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12. November 2024

Jubiläumsempfang 100 Jahre Bürgertag

Rede des Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher. Es gilt das gesprochene Wort.

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Senatskanzlei

Sehr geehrter Herr Gauck,
sehr geehrte Frau Dr. Gundelach,
sehr geehrter Herr Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen zum Bürgertag 2024 hier im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses.

Mit diesem Empfang würdigt der Senat das Engagement und die Tradition der Bürgervereine in unserer Stadt anlässlich eines besonderen Jubiläums:

Wir feiern heute 100 Jahre Bürgertag.

Die Bürgervereine selbst sind noch älter. Ihre Wurzeln reichen zurück bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts – in eine Zeit des Aufbruchs und des Umbruchs.

Die Industrialisierung veränderte Hamburg rasant. Die Bevölkerung wuchs von rund 130.000 Menschen um 1800 auf etwa 800.000 im Jahr 1900.

Damit verbunden war nicht nur ein stetiges Wachstum der Infrastruktur, sondern auch eine Verschärfung sozialer Probleme.

Der Große Brand in der Altstadt hatte 1842 über 20.000 Menschen obdachlos gemacht.

Die Vorboten der Revolution von 1848/49 lagen in der Luft mit ihrem Ruf nach mehr Freiheit.

Für die Hamburgische Bürgerschaft waren nur Männer wahlberechtigt, wenn sie älter als 25 Jahre waren und Vermögen oder Grundbesitz hatten – insgesamt etwa fünf Prozent der Bevölkerung.

Für die breite Mehrheit war es schwer, ihren Interessen Gehör zu verschaffen.

Viele Menschen waren mit den politischen Verhältnissen und ihren Lebensbedingungen nicht einverstanden.
Sie schlossen sich in Bürgervereinen zusammen, um sich für ihre Nachbarschaft und das Gemeinwesen zu engagieren und gemeinsam ihre Interessen gegenüber der Bürgerschaft und dem Rat bzw. dem Senat zu vertreten.

Der erste Bürgerverein wurde 1843 auf St. Pauli gegründet.

Als 1892 in Hamburg die Cholera-Epidemie ausbrach, gab es bereits über 30 Bürgervereine, die mehrheitlich im „Zentral-ausschuß der Bürgervereine von 1886“ zusammengeschlossen waren und Hilfe für die betroffene Bevölkerung organisierten.

1924, nach dem Ersten Weltkrieg, veranstaltete der Zentralausschuß den ersten Bürgertag.

Man traf sich am Sonntag, den 21. September 1924, im Zoologischen Garten – heute Hagenbecks Tierpark – und hörte Vorträge über „Hamburgische Angelegenheiten“ und den „Wiederaufbau des Hamburger Wirtschaftslebens“.

Seit 1977 lädt der Senat zum Bürgertag ein, nachdem dieser Wunsch aus den Bürgervereinen an den damaligen Ersten Bürgermeister Hans-Ulrich Klose herangetragen worden war.

Am 31. März 1977 empfing er rund 800 Gäste zum ersten Hamburger Bürgertag im Rathaus und begründete damit eine neue Tradition.

Seine damalige Festrede ist auch heute noch aktuell.

Er sprach über die Legitimation der Demokratie und kritisierte die Tendenz zur parteipolitischen Polarisierung.

Demokratisches Engagement müsse sachlich fundiert sein und dürfe sich nicht an Einzelinteressen ausrichten.

Heute gibt es in Hamburg rund 60 Bürger-, Heimat- und Kommunalvereine.

Der „Zentralausschuss Hamburgischer Bürgervereine von 1886“ vertritt etwa 30 von ihnen und bietet eine Plattform für Zusammenarbeit und Austausch.

Gemeinsam repräsentieren die Bürgervereine rund 80.000 Hamburgerinnen und Hamburger, die sich auf lokaler Ebene engagieren.

Hamburgerinnen und Hamburger sind Stadtteilpatrioten im besten Sinne.

Die Themen sind vielfältig:

  • von Tier- und Umweltschutz,
  • über Bildung und Erziehung,
  • Kunst und Kultur,
  • Sozial- und Gemeinwesen,
  • die Pflege der Heimatgeschichte und Denkmäler
  • bis zur Erhaltung der niederdeutschen Sprache und der maritimen Traditionen.

Mit ihren Veranstaltungen, Projekten und Beratungsangeboten sind die Bürgervereine wichtige Anlaufstellen für die Nachbarschaft und für gemeinschaftliche Aktivitäten in den Stadtteilen.

Sie machen auf dringende Themen aufmerksam und stehen im Austausch mit den Bezirksämtern.

Damit übernehmen sie eine wichtige Rolle als Vermittler zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Politik und Verwaltung.

Sehr geehrte Frau Dr. Gundelach,

Ihr persönliches Engagement in diesem Zusammenhang ist beachtlich.

Im Namen des Senats bedanke ich mich sehr herzlich bei Ihnen und allen anderen, die die Tradition der Bürgervereine in unserer Stadt pflegen und unser Zusammenleben dadurch bereichern.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Hamburg hatte nie einen Kaiser, König oder Fürsten. Die Bürgerinnen und Bürger haben ihre Geschicke immer selbst in die Hand genommen.

Jede dritte Hamburgerin bzw. jeder dritte Hamburger engagiert sich heute freiwillig für andere und für unser Gemeinwesen.

Ihre Arbeit ist so vielfältig wie das Leben.

Ehrenamtliches und freiwilliges Engagement stärkt den Zusammenhalt.

Das ist von großer Bedeutung in einer Millionenstadt wie Hamburg, in der Menschen aus über 190 Nationen leben, und in einer Zeit, die geprägt ist von Krisen und geopolitischen Spannungen.

Der Senat fördert Engagement mit einer eigenen „Engagement-Strategie“ auf vielfältige Weise.

Neben der Stärkung der Strukturen vor Ort in den Bezirken gehört dazu auch, ehrenamtliches und freiwilliges Engagement sichtbar machen und es zu würdigen – wie heute.

Seit Anfang 2024 gibt es für engagierte Bürgerinnen und Bürger die Engagement-Karte, mit der sie besondere Angebote und Rabatte in Anspruch nehmen können.

Im „Haus des Engagements“ können sich Vereine, Initiative, Aktive und diejenigen, die es werden wollen, informieren, austauschen und vernetzen.

Im kommenden Jahr soll es in das „Neue Amt Altona“ in der Neuen Großen Bergstraße einziehen.

Sehr geehrter Herr Gauck, 
Sie haben einmal gesagt:

„In Hamburg haben die Menschen ein Gemeinwesen geschaffen, in dem die Demokratie sicher zuhause ist.“

Ich freue mich, dass Sie heute bei uns sind, um mit uns gemeinsam 100 Jahre Hamburger Bürgertag zu feiern und das besondere zivilgesellschaftliche Engagement in unserer Stadt zu würdigen.

Vielen Dank.