnahmen auch durchhaltbar sein. 

Der Spielraum für eine Lockerung der Kontaktbeschränkungen ist derzeit aber noch gering. Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung der Bevölkerung nach wie vor als „hoch“, für Risikogruppen sogar als „sehr hoch“ ein. Wir bewegen uns also auf dünnem Eis und müssen vorsichtig sein, den Erfolg unserer Strategie nicht zu gefährden. 

In diesem Bewusstsein haben die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder einen einheitlichen Rahmen vereinbart, um die Kontaktbeschränkungen in Deutschland schrittweise zu lockern. Die ersten Schritte in diese Richtung beziehen sich auf drei Bereiche, den Einzelhandel, die Kindertagesbetreuung und das Bildungswesen. 

Für Hamburg bedeutet das:

  1. Neben dem Kfz-, dem Fahrrad- und dem Buchhandel können seit Beginn dieser Woche alle Einzelhandelsgeschäfte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern wieder öffnen. Die Unternehmen sind verpflichtet, den Verkauf so zu organisieren, dass die gebotenen Mindestabstände eingehalten werden. 
  2. Die Notbetreuung in den Kitas wird auf zusätzliche Bedarfsgruppen ausgeweitet. Das Angebot kann in Hamburg schon bisher von Eltern in Anspruch genommen werden, die in systemrelevanten Berufen arbeiten oder deren Kinder aus pädagogischen oder sozialen Gründen einen dringlichen Bedarf haben. Darüber hinaus können nun auch alle Alleinerziehenden die Kinderbetreuung in Anspruch nehmen.
  3. An den Hamburger Schulen beginnt der Unterricht in einzelnen Jahrgängen ab Montag kommender Woche. Zuerst werden die Abschlussklassen wieder aufgenommen, damit sich die Schülerinnen und Schüler auf Ihre Prüfungen vorbereiten können. Ab dem 4. Mai folgen die 4. Klassen der Grundschulen sowie weitere Übergangs-Klassenstufen. 

Schulbehörde und Schulen legen hierfür neue Abläufe und Hygienemaßnahmen fest. Es werden kleinere Lerngruppen mit höchstens 15 Schülerinnen und Schülern gebildet, und der Unterricht findet jeweils etwa zur Hälfte in der Schule und als Fernunterricht zu Hause statt. 

Die Kultusminister der Länder sollen bis Ende April ein einheitliches Konzept vorlegen, wie der Schulbetrieb in Deutschland insgesamt wieder aufgenommen werden kann.

An den staatlichen Hamburger Hochschulen beginnt das Sommersemester zunächst mit digitalen Vorlesungen und Seminaren. Mit persönlicher Anwesenheit finden nur Prüfungen und Praxisveranstaltungen statt, die spezielle Labor- oder Arbeitsräume erfordern. Bibliotheken und Archive können geöffnet werden, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich weiß, dass es neben diesen ersten Maßnahmen in vielen weiteren Bereichen dringende Bedarfe und Erwartungen gibt, die Kontaktbeschränkungen wenigstens teilweise wieder aufzuheben. Dies bezieht sich auf den Sport, den Zugang zur Kultur und die Nutzung von Freiräumen für Kinder und Familien.

Die Bundesregierung und die Länder Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hamburg sind im Auftrag der Ministerpräsidentenkonferenz mit den Religionsgemeinschaften im Gespräch darüber, wie wir die Ausübung des Glaubens in den Kirchen, Synagogen und Moscheen wieder erleichtern können. In Hamburg haben wir die Religionsgemeinschaften hierzu bereits informiert und einbezogen.

Voraussichtlich am 30. April werden wir in der Ministerpräsidentenkonferenz erneut mit der Bundeskanzlerin über die weiteren Schritte in diesem Sinne beraten. 

Wichtig für alle Entscheidungen zu den Kontaktbeschränkungen ist der Blick auf das Infektionsgeschehen und die möglichen Auswirkungen auf die Dynamik der Pandemie in Deutschland. Der Schutz von Leben und Gesundheit muss weiterhin an erster Stelle stehen.

