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7. September 2020

Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft 2020

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Rede des Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher. Es gilt das gesprochene Wort.

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Sehr geehrter Herr Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrter Herr Dr. Dittmer,
sehr geehrter Herr Prof. Stratmann,
sehr geehrter Herr Professor Dr. Roska,
sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich Willkommen im Hamburger Rathaus zur Verleihung des Körber-Preises für die Europäische Wissenschaft 2020!

Der Körber-Preis gehört zu den weltweit höchstdotierten Forschungspreisen. Wenn er hier im Rathaus verliehen wird, ist dies immer auch eine besondere Ehre für die Wissenschaftsstadt Hamburg.

Der diesjährige Preisträger ist der ungarische Mediziner und Neurobiologe Botond Roska, der, wie viele besondere Mediziner, noch andere Talente hat und erst über einen Umweg zur Medizin gekommen ist.

Ursprünglich studierte er an der renommierten Budapester Musikakademie Cello, musste seine Musikerkarriere aber wegen einer Verletzung aufgeben.

Daraufhin absolvierte er in seiner Heimatstadt ein Studium der Medizin und Mathematik, promovierte in Berkeley und forschte in Harvard auf den Gebieten der Genetik und Neurobiologie.

2005 ging Botond Roska in die Schweiz ans renommierte Friedrich Miescher Institut für biomedizinische Forschung.

Seit 2018 leitet er zusammen mit Hendrik Scholl das neu gegründete Institut für Molekulare und Klinische Ophthalmologie in Basel.

Dort arbeiten Grundlagenforscher und klinische Mediziner, die in direktem Kontakt mit Patienten sind, besonders eng zusammen.

Botond Roska zählt heute zu den international bedeutendsten Experten in der Erforschung der Netzhaut, diesem sehr spezialisierten Nervengewebe im Auge, das Licht in Nervenimpulse umwandelt und damit den entscheidenden Schritt für unseren optischen Sinneseindruck vermittelt.

Er ist Spezialist für die Netzhauterkrankung Retinitis pigmentosa, die zur Erblindung führt. Er untersucht die Fragen, wie es kommt, dass die Zellen der Netzhaut ihre Lichtempfindlichkeit verlieren, und wie man ihre Fähigkeit, Licht aufzunehmen, wieder herstellen kann.

Botond Roska und sein Team haben etwa hundert einzelne Zelltypen identifiziert und ihr Zusammenspiel untersucht. Ihr Ziel ist es, defekte Zellen genetisch so umzuprogrammieren, dass sie wieder lichtempfindlich werden.

Auf der Forschung von Botond Roska liegen große Hoffnungen für Millionen Menschen, die aufgrund einer Netzhauterkrankung ihr Augenlicht verloren haben.

Blinde wieder sehend machen – diesen Wunsch haben Ärzte seit Jahrhunderten.

Bereits über 3.000 Jahre alte babylonische Keilschriften berichten von komplizierten Operationen am Auge. Aus dem Alten Ägypten sind Therapieanweisungen zur Wiederherstellung der Sehkraft überliefert. Mittelalterliche Schilderungen berichten von sehr robusten Methoden, wie dem sogenannten Stechen des Stars, das die Patienten nicht selten mit dem Tode bezahlten.

Während viele andere Augenerkrankungen heute gut behandelt werden können, ist die häufigste Ursache für eine Erblindung – die Retinitis pigmentosa – immer noch nicht heilbar.

Allein in Deutschland leiden über 30.000 Menschen an einem Sehverlust, der auf eine Erkrankung der Netzhaut zurückzuführen ist. Weltweit sind es über 30 Millionen.

Die Forschung von Botond Roska weckt Hoffnungen auf neue Behandlungsmethoden, mit der die Sehkraft von an Retinitis Pigmentosa Erkrankten wiederhergestellt werden kann, um ihnen wieder ein besseres, selbstständigeres Leben zu ermöglichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Wissenschaft und Forschung sind entscheidend, um die großen Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Das gilt für die Bekämpfung von Krankheiten und Pandemien, genauso wie für die Begrenzung des Klimawandels oder die Suche nach friedlichen Lösungen für gewaltsame Konflikte.

Damit trägt die Forschung eine große Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, aber umgekehrt trägt die Gesellschaft auch eine Verantwortung dafür, dass Forscherinnen und Forscher uneingeschränkt und unter guten Bedingungen arbeiten können.

Max Planck hat diese wechselseitige Verantwortung in einem Vortrag „Die Aufgabe der Wissenschaft“ 1947 so beschrieben: „Die exakte Wissenschaft wurzelt im menschlichen Leben“, sagte Planck. „Aber sie ist mit dem Leben in doppelter Weise verbunden: Denn sie schöpft nicht allein aus dem Leben, sondern sie wirkt auch zurück auf das Leben, auf das materielle wie geistige Leben, und zwar umso kräftiger und fruchtbarer, je ungehinderter sie sich entfalten kann.“

Hamburg wird seiner Verantwortung für die Wissenschaft gerecht, indem die Stadt die Voraussetzungen für exzellente Forschung, für Austausch und Zusammenarbeit auf allen Ebenen schafft. 

Zu den Meilensteinen, die seit der letzten Preisverleihung vor einem Jahr umgesetzt wurden, gehört zum Beispiel die zu Anfang 2021 beschlossene Überführung des Centrums für Naturkunde der Universität Hamburg in die Leibniz-Gemeinschaft.

Damit verbunden ist der Bau eines großen Naturkundemuseums in unserer Stadt, in dem geforscht wird und die Erkenntnisse dieser Disziplin modern und anschaulich ausgestellt werden.

In der zukünftigen Science City Bahrenfeld ist das Hamburg Advanced Research Centre for Bioorganic Chemistry (HARBOR) in Betrieb gegangen, ein interdisziplinäres Zentrum für Nanophysik, Chemie und Strukturbiologie.

Die Hamburger Infektionsforschung wird an zwei Orten gebündelt und ausgebaut: auf dem Campus Bahrenfeld mit dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und auf dem Campus Eppendorf – dort hat die Stadt einen Neubau für einen zweiten Forschungscampus beschlossen, mit den Schwerpunkten Entzündung, Infektionen und Immunologie. 

Die Körber-Stiftung nimmt ihre gesellschaftliche Verantwortung in besonderer Weise wahr und setzt sich auf unterschiedlichen Gebieten für exzellente Wissenschaft und die Förderung des Nachwuchses ein.

Der von der Stiftung verliehene Körber-Preis ist eine der angesehensten Auszeichnungen für exzellente Wissenschaft in Europa und stärkt damit den europäischen Forschungsstandort. 

Wir wissen aus unserer Geschichte, wie Einigkeit und Frieden in Europa unsere Stadt vorangebracht haben – früher vor allem im Handel und heute auch in der Wissenschaft. 

Es sollte selbstverständlich sein, dass wir Europa als einen gemeinsamen Wissenschaftsstandort verstehen und ausbauen, wie es mit der Netzhautforschung von Botond Roska der Fall ist, die in den kommenden Jahren durch den Europäischen Forschungsrat unterstützt wird. 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

mit Botond Roska wird ein Pionier der Netzhautforschung geehrt, der die Grundlagen der Augenheilkunde maßgeblich erweitert hat und Hoffnung macht, dass eine bisher nicht heilbare Erkrankung, die zur Erblindung führt, in Zukunft geheilt werden kann.

Lieber Herr Professor Roska,

ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihren Forschungsprojekten und auch persönlich alles Gute.

Herzlichen Glückwunsch zur Verleihung des Körber-Preises für die Europäische Wissenschaft 2020!

Vielen Dank.