Sehr geehrte Frau Gennai,
sehr geehrte Frau Kilg, Frau Frohloff, Herr Kropsch,
sehr geehrte Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrte Damen und Herren,
herzlich willkommen beim Mediendialog Hamburg und beim traditionellen Senatsempfang im Hamburger Rathaus.
Mit seinen neobarocken Verzierungen und den dicken Sandsteinmauern stammt das Rathaus erkennbar aus einer anderen Zeit. Beständigkeit und Dauerhaftigkeit waren wichtige Werte, die die Architektur dieses Gebäudes geprägt haben.
Gleichzeitig war das Rathaus bei der Eröffnung 1897 sehr modern. Es hatte schon Fernwärme, elektrisches Licht und eine neuartige Statik mit 4.000 Eichenpfählen als Fundament.
Mit anderen Worten: technologisch war das Rathaus seiner Zeit voraus, denn „Zukunftsfähigkeit“ war schon damals ein wichtiges Anliegen unserer Stadt.
Das Rathaus ist also durchaus ein passender Ort für den Mediendialog, bei dem es um technologische Neuerungen und die Zukunftsperspektive der Medien geht. Er bietet eine Möglichkeit, die neuesten inhaltlichen, technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen zu diskutieren und in ihren gesellschaftlichen Auswirkungen zu betrachten.
Aus drei Gründen ist ein solches Forum im Jahr 2023 eine interessante Sache.
- In den Redaktionen halten derzeit KI-Systeme Einzug. Dies verändert die Arbeitsweise, die Entstehung und Verbreitung von Texten und Bildern grund-legend und es wirft neue urheberrechtliche, ethische und medienpolitische Fragen auf.
- Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht aus verschiedenen Gründen in der Kritik und muss sich dem digitalen Wandel stellen.
- Auch im Printbereich herrscht hoher Transformationsdruck, dem nicht alle standhalten können. Titel werden eingestellt und Regionalzeitungen nicht mehr zugestellt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
bis vor kurzem konnte man den Eindruck haben, Künstliche Intelligenz sei vor allem ein Thema für IT-Experten und Digitalunternehmen. Heute vergeht kaum eine Woche, in der nicht von neuen KI-Anwendungen in allen möglichen Bereichen berichtet wird.
Mit dem selbstlernenden Textgenerator Chat-GPT, der Fragen wie in einem menschlichen Dialog beantwortet, ist KI im Alltag angekommen. In den Schulen und Familien wird nun diskutiert, ob man den Textgenerator zum Erledigen von Hausaufgaben nutzen sollte und wie sich die Echtheit von Referaten oder Hausarbeiten noch überprüfen lässt.
Ich selbst habe auch schon probeweise KI-Anwendungen genutzt, kann Ihnen aber versichern, dass diese Rede noch auf konventionelle Weise entstanden ist.
Doch es geht nicht nur um Texte. KI-generierte Fotos sind heute von echten Fotos kaum noch zu unterscheiden, und das könnte bald auch für Videos gelten.
Der Einsatz von KI stellt damit für die Medien einen Technologiesprung dar, …
… und aus der Geschichte des technologischen Fortschritts wissen wir, dass dabei Chancen und Risiken dabei nah beieinander liegen.
Journalistinnen und Journalisten können KI nutzen, um
- systematisch Informationen zu beschaffen,
- große Datenmengen zu analysieren und
- Inhalte zu produzieren und zu bearbeiten.
KI kann helfen,
- Zielgruppen zu ermitteln,
- Inhalte zu personalisieren oder
- Informationen und Quellen zu verifizieren.
Sie kann auch eingesetzt werden, um Falschnachrichten, verzerrte Berichterstattung und diskriminierende Darstellungen aufzuspüren.
Große Nachrichtenagenturen wie dpa, Reuters und AFP oder der Auslandsrundfunk Deutsche Welle setzen KI ein, um Voreingenommenheit zu erkennen und eine ausgewogene Berichterstattung zu gewährleisten.
