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16. Dezember 2020

Regierungserklärung des Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher zur aktuellen Corona-Lage

Rede des Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher. Es gilt das gesprochene Wort.

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Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

seit heute gelten in Hamburg erneut weitgehende Beschränkungen des öffentlichen Lebens und der privaten Kontakte. Der Einzelhandel ist bis auf Geschäfte für den täglichen Bedarf geschlossen. Auch über die Feiertage bestehen starke Einschränkungen für private und öffentliche Zusammenkünfte. Schulen und Kitas sind nicht geschlossen, aber die Kinder sollen wann immer möglich zu Hause betreut werden. Alle Unternehmen sind aufgerufen, ihre Beschäftigten und insbesondere die Eltern durch Betriebsferien oder Home-Office zu unterstützen und dadurch mitzuhelfen, die Zahl der Kontakte und Begegnungen zu verringern.

Der Senat folgt mit seinen Beschlüssen für Hamburg dem Ergebnis einer Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder am vergangenen Sonntag. Wir sind gemeinsam der Überzeugung, dass es jetzt nötig ist, die Zeit über Weihnachten und Silvester bis zum 10. Januar zu nutzen, um die Corona-Pandemie stärker als bisher zu bekämpfen und die Zahl der Neuinfektionen nicht nur zu stabilisieren, sondern deutlich zu verringern.

Das Infektionsgeschehen hat in Deutschland in den letzten Wochen wieder stark zugenommen. In bestimmten Regionen von Bayern und Sachsen erreicht die Sieben-Tage-Inzidenz Werte von über 600. Dem Gesundheitssystem in diesen Ländern droht eine Überlastung. Erste Kliniken in Deutschland haben sich aus der Notversorgung abgemeldet. Hamburger Krankenhäuser versorgen bereits viele Covid-19-Patienten aus anderen Bundesländern, davon 20 auf Intensivstationen.

Die dramatische Entwicklung im Süden und Südosten bleibt nicht ohne Auswirkungen auf ganz Deutschland. Hamburg steht in der Pandemie weiterhin besser da als viele andere Flächenländer und vergleichbar große Städte. Aber auch im Norden und bei uns in Hamburg sind die Infektionszahlen – nach einem Abfall seit Mitte November – in den letzten Tagen wieder gestiegen und deshalb ist ein erneuter „Shutdown“ auch bei uns erforderlich.

Wir haben die entsprechenden Maßnahmen beschlossen und erklären sie umfassend auf allen Kanälen, die uns zur Verfügung stehen.

Die wichtigste Botschaft für alle lautet, nicht die Grenzen der Regeln auszuschöpfen, sondern in den kommenden Wochen, auch an den Weihnachtstagen und zu Silvester, so wenig Kontakte wie möglich zu haben und konsequent auf Infektionsschutz zu achten. 

Wir haben dafür bessere Möglichkeiten als im Frühjahr:

Einfache Gesichtsmasken sind überall verfügbar. Wir müssen sie nur so oft wie möglich nutzen: beim Einkaufen, in Bus und Bahn, in öffentlich zugänglichen Gebäuden und wo immer es eng wird und der nötige Abstand zu anderen nicht eingehalten werden kann.

Wir wissen heute, dass es durch einfaches Lüften von geschlossenen Räumen möglich ist, das Risiko einer Infektion durch Aerosole deutlich zu senken.

An unseren Schulen wurden umfassende Hygienekonzepte eingeführt. Die rund 35.000 Lehrkräfte haben kostenlos Gesichtsmasken erhalten und können sich jederzeit kostenlos bei ihrem Hausarzt testen lassen. Die Schulen erhalten zusätzliche Mittel, um Klassenräume sicherer zu machen. Kein anderes Bundesland bietet so viele Schutzmaßnahmen.

Auch die Ausstattung für den Fernunterricht haben wir verbessert. Als einziges Bundesland hat Hamburg die Mittel aus dem Digitalpakt 2 vollständig genutzt. Hamburgs Schulen verfügen jetzt über 40.000 zusätzliche Laptops und können mehr Video-Unterricht anbieten. Hamburg liegt mit dieser Digitalausstattung an der Spitze aller Bundesländer.

Der Bund stellt älteren Menschen und vulnerablen Personen in den kommenden Wochen kostenlos FFP2-Masken zur Verfügung, die einen besonders guten Schutz vor den Viren ermöglichen.