Deshalb gelten die Beschränkungen für direkte persönliche Kontakte sowie Ansammlungen fort. Öffentliche und nicht-öffentliche Veranstaltungen bleiben bis auf weiteres nicht gestattet. Die Elbphilharmonie, die Staatsoper, Theater und Musik-Clubs bleiben zunächst bis Ende Juni geschlossen, Großveranstaltungen mindestens bis Ende August untersagt. Diese Festlegungen haben wir getroffen, um den Einrichtungen und Veranstaltern ein Mindestmaß an Planungssicherheit zu geben. Wie es nach den genannten Terminen weitergeht und ab wann kleinere Veranstaltungen wieder möglich sind, lässt sich derzeit leider noch nicht vorhersagen.

Klar ist aber eins: Je besser es uns gelingt, die Lockerung der Kontaktbeschränkungen mit einem wirksamen Infektionsschutz zu verbinden, desto schneller ist die Rückkehr in ein wieder normaleres öffentliches Leben möglich.

Deshalb haben wir beschlossen, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, sogenannter Community- oder Alltags-Masken, insbesondere im Einzelhandel und im öffentlichen Nahverkehr dringend zu empfehlen. 

Dies ist umso wichtiger, je schwieriger es wird, einen ausreichenden Abstand zueinander einzuhalten. Das wird in den kommenden Tagen und Wochen noch deutlicher werden, wenn wir den Einzelhandel und die Kindertagesbetreuung weiter öffnen und wenn am 27. April auch der Schulunterricht wieder beginnt. Deshalb soll ab diesem Zeitpunkt das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im öffentlichen Nahverkehr und beim Einkaufen verbindlich sein. 

Hierzu eignen sich selbst genähte Stoffmasken und die bereits im Verkauf befindlichen Angebote kleinerer Läden und Apotheken. Auch große Lebensmittel- und Drogerieketten haben zugesagt, entsprechende Masken kurzfristig in das Verkaufssortiment ihrer Filialen aufzunehmen. 

Ich bitte alle Bürgerinnen und Bürger, sich auf das Tragen solcher Gesichtsmasken vorzubereiten und diese sinnvolle Vorkehrung zum Schutz vor Infektionen ab kommenden Montag einzuhalten. 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wie Sie wissen, haben die Bundesregierung und der Hamburger Senat eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um Bürgerinnen und Bürger gegen die schlimmsten Folgen der Coronakrise abzusichern, um Arbeitsplätze zu erhalten und Insolvenzen zu verhindern. 

Diese Hilfen werden dringend benötigt und gut in Anspruch genommen. Die Beschäftigten von etwa einem Drittel der Hamburger Unternehmen erhalten Kurzarbeitergeld. Unsere Finanzämter haben bisher mehr als 35.000 Steuervorauszahlungen in einem Gesamtumfang von über einer Milliarde Euro herabgesetzt.

Bei der Hamburger Corona Soforthilfe sind bisher rund 50.000 Anträge eingegangen. Die Investitions- und Förderbank hat fast 80 Prozent der Anträge in kurzer Zeit bearbeitet und mehr als 300 Millionen Euro ausgezahlt. Auch gemeinnützige Vereine und Organisationen sowie Künstlerinnen und Künstler nutzen die Soforthilfe. 25 Millionen Euro stehen für Kulturbetriebe zur Verfügung. Rund 1,5 Millionen Euro fließen in die Quartiere, um Angebote der Stadtteilkultur und Engagement vor Ort zu unterstützen. Kurzfristig haben wir entschieden, dass Startups eine zusätzliche Förderung von bis zu 100.000 Euro erhalten können.

