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28. Februar 2024

Wachstumskurs für den Hamburger Hafen – Strategische Partnerschaft mit MSC

Rede des Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher. Es gilt das gesprochene Wort.

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Senatskanzlei Hamburg / Jan Pries

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Abgeordnete,

der Senat bittet Sie mit der vorliegenden Drucksache um eine Entscheidung, die neue Perspektiven für die Hafenwirtschaft eröffnet – neue Perspektiven für den Anschluss unseres Hafens an die Entwicklungen im weltweiten Seeverkehr und für die Stärkung der Position Hamburgs als internationale Wirtschaftsmetropole. 

Die aktuellen Zahlen zum Umschlag im Hamburger Hafen unterstreichen noch einmal die Dringlichkeit einer solchen Entscheidung. Handel und maritime Logistik haben eine zentrale Funktion für die Versorgung der privaten Haushalte in Deutschland und für unsere Wirtschaft insgesamt. 

Die Elbe ist seit Jahrhunderten die Lebensader unserer Stadt. Die Entwicklung der modernen Industrie, der Luftfahrt- und der Windenergietechnik in Hamburg wären ohne die Seehafenanbindung nicht möglich gewesen. Ein großer Teil unseres Wohlstandes und Zehntausende Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt von der Stärke unseres Hafens ab.

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist offenbar nötig, auf diese Bedeutung hinzuweisen, weil es immer wieder Vorschläge gibt, die Bedeutung der maritimen Wirtschaft zurückzustufen, die Hafenflächen für andere Dinge zu nutzen und die Hafenfinanzierung aus dem Haushalt der Stadt zurückzufahren. Solche Vorschläge sind mutlos und erfolgen ohne Kenntnis der globalen Entwicklungen. Sie schaden dem Hafen und unserer Stadt.

Als ich 2011 Mitglied des Senats wurde, waren in der Finanzplanung der Stadt keine städtischen Mittel für den Hafen mehr vorgesehen. „Hafen finanziert Hafen“ lautete der schlanke Spruch, mit dem sich der Vorgängersenat aus der Verantwortung ziehen und den Hafen sich selbst überlassen wollte. Wir haben diese Fehlentscheidung korrigiert, die Finanzierung der HPA und der Hafeninfrastruktur aus dem Haushalt wieder aufgenommen und seitdem mehr als zwei Milliarden Euro in den Betrieb, die Sanierung und Modernisierung unseres Hafens investiert.

Eine zweite wichtige Grundsatzentscheidung des Senats war die Abwendung eines Mehrheitsverkaufs der Reederei Hapag-Lloyd an ausländische Investoren, indem wir für 420 Mio. Euro weitere Anteile des damaligen Miteigentümers TUI übernommen haben. Damit konnten wir den Hauptsitz und wesentlichen Geschäftsbetrieb der deutschen Traditionsreederei in Hamburg verankern und als einer der Hauptaktionäre die Stärkung des Unternehmens über einen Zusammenschluss mit weiteren Reedereien aktiv mit steuern. Bis heute trägt Hapag-Lloyd erheblich zur Auslastung des Hamburger Hafens bei. Der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens hat dazu geführt, dass wir in den letzten Jahren Dividenden von mehr als 2,5 Milliarden Euro erhalten haben – das Sechsfache dessen, was wir seinerzeit für die zusätzlichen Anteile bezahlt haben. Die CDU-Fraktion hat damals mit drastischen Worten gegen die Transaktion gesprochen und in der Bürgerschaft im März 2012 gegen die Rettung von Hapag-Lloyd und gegen die Interessen des Hamburger Hafens gestimmt. Deshalb, sehr geehrte Abgeordnete, wenn Sie heute über den Vorschlag des Senats zur Stärkung der HHLA sprechen, denken Sie nicht in Kategorien von Opposition und Regierung, denken Sie an die Zukunft des Hamburger Hafens und seine Bedeutung für unsere Stadt.

Sehr geehrte Abgeordnete,

wir wollen und müssen unseren Hafen fit machen für die Zukunft. Er ist nur deshalb zum größten deutschen Seehafen geworden, weil er sich immer wieder gewandelt und dem Lauf der Zeiten angepasst hat: dem Wandel von der Segel- zur Dampfschifffahrt, der Einführung der Container-Logistik, der Schiffsgrößenentwicklung und der zunehmenden Bedeutung des Güterverkehrs auf der Schiene. Hierzu waren immer wieder Entscheidungen nötig, die Mut und Entschlossenheit erfordern.

Um unseren Hafen wettbewerbsfähig zu erhalten und die Chancen der Zukunft zu nutzen, haben wir in den Hafenentwicklungsplan neue Schwerpunkte aufgenommen: den E-Commerce, den Import regenerativer Energieträger und die Dekarbonisierung der Logistik. Wir bauen derzeit an allen großen Container- und Kreuzfahrtterminals Landstromtechnik auf und müssen in den kommenden Jahren viele Milliarden in die Sanierung, die Modernisierung und den Ausbau der Infrastruktur investieren. Diese Anstrengungen, die wir im städtischen und nationalen Interesse leisten, sind aber wirtschaftlich nur tragbar, wenn die Infrastruktur auch genutzt und ausgelastet wird.

