Sehr geehrter Herr Wachholtz,
sehr geehrter Herr Fröhlich,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Günther,
sehr geehrte Damen und Herren,
in diesen Corona-Zeiten ist man immer froh, wenn Dinge, die wir vor kurzem noch als selbstverständlich angenommen haben, überhaupt noch möglich sind. Deshalb vielen Dank, dass der traditionelle Neujahrsempfang des UV Nord auch dieses Jahr stattfindet, wenn auch in dem besonderen Format einer Videokonferenz.
Der Empfang steht unter der Überschrift „Perspektiven 21“. Das ist gut, denn man soll immer „hanseatisch“ in die Zukunft blicken, das heißt mit einem gesunden Risikobewusstsein, aber dennoch zuversichtlich.
Das vergangene Jahr zeigt, dass es oft ganz anders kommt, als man denkt. Anfang 2020 war die wirtschaftliche Lage im Norden gut. Bis Ende 2019 hatten wir in Hamburg mit rund 1 Million sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätzen und der geringsten Zahl an Arbeitslosen seit Jahrzehnten einen Höchststand der Beschäftigung. In fast allen Branchen wurden Auszubildende und Fachkräfte gesucht.
Hamburg lag im Wirtschaftswachstum mit einem Plus von real 2,2 % deutlich über dem Bundesdurchschnitt und im Ranking der Länder auf Platz 2 weit vor Bayern und Baden-Württemberg.
Manches hat sich dann im letzten Jahr so entwickelt, wie es viele gehofft haben:
- Die Hamburger Wirtschaft hat ein neues Plenum und Präsidium der Handelskammer gewählt – noch einmal Herzlichen Glückwunsch dem neuen Präses Norbert Aust und seinen Mitstreitern.
- Für den Brexit ist doch noch im letzten Moment ein Deal zu Stande gekommen.
- Bei allen erschreckenden Vorkommnissen in den USA bekommen wir am 20. Januar nun doch einen neuen amerikanischen Präsidenten und damit voraussichtlich wieder sehr viel verlässlichere transatlantische Beziehungen.
Mit der Neuwahl der Hamburgischen Bürgerschaft hat sich auch die Perspektive für die Politik in der Hansestadt für die kommenden Jahre geklärt: Der Senat kann sich in der Bürgerschaft auf eine Zweidrittelmehrheit stützen. Von Ihren jeweiligen parteipolitischen Präferenzen einmal abgesehen, ist das jedenfalls eine sehr stabile politische Konstellation, die es in dieser Form sonst nirgendwo in Deutschland gibt.
Nun werden Sie sagen: „Große Mehrheiten sind gut, sie müssen aber auch das richtige machen.“ Ja, das sehe ich auch so. Und deswegen habe ich darauf geachtet, dass wir in Hamburg nicht nur sagen, dass wir ein wirtschaftsfreundlicher Senat sind, sondern dass sich das auch im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen widerspiegelt.
In dem steht zum Beispiel, dass wir die A26 Ost weiterbauen, nicht als Alternative, sondern zusätzlich zu einer neuen Köhlbrandquerung, für die der Bund mittlerweile zugesichert hat, dass er sich daran finanziell beteiligt und dass er sie zu einer Bundesstraße hochstuft.
Auch andere Großprojekte wie
- die Elbvertiefung,
- der Bau der S4 und der neuen U-Bahn U5,
- die Vergrößerung des Hauptbahnhofs und
- der Ersatz der Sternbrücke in Altona,
- die Science-City Bahrenfeld,
- viele weitere Großprojekte im Hafen und
- unser Wohnungsbauprogramm
wurden erneut politisch abgesichert und im vergangenen Jahr – trotz Corona - vorangetrieben.
Wenn ich darüber hinaus einen Neujahrswunsch äußern darf: Wir brauchen jetzt die Hilfe des Bundes und unserer Nachbarländer, um die sogenannte Kreislaufbaggerei von Schlick in der Elbe zu beenden und eine vernünftige, kostengünstige Freihaltung der Fahrrinne zu gewährleisten.
Heute wird die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen die Wohnungsbaugenehmigungszahlen des vergangenen Jahres bekanntgeben, und ich kann Ihnen berichten, dass wir die Größenordnung von 10.000 Wohneinheiten – trotz der Erschwernisse im vergangenen Jahr – erneut erreicht haben. Das ist ein weiterer wichtiger Schritt, um das Angebot an Wohnraum in der Metropolregion zu verbessern und den Anstieg der Mieten zu bremsen.
Diese positiven Nachrichten ändern aber nichts daran, dass die Wirtschaft in Hamburg von der Corona-Krise stark getroffen ist. Wir haben wenige Branchen, die sogar Zuwächse zu verzeichnen haben: Unternehmen für die Herstellung von medizinischen und pharmazeutischen Produkten, Digitalunternehmen und alle Geschäftsmodelle, die in der Corona-Krise gefragt sind.