In entscheidenden Bereichen der Pandemiebekämpfung sind wir in Hamburg besser aufgestellt:

Für die Kontaktnachverfolgung haben wir nicht nur die nach bundesweiten Standards empfohlenen 475 Vollzeitkräfte erreicht. Wir setzen hierfür mittlerweile über 750 Vollzeitkräfte ein, die mit einer neuen, modernen Software arbeiten, die Infektionen nachverfolgen und die Betroffenen informieren.

Hamburg hat darauf gedrängt und erreicht, dass es künftig in ganz Deutschland die Pflicht gibt, die Beschäftigten von Alten- und Pflegeeinrichtungen regelmäßig auf Corona zu testen. Die Bewohnerinnen und Bewohner dürfen nicht sozial isoliert, aber sie müssen geschützt werden vor einer lebensbedrohlichen Erkrankung, denn darauf kommt es jetzt besonders an.

Sehr geehrte Abgeordnete,

die Corona-Pandemie trifft die Menschen, aber auch viele Wirtschaftszweige und Unternehmen.

Unmittelbar betroffen sind die Gastronomie, die Veranstaltungs- und Tourismusbranche und jetzt auch wieder der Einzelhandel und weitere Dienstleistungen. Einzelne Branchen wie die Luftfahrtindustrie, zu deren größten Standorten weltweit Hamburg zählt, müssen auch nach der Pandemie noch mit schwierigen Jahren rechnen.

Auch die Kultur ist seit Beginn der Pandemie stark von den notwendigen Maßnahmen betroffen. Ich bin den Künstlerinnen und Künstlern in unserer Stadt sehr dankbar für das Verständnis und die Unterstützung im Kampf gegen das Virus.

Den Betrieben und Selbstständigen stehen weiterhin umfangreiche Hilfsprogramme zur Verfügung. In dieser Zeit unterstützen Bund und Länder die Unternehmen und Selbstständigen mit mehr Wirtschafts- und Finanzhilfen als alle anderen europäischen Länder zusammen. Neu hinzugekommen sind die sogenannten Novemberhilfen und die Überbrückungshilfe III, mit denen der Bund die Bedingungen gegenüber den früheren Programmen noch einmal deutlich verbessert hat.

Der Hamburger Corona Schutzschirm hat ein Volumen von über 1,5 Mrd. Euro. Damit ergänzen wir die Programme des Bundes mit Zuschüssen, Liquiditätshilfen, günstigen Krediten und Beteiligungen, die speziell auf die Anforderungen der Hamburger Wirtschaft zugeschnitten sind.

Weiterhin gilt: Wir können nicht jede Notlage verhindern, aber wir helfen überall, wo es nur geht.

Meine Damen und Herren,

hinter uns liegt ein außergewöhnliches Jahr. Seit dem ersten Corona-Fall im Februar befindet sich Hamburg im Ausnahmezustand.

Wir müssen auf vieles verzichten, was uns wichtig ist und das Lebensgefühl in einer Metropole wie Hamburg ausmacht: Die Vielfalt der Begegnungen, in den Cafés und Clubs, Theatern und Kinos, in dem breiten Angebot der Kultur, im Sport und bei vielen Veranstaltungen, die bei uns normalerweise jeden Tag stattfinden. Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der persönlichen Freiheit richten sich fundamental gegen die Art und Weise, wie wir in Hamburg leben wollen. Unser Alltag ist komplizierter geworden und das alles macht uns sehr zu schaffen.

Schon das Wort „Corona“ können viele nicht mehr hören. Und dennoch: Wir dürfen nicht nachlassen!

Anfang Januar werden Bund und Länder erneut zusammenkommen und die Fortschritte in der Pandemiebekämpfung bewerten. Welche Maßnahmen nach dem 10. Januar notwendig sind, ob der Schulbetrieb ohne Einschränkungen wieder beginnen kann – all dies hängt von der weiteren Entwicklung ab, auch davon, wie sich jeder und jede Einzelne von uns in den kommenden Wochen verhält.

Und dabei möchte ich – auch wenn es schon oft gesagt wurde – noch einmal daran erinnern, wie es denen geht, die nicht zu Hause bleiben können, die ihre Kinder nicht selbst zu Hause betreuen können, weil sie in Berufen arbeiten, die auch im „Shutdown“ gebraucht werden und die unsere Stadt am Laufen halten:

Die Verkäuferinnen und Verkäufer in den Supermärkten und Drogerien, die Polizeibeamten und Feuerwehrleute, die Beschäftigten in den öffentlichen Verkehrsunternehmen und Stadtwerken, viele weitere Berufsgruppen und natürlich ganz besonders die Beschäftigen im Gesundheitswesen, in der Betreuung und Pflege.