Doch in einem entscheidenden Punkt hat der Hamburger Hafen dem weltweiten Trend in der maritimen Wirtschaft bisher nicht ausreichend Rechnung getragen. In den vergangenen Jahren hat in der Branche eine starke Marktkonzentration stattgefunden. Die zehn größten Reedereien der Welt verfügen heute zusammen über 85 % der globalen Transportkapazitäten. Die Reedereien erweitern ihr Geschäftsfeld über den Seetransport hinaus und beteiligen sich an Containerterminals, um sichere Anlaufpunkte für ihre Schiffe zu haben und ihre Logistikketten zu optimieren. Mit anderen Worten: Sie bündeln die Ladungsströme entlang ihrer Terminals und steuern gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bevorzugt jene Häfen an, in denen sie selbst investiert sind.

Weltweit öffnen sich daher die Häfen und Terminalbetreiber für Reedereibeteiligungen, weil sie wirtschaftlich vernünftig sind, weil sie Ladung binden und weil sie die Auslastung von Terminals sichern. In Rotterdam und Antwerpen beteiligen sich die großen Reedereien seit vielen Jahren an den Terminals und investieren massiv in deren Ausbau und Modernisierung. Das ist unternehmerisch sinnvoll und international etabliert. Auch in Hamburg gibt es bereits kleinere Container-Reedereibeteiligungen: Hapag-Lloyd am Terminal Altenwerder und Cosco am Terminal Tollerort. 

Doch die Ergebnisse des größten Terminalbetreibers in Hamburg zeigen das Problem: Während sich die HHLA in anderen Geschäftsbereichen positiv entwickelt, hat sie im Containerumschlag bereits über einen längeren Zeitraum Marktanteile verloren. Seit dem Börsengang 2007 ist der Kurs der A-Aktien der HHLA von ursprünglich 59 Euro immer weiter gefallen. Er hat sich vom positiv verlaufenden allgemeinen Aktienmarkttrend abgekoppelt und betrug bei der öffentlichen Ankündigung des Übernahmeangebots von MSC Anfang September nur noch 11,25 Euro. Die kürzlich veröffentlichte Mitteilung des Vorstands zum Unternehmensergebnis für 2023 besagt, dass die HHLA im Bereich der maritimen Logistik mittlerweile kaum noch eine Dividende zahlen kann.

Zugleich ist der Investitionsbedarf hoch, die Effizienz und die Auslastung der Terminals müssen verbessert werden. Diese Entwicklung ist für die HHLA und ihre Beschäftigten bedrohlich. Es wäre verantwortungslos, den Dingen weiter ihren Lauf zu lassen. Es ist Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Der Senat hat daher geprüft, was nötig ist, um die HHLA im Wettbewerb der europäischen Seehäfen wieder auf Erfolgskurs zu bringen. 

Dazu sind drei wesentliche Punkte zu berichten:

  1. Die zunächst geführten Gespräche über einen Zusammenschluss der HHLA mit den weiteren norddeutschen Terminalbetreibern Eurogate und der BLG führten vor dem Hintergrund unsicherer Rahmenbedingungen und im Hinblick auf die Interessen der Beschäftigten zu keinem akzeptablen Ergebnis.
  2. Ein Verzicht auf die Mehrheit der Stadt an der HHLA kommt für den Senat nicht in Frage. Die Mehrheitsbeteiligung ist eine wichtige Voraussetzung, um die Entwicklung des Unternehmens und damit auch des Hafens insgesamt mitgestalten zu können und die städtischen Interessen langfristig zu wahren. Dieser Grundsatz sollte aus Sicht des Senats sogar gesetzlich verankert werden - als zusätzliche Sicherheit und Signal an diejenigen, die sich aus der städtischen Verantwortung in wichtigen Bereichen des Gemeinwohls zurückziehen wollen.
  3. Ein alleiniger Verkauf weiterer Hamburger Anteile in einem Bieterverfahren – wie es einige fordern – würde zwar einmalig Geld in die Kasse bringen, die Stadt würde aber weiter an Einfluss auf das Hafengeschäft verlieren. 

Es hat sich seit 2007 vielmehr erwiesen, dass wir keine strategischen Ziele in der Unternehmensentwicklung durchsetzen können, wenn große Teile des Unternehmens im Streubesitz sind. Es war daher erforderlich, einen strategischen Partner zu finden, der die an der Börse gehandelten außenstehenden A-Aktien im Umfang von rund 31 Prozent erwirbt und sich gemeinsam mit der Stadt für eine Stärkung der HHLA einsetzt. Daneben war unsere Erwartung, dass der neue Miteigentümer die Mehrheitsposition der Stadt akzeptiert und dass er in der Lage ist, erheblich zur Ladungsbindung und Auslastung der Hamburger Terminals beizutragen. 