Es gibt auch einzelne Branchen, die stabil sind oder sich mit nur leichten Einbußen einigermaßen behaupten: Das Bauhauptgewerbe, das Handwerk, interessanterweise scheint auch die maritime Wirtschaft besser durch die Krise zu kommen als im Frühjahr erwartet. Hapag Lloyd hat seine Ergebnisprognose für 2020 im Dezember noch einmal angehoben.
Insgesamt kämpfen aber die meisten Branchen mit der geringeren Nachfrage und den Einschränkungen, die sich aus der Corona-Pandemie ergeben: Der Tourismus, die Veranstaltungswirtschaft und das Gastgewerbe erleben derzeit ihre wohl schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. In vielen Unternehmen konnten Arbeitsplätze nur durch die massive Nutzung von Kurzarbeit erhalten werden.
Besonders betroffen ist auch die Luftfahrt, die in der Metropolregion stark verankert ist und die nach den aktuellen Prognosen über die Pandemie hinaus einen strukturellen Nachfragerückgang befürchtet, wenn die international tätigen Unternehmen auch in Zukunft weniger Präsenzmeetings machen und stattdessen weiterhin stark auf Videokonferenzen und digitale Kommunikation setzen.
Um die Unternehmen und ihre Beschäftigten in dieser schweren Krise vor Insolvenzen und Arbeitslosigkeit zu schützen, geben Bund und Länder mehr Wirtschafts- und Finanzhilfen als alle anderen Länder der Europäischen Union zusammen.
Wir tun dies in Deutschland aus der Überzeugung, dass der Staat in einer solchen Krise alles tun muss, um schlimme soziale Folgen der Pandemie und strukturelle Schäden der Wirtschaft zu vermeiden oder abzumildern. Der Preis dafür sind hohe neue Schulden in den Haushalten von Bund und Ländern, die in den vergangenen Jahren alles daran gesetzt haben, Überschüsse zu erwirtschaften und alte Schulden zu tilgen.
In Hamburg haben wir in den Jahren von 2014 bis 2019 kumulativ mehrere Milliarden Euro Überschüsse im Gesamthaushalt erwirtschaftet. Deshalb bin ich sicher, dass wir - wenn wir die Corona-Krise endgültig überwinden und an unsere Entwicklung bis Ende 2019 anknüpfen können - dann auch wirtschaftlich und finanziell stemmen können, was wir jetzt aufbringen müssen, um die Folgen der Krise möglichst klein zu halten.
Mit anderen Worten: Wir müssen jetzt strukturelle Schäden vermeiden, Arbeitsplätze erhalten und zu einer schnellen Erholung nach Überwindung der Pandemie beitragen. Jeder Euro, den wir jetzt nicht einsetzen, um eine vermeidbare Notlage zu verhindern, müssen wir später in den wirtschaftlichen und sozialen Folgen um ein Vielfaches obendrauf legen.
Deshalb jetzt diese umfangreichen Überbrückungs- und Soforthilfen von Bund und Ländern mit Zuschüssen, Liquiditätshilfen, günstigen Krediten, Umsatzerstattungen und Beteiligungen.
Die Programme sind zeitkritisch, das heißt die Hilfen müssen schnell und unkompliziert an die Unternehmen und Selbstständigen kommen, aber die Erfahrungen haben leider gezeigt: Wir müssen Missbrauch verhindern. Deshalb haben wir uns als Länder gegenüber dem Bund bei der November- und jetzt auch bei der Überbrückungshilfe III sehr dafür eingesetzt, dass möglichst früh erste Abschlagszahlungen erfolgen, die dann nach der sorgfältigen Prüfung der Anträge bei der endgültigen Auszahlung angerechnet werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir dürfen dabei nicht vergessen: Auch vor Corona, gab es in manchen Bereichen schon Probleme. Die Corona-Hilfen dürfen nicht dazu führen, diese zu verstetigen, sie müssen helfen, sie zu lösen. Wir sollten daher versuchen, die Krise auch als Auftrag zu verstehen, die ohnehin erforderlichen Transformationsprozesse in der Wirtschaft und in der Verwaltung zu beschleunigen.
Das heißt, sich konsequenter auf die Anforderungen der digitalen Zukunft einzustellen, sich unabhängiger zu machen von der Nutzung fossiler Energien, den gesellschaftlichen Bewusstseinswandel und damit das künftige Marktumfeld für ein gesünderes Leben, den Schutz der natürlichen Ressourcen und mehr Nachhaltigkeit gleich mitzudenken.
Mit einem Hamburger Wirtschaftsstabilisierungsprogramm im Umfang von 900 Millionen Euro investieren wir daher in diesem und im nächsten Jahr gezielt insbesondere in IT und Digitalisierung, in die städtische Infrastruktur, in Klimaschutz und moderne Mobilität.