Sie alle arbeiten weiter, zum Teil unter noch schwierigeren Bedingungen als vorher und zum Teil auch mit Risiken für ihre eigene Gesundheit.

Und deshalb sage ich noch einmal im Namen des Senats: Herzlichen Dank für diesen wichtigen Dienst zum Wohle der Stadt, vielen Dank für Ihre Arbeit!

Sehr geehrte Damen und Herren,

in meiner ersten Regierungserklärung zur Corona-Pandemie im April habe ich gesagt, dass wir in eine Notlage geraten sind, für die es in den vergangenen Jahrzehnten kein Beispiel gibt und die wir nur aus den Geschichtsbüchern kennen.

Und ich musste im April den Satz hinzufügen: „Eine Schutzimpfung, die wir gegen die Ausbreitung des Virus einsetzen können, gibt es derzeit nicht.“ Heute lautet dieser Satz anders: Früher, als es viele erwartet haben, steht uns ein vermutlich sehr wirksamer Impfstoff zur Verfügung.

Die Wissenschaft, die medizinische Forschung, die pharmazeutischen Unternehmen haben gut gearbeitet.

Die Bundesregierung hat uns gestern informiert, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA, die für die Beurteilung und Überwachung von Arzneimitteln in Europa zuständig ist, den in Deutschland mit entwickelten Impfstoff von BionNTech / Pfizer voraussichtlich am 21. Dezember zulassen wird und wir noch vor Weihnachten mit einer Lieferung der ersten Impfdosen rechnen können.

Meine Damen und Herren,

ich halte dies für einen Wendepunkt im Kampf gegen das Coronavirus. Denn jede Impfung ist ein Schritt zur Überwindung der Pandemie. Jede Impfung schützt vor einer ernsten Erkrankung und unser Gesundheitswesen vor der Überlastung.

Wir haben uns auf diesen Zeitpunkt vorbereitet. In den Messehallen steht ein zentrales Impfzentrum bereit, das für die Verwendung des BioNTech-Impfstoffs geeignet ist, der sehr kühl gelagert und nach dem Auftauen und Auflösen unmittelbar eingesetzt werden muss.

Bei voller Auslastung können in den Messehallen über 7.000 Menschen pro Tag geimpft werden. Viele Freiwillige haben sich gemeldet, um mitzuhelfen, darunter 150 Ärztinnen und Ärzte.

Alle Vorkehrungen sind getroffen. Sobald der erste Impfstoff Hamburg erreicht, können wir ihn einsetzen, um die Menschen in Hamburg vor Corona zu schützen, das ist die positive Nachricht, die uns Hoffnung und Zuversicht gibt!

Wir werden zusätzlich mobile Teams aufstellen, die Impfungen im gesamten Stadtgebiet durchführen. In medizinischen Einrichtungen können Impfungen direkt von geschultem Personal verabreicht werden.

Alle Menschen in Deutschland sollen eine kostenlose Impfung erhalten. Die Auswahl der Personen, die zuerst geimpft werden, richtet sich nach den Empfehlungen der Experten in der Ständigen Impfkommission. Auch hier stehen wir zu unserer Verantwortung gegenüber denjenigen, die einem besonderen Infektionsrisiko ausgesetzt sind oder für die eine Covid19-Erkrankung besonders gefährlich ist.

Sehr geehrte Abgeordnete,

bis es soweit ist, dass wir eine ausreichende Zahl an Menschen geimpft haben und wir die Pandemie damit endgültig überwinden können, wird es noch eine Weile dauern.

Das heißt, wir brauchen weiterhin Ausdauer, Disziplin und Verantwortung, um die Pandemie in den kommenden Monaten zurückzudrängen und nicht auf der Zielgeraden noch zu stolpern.

Wir müssen deshalb in den kommenden Wochen sehr konsequent Masken tragen, Abstand halten und Hygiene beachten. Und wir müssen unsere Kontakte so weit wie möglich verringern, auch über die Weihnachtstage und am Silvesterabend.

Ich bitte Sie, liebe Hamburgerinnen und Hamburger, nehmen Sie diese Regeln ernst. Sie schützen damit Ihre eigene Gesundheit und die Ihrer Mitmenschen – Ihrer Familien, Freunde und Bekannten.

Ich wünsche Ihnen ein besinnliches Weihnachtsfest, einen schönen, aber ruhigen Silvesterabend und uns allen ein gutes Neues Jahr.

Vielen Dank.