Das alles sind Gründe, die für den Einsatz von KI sprechen.
Auf einem anderen Blatt steht, dass KI auch
- Fake News und falsche Bilder erzeugen,
- echten Personen falsche Inhalte in den Mund legen und
- diese passgenau in Zielgruppen verbreiten kann.
Motive dafür gibt es nicht selten. Russland hat derzeit großes Interesse, seinen völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine durch Verbreitung von fragwürdigen Meldungen und Informationen in Europa und im eigenen Land zu rechtfertigen.
Mit anderen Worten: KI ist anfällig für Missbrauch. Eingesetzt zur Desinformation kann sie zu einer Gefahr für die Politik und die Demokratie werden.
Der Zugang zu geprüften und nachvollziehbaren Informationen ist ein demokratisches Grundrecht, das nicht verwässert werden darf. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass man erkennen kann, was wahr ist und der Realität entspricht – und was nicht.
Es gehört damit zu den drängenden medienpolitischen Aufgaben, einen verantwortungsvollen Umgang mit KI-Systemen zu unterstützen.
Wir brauchen einen regulatorischen Rahmen, der die Nutzung der positiven Potenziale von KI ermöglicht, ihre destruktiven Wirkungen aber begrenzt und das Ver-trauen in journalistische Inhalte stärkt. Zudem liegt es im öffentlichen Interesse, die mediale Vielfalt und die wirtschaftlichen Grundlagen journalistischer und kreativer Arbeit zu sichern.
Das deutsche Medienrecht ist hier seit 2020 international Vorreiter, etwa mit den Transparenzvorgaben für digitale Intermediäre und mit einer Verpflichtung zur Kennzeichnung von Social Bots.
Mit der EU-Verordnung über die Regulierung von Künstlicher Intelligenz, die zurzeit von der Europäischen Kommission erarbeitet wird, entsteht die weltweit erste um-fassende staatliche Regulierung von KI.
Inhaltlich geht es darum,
- Qualitätsstandards für KI-Systeme zu benennen,
- eine Kennzeichnungspflicht einzuführen,
- Transparenz bei der Entwicklung und beim Training von KI herzustellen,
- Fragen des Urheberrechts zu klären, wenn vorhandene kreative Inhalte durch KI genutzt werden und
- klarzustellen, wer die Verantwortung dafür trägt, wie und zu welchem Zweck KI eingesetzt wird.
Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Neben dem medienpolitischen Rahmen brauchen wir auch Formen der Selbstregulierung und Eigenverantwortung von Digitalunternehmen, dass KI im Sinne der demokratischen Öffentlichkeit entwickelt und eingesetzt wird.
Auch kleinere Anbieter und Entwickler müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und dafür die nötige Unterstützung erhalten.
Hilfreich wäre zum Beispiel ein gemeinsamer branchenspezifischer Ethikkodex, auf den sich alle Entwickler, Anbieter und Anwender von KI-Systemen einigen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
der technologische Wandel verändert die deutsche Medienlandschaft.
Die Sender und Verlage können von den KI-Systemen profitieren, werden damit aber auch abhängiger von der Digitalwirtschaft, die die Technik entwickelt und vertreibt. Um Kontrolle über ihre Inhalte zu behalten, müssen viele Medien die digitale Verbreitung und die Zugänge zu ihren Inhalten anpassen.
Hierzu gibt es bereits Initiativen:
- Das ZDF forscht auf internationaler Ebene zu „unabhängigen Kommunikationsräumen“.
- Pro7Sat1 und RTL kooperieren bei der Vermarktung des hybriden Fernsehens.
- Die dpa stellt anderen Anbietern Daten-Infrastrukturen zur Verfügung.
Auch die Stadt Hamburg reagiert auf die Entwicklungen.