Mit dem bereits 2019 gegründeten Bündnis für die Industrie der Zukunft wollen wir die Industrie im Norden stärken und mit ihr gemeinsam die Dekarbonisierung vorantreiben. Ein Schlüssel dafür ist die Nutzung der Windenergie und die Wasserstoffwirtschaft, für die wir im Norden gute Voraussetzungen haben und für die wir gut mit unseren Nachbarländern zusammenarbeiten.
Denn, meine Damen und Herren, ich bin überzeugt: Die Hamburger Wirtschaft, die Wirtschaft im Norden insgesamt ist stark. Sie ist innovativ, gut vernetzt in einem breiten Branchenmix und mit einem vernünftigen Gleichklang aus unternehmerischer Ambition und gesundem Risikobewusstsein. Und, lieber Daniel, das können wir hoffentlich beide bekräftigen, sie wird von den Landesregierungen in Hamburg und Kiel so gut wie möglich unterstützt, dafür setzen sich der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und der Erste Bürgermeister von Hamburg sehr gerne gemeinsam ein.
Die wichtigste Wirtschaftshilfe besteht aber darin, dass wir die Corona-Pandemie so schnell wie möglich überwinden und damit die Einschränkungen für das private und wirtschaftliche Leben wieder zurücknehmen können. Der Gesundheitsschutz und die wirtschaftliche Erholung sind keine Gegensätze, das eine ist die Voraussetzung für das andere.
Eine große Hoffnung können wir dabei auf die Impfungen setzen, die viel früher möglich geworden sind, als viele Experten es zu Beginn der Pandemie angenommen haben. Die Hoffnungen und Erwartungen sind derzeit aber noch viel größer als das, was wir jetzt in den ersten Wochen durch Impfungen leisten können. Denn die ersten Zulassungen von Impfstoffen für Europa sind zwar erfolgt, es sind auch europaweit große Mengen bestellt, aber die Produktion und Lieferung beginnt jetzt erst in begrenzten Mengen. Deshalb können wir eben zu Anfang nicht alle gleichzeitig impfen, sondern es geht nur schrittweise.
Selbst in der ersten Prioritätsstufe der Bewohner und Beschäftigten der Pflegeeinrichtungen, der Beschäftigten in den Krankenhäusern und ambulanten Pflegediensten und der über Achtzigjährigen sind es in jeder Teilgruppe allein in Hamburg viele Zehntausende Personen.
Alles muss so erfolgen, wie es in der klinischen Prüfung gemacht, wie es von den Zulassungsbehörden geprüft und vorgeschrieben wurde. Nur dann ist die Wirkung eines Impfstoffs sichergestellt, und deshalb müssen wir trotz des großen Erwartungsdrucks sorgfältig vorgehen und können nur so viele Impfungen vornehmen, wie Impfstoff zur Verfügung steht.
Schwierig an der aktuellen Corona-Lage und in der Vorausschau auf die kommenden Monate ist, dass wir das Infektionsgeschehen nach den Feiertagen derzeit noch nicht sicher einschätzen können und dass wir mit dem Aufkommen neuer Virusvarianten möglicherweise noch einmal schwierigere Bedingungen für den Infektionsschutz bekommen könnten. In einer solchen Lage muss man besonders konsequent und vorsichtig sein.
Deshalb haben Bund und Länder in der vergangenen Woche beschlossen, vorerst keine Lockerungen von Einschränkungen vorzunehmen, die Kontaktbeschränkungen in einigen Punkten wie bei den privaten Zusammenkünften noch einmal zu verschärfen, wann immer es möglich ist, zu Hause zu bleiben und auf Homeoffice zu setzen, und für Einreisen aus dem Ausland noch strengere Test- und Quarantänebedingungen einzuführen.
Ich halte diesen letzten Punkt für außerordentlich bedeutsam, denn wir haben im letzten Jahr viel zu spät eine vernünftige Quarantäneregelung eingeführt, die wir unbedingt benötigen, wenn wir den Eintrag von Infektionen aus dem Ausland erkennen und verhindern wollen.
Wie schon bisher haben wir in Hamburg die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz auch dieses Mal vollständig und in allen Punkten umgesetzt. Die neuen Regelungen sind seit Freitag bzw. die neuen Einreisebestimmungen seit Samstag in Kraft.
Wir müssen in Deutschland jetzt insgesamt noch einmal die Kraft und die Disziplin aufbringen, die nötig sind, um die Infektionszahlen deutlich zu senken. Nur so können wir in den schwierigen Wochen und Monaten, die noch vor uns liegen, in eine stabil niedrige Infektionsdynamik kommen und damit Zeit gewinnen für eine ausreichende Zahl an Impfungen, die vor schweren Erkrankungen und auch den tragischen, tödlichen Verläufen der Covid-19-Erkrankung schützen.
Das ist unser Ziel und unsere Verantwortung in Politik, in Wirtschaft und Gesellschaft, damit wir eine gute Perspektive bekommen für das Jahr 2021. In diesem Sinne noch einmal vielen Dank für die Einladung und Ihre Aufmerksamkeit.
Ich wünsche Ihnen und uns allen ein gutes neues Jahr!