Auch den sozialen Bereich haben wir im Blick. Es gibt Hilfen – zum Teil auch mehrsprachig – über telefonische Sorgen- und Beratungshotlines, zum Beispiel für Senioren, Eltern und Schüler. Der Notruf „Gewalt gegen Frauen“ ist Tag und Nacht erreichbar, berät und vermittelt Kontakte zu Hilfseinrichtungen. Gemeinsam mit Initiativen wollen wir sicherstellen, dass auch während des Ausfalls von Kita und Schule alle Kinder in allen Stadtteilen ein warmes Mittagessen bekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, 

in dieser schwierigen Zeit machen wir alles möglich, was nötig ist. Wir helfen, wo es geht. Darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen!

Zugleich stärken wir unser Gesundheitswesen und treffen neben dem Aufbau der Intensivkapazitäten weitere Vorkehrungen, um das Ansteckungsrisiko in der Bevölkerung zu verringern. Auch das haben die Länder mit der Bundesregierung vereinbart.

Der Bund hat angekündigt, die Ermittlung von Kontaktpersonen durch eine neue digitale Anwendung zu verbessern, eine Smartphone-App, deren Einsatz auf Freiwilligkeit beruht und strenge Datenschutzanforderungen einhält.

Mit rund 3.500 Corona-Tests am Tag wird in Hamburg pro Einwohner bereits mehr getestet als im Bundesdurchschnitt. Die Hamburger Labore haben ihre Testkapazitäten deutlich erhöht, es sind bis zu 7.000 Tests pro Tag möglich.

Die Kassenärztliche Vereinigung hat Infektpraxen für Patienten mit COVID-19-Symptomen eingerichtet, die keinen Hausarzt haben oder deren Hausärzte die Behandlung infektiöser Patienten ablehnen. Auf Initiative der Gesundheitsbehörde hat das Deutsche Rote Kreuz mobile Teams eingerichtet, die pro Tag etwa 600 Bewohner und Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen testen können.

Und auch das Personal in den Gesundheitsämtern wird weiter verstärkt. Wir haben bereits 300 Personen im Einsatz, die sich ausschließlich um die Betreuung von Corona-Infizierten und deren Kontaktverfolgung kümmern. Diese Zahl wird schrittweise auf insgesamt 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöht. 

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen: Die Beschäftigten im Gesundheitswesen und in der Pflege leisten hervorragende Arbeit und haben dafür unsern Dank und größte Anerkennung verdient.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die derzeitigen Einschränkungen für unser Leben sind gravierend. Alle können sich darauf verlassen, dass sie nur so lange aufrechterhalten werden, wie es notwendig ist.

Je weiter die Pandemie voranschreitet, desto besseres Wissen erhalten wir über das Virus und die Erkrankung, die es verursacht. Die Forschung arbeitet an der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen. 

Bis dahin kann jede und jeder einzelne mithelfen, das Coronavirus zu stoppen. Es gilt weiterhin, dass wir die Hygieneregeln beachten, direkte persönliche Kontakte vermeiden und Abstand zueinander halten. 

Wir müssen neue Wege finden, um unseren Alltag, unsere Arbeit und unser soziales Miteinander in der Pandemie zu organisieren. Dafür brauchen wir Disziplin, Kreativität und Veränderungsbereitschaft. 

Hamburg hat die Krise bisher gut bewältigt. Alle arbeiten zusammen und sorgen dafür, dass unsere Stadt funktioniert: Die Verkäuferinnen und Verkäufer, die LKW-Fahrer, die Polizeibeamten und Feuerwehrleute, diejenigen, die unsere Stadt am Laufen halten mit Bussen und Bahnen, in den Stadtwerken, in den Behörden und Unternehmen, die wir für das tägliche Leben brauchen. 

Zwischen dem Senat, der Bürgerschaft und den Fraktionen herrscht großes Einvernehmen, das zu tun, was erforderlich ist. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich. 

Die Bürgerinnen und Bürger verhalten sich verantwortungsvoll und solidarisch. 

Ich bin überzeugt, wenn wir diesen Kurs fortsetzen, können wir die Krise gut überstehen.

Wir sind eine starke Stadt und stehen gemeinsam gegen Corona.

Vielen Dank.