Wir unterstützen zum Beispiel die „Beyond Platforms Initiative“, die ein dezentrales Inhalte-Ökosystem und damit eine Alternative zu zentralen Plattformen entwickelt.
Hamburg hat zusammen mit der dpa eine bundesweite Allianz zur Wahrung der Kommunikationsgrundrechte ins Leben gerufen. #UseTheNews heißt die Initiative, die sich für glaubwürdige Informationsmöglichkeiten und eine Stärkung demokratischer Öffentlichkeit einsetzt.
Wir setzen uns als Stadt in vielen Bereichen dafür ein, dass KI gemeinnützig eingesetzt wird. Hamburg ist Teil eines Pilotprojekts zur KI-basierten Übersetzung behördlicher Texte in Leichte Sprache inklusive entsprechender Bebilderung auf der städtischen Webseite hamburg.de. Die Projektidee „Barrierefreie Information end to end“ wurde gestern auf der re:publica in Berlin ausgezeichnet, der größten Konferenz für die digitale Gesellschaft in Europa.
Sehr geehrte Damen und Herren,
der technologische Fortschritt erfordert von den Medien und ihrem Publikum eine hohe Veränderungsbereitschaft.
Obwohl der Medienmarkt in Deutschland voraussichtlich weiterwachsen wird, wie die Studie German Entertainment and Media Outlook nahelegt, verschiebt sich das Interesse der Nutzer zunehmend von den klassischen Medien zu Unterhaltung und digitalen Angeboten.
Viele Printmedien stehen damit unter einem besonderen Transformationsdruck, denn mit der digitalen Umstellung von Magazinen und Zeitungen tun sich viele Leserinnen und Leser schwer.
Hier kann es sinnvoll sein, die Verlage für eine begrenzte Zeit in Form einer staatlichen Förderung zu unterstützen, um ihnen eine längere Übergangszeit in die digitale Welt zu ermöglichen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Hamburg ist ein starker Medienstandort.
Die Hansestadt ist Heimat von erfolgreichen Marken wie „Spiegel“ und „Zeit“, von Europas größtem Zeitschriftenverlag, der Bauer Media Group, der Tagesschau als bedeutendster deutscher Nachrichtensendung und der Online Marketing Rockstars, dem wohl modernsten Medienunternehmen Deutschlands.
Doch auch in Hamburg ist der wirtschaftliche Druck zu spüren, der aufgrund des technologischen Wandels oder hoher Gewinnerwartungen auf vielen Medienunternehmen liegt.
Die Übernahme von Gruner + Jahr durch die RTL-Gruppe und die Einstellung von über 20 Magazinen sind ein tiefer Einschnitt für die Beschäftigten, für die teils sehr verbundene Leserschaft und für unseren Medienstandort.
Dass RTL sich nun zukünftig in der Hafencity niederlässt, verstehen wir als Bekenntnis zu Hamburg, wo wir auch weiterhin alles tun werden, um den Medienschaffenden und Medienunternehmen ein gutes Umfeld zu bieten.
Bei all diesen Entwicklungen dürfen wir nicht vergessen, dass Journalismus kein Produkt wie jedes andere ist, sondern eine Voraussetzung für das Funktionieren unserer Demokratie.
Zu diesem Bewusstsein und zu einer Qualität der medienpolitischen Debatte, die dieser Bedeutung gerecht wird, leistet der Mediendialog einen wichtigen Beitrag.
Sehr geehrte Mrs. Gennai,
wir sind uns bereits bei meiner USA-Reise im April begegnet und ich freue mich, dass wir Sie heute beim Mediendialog in Hamburg begrüßen können.
Alphabet gehört zu den ersten Digitalunternehmen, die einen eigenen Ethikkodex für den Umgang mit KI verabschiedet haben.
Wir sind gespannt auf Ihre Keynote und ich sage noch einmal: Herzlich willkommen in Hamburg!
Vielen Dank.