Die weltweit größte Reederei, die Mediterranean Shipping Company MSC, ist dazu bereit.

Ich danke der Senatorin für Wirtschaft und Innovation, Frau Dr. Leonhard, und dem Senator für Finanzen, Herrn Dr. Dressel, sehr, dass sie die Sondierungen und späteren Verhandlungen hierzu erfolgreich geführt haben. Sie haben mit dem jetzt vorliegenden Verhandlungsergebnis unserem Hafen, der HHLA und ihren Beschäftigten eine neue Perspektive eröffnet, um die Arbeitsplätze und die Wertschöpfung der maritimen Wirtschaft in Hamburg zu sichern. Herzlichen Dank für Ihren Einsatz und dieses gute Ergebnis.

Sehr geehrte Damen und Herren,

bereits am 13. September 2023 hat der Senat darüber informiert, mit welchen Eckpunkten die Strategische Partnerschaft der Stadt mit der Reederei MSC verhandelt wurde. MSC ist die größte Containerreederei der Welt. Ihre Flotte umfasst mehrere Hundert Schiffe, die im letzten Jahr über 22 Mio. TEU transportiert haben. Die MSC-Gruppe ist weltweit an 70 Terminals beteiligt. Die Strategische Partnerschaft sieht vor, dass MSC die an der Börse befindlichen 30,75 Prozent der HHLA-Aktien erwirbt und von der Stadt weitere 19,15 Prozent übernimmt. Der hierfür im Übernahmeangebot genannte Aktienpreis von 16,75 Euro liegt deutlich über dem Wert, den die HHLA im vergangenen Jahr verzeichnete. Die Stadt und MSC werden ihre Anteile am Teilkonzern Logistik der HHLA in einer gemeinsamen Beteiligungsgesellschaft bündeln, an der die Stadt mindestens 50,1 %, also die Mehrheit, besitzt. 

Der Teilkonzern Immobilien der HHLA, die sogenannte S-Sparte, ist nicht Bestandteil der Strategischen Partnerschaft. Auch das sei an dieser Stelle noch einmal betont: Alle Rechte und Entscheidungsbefugnisse der HHLA über die Immobilien in der Speicherstadt bleiben zu 100% in der Sphäre der Stadt. Es ist vereinbart, dass die Stadt die Positionen des bzw. der Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden der HHLA besetzt und dass MSC alle wesentlichen deutschen Geschäftszweige in einer neuen Deutschlandzentrale in Hamburg zusammenführt. Gemeinsam wollen wir in den nächsten Jahren erhebliche finanzielle Mittel aufwenden, um Investitionen in die Modernisierung der HHLA zu ermöglichen – Investitionen in Digitalisierung und Klimaschutz, in Leistungsfähigkeit und Effizienz.

Ein entscheidender Punkt der strategischen Partnerschaft besteht darin, dass MSC den Hamburger Hafen zu einem Knotenpunkt seines weltweiten Schifffahrts- und Intermodalnetzes macht, seinen Containerumschlag im Hamburger Hafen schrittweise erhöht und in Zukunft mindestens 1 Million TEU pro Jahr an die HHLA-Terminals bringt. Es wurde vertraglich festgeschrieben, dass die Terminals der HHLA auch weiterhin allen Reedereien diskriminierungsfrei zur Verfügung stehen. Ein Prinzip, das wichtig ist für den Wettbewerb und das auch in vielen anderen Häfen der Welt funktioniert. Die Strategische Partnerschaft mit MSC bei der HHLA geht nicht zu Lasten anderer Kunden und Partner unseres Hafens. Hapag-Lloyd wird Premiumkunde und Premiumpartner des Hamburger Hafens bleiben und auch alle anderen Reedereien sind mit ihrer Ladung herzlich willkommen. 

Wichtig war dem Senat zudem, dass die Interessen der HHLA-Beschäftigten mit den vereinbarten Verträgen umfassend gewahrt sind. Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat wird dauerhaft gesichert. Die umfassende Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen und die Sicherung von Arbeitsplätzen durch eine langfristige Stärkung der HHLA – das sind gute Nachrichten für die Gewerkschaften und die Beschäftigten.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Strategische Partnerschaft der Stadt mit MSC ist eine entscheidende Weichenstellung für unseren Hafen. Sie stärkt die HHLA im internationalen Wettbewerb. Sie greift ein starkes Bekenntnis von MSC zum Hamburger Hafen auf und kann der gesamten maritimen Wirtschaft die Schubkraft geben, die sie in schwierigen Zeiten braucht. Deshalb, sehr geehrte Abgeordnete, wenn Sie in den kommenden Wochen über die vorliegende Drucksache beraten, folgen sie bitte nicht denjenigen, die ihre eigenen oder Einzelinteressen im Blick haben. Denken Sie an das Gemeinwohl, an die Zukunft des Hamburger Hafens und seine Bedeutung für unsere Stadt.

Die Strategische Partnerschaft mit MSC stärkt unseren Hafen. Und was gut für unseren Hafen ist, ist gut für Hamburg.

Herzlichen Dank.