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17. September 2024

100 Jahre Wasserstandsvorhersage und Sturmflutwarnung

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Rede des Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher. Es gilt das gesprochene Wort.

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Sehr geehrter Herr Heegewald,
sehr geehrte Damen und Herren,

herzlichen Dank für die Einladung zu dieser Feierstunde anlässlich des 100. Jubiläums der Wasserstandsvorhersage und Sturmflutwarnung in Deutschland. 

Ebbe und Flut gehören zum Leben an der Nordsee dazu.

Sie geben den Takt vor für die Insel- und Küstenbewohner, für die Schifffahrt auf dem Weg in den Hamburger Hafen und für diejenigen, die täglich auf der Elbe und im Hafen zu tun haben.

Seit Urzeiten leben die Menschen auch mit den immer wieder auftretenden Sturmfluten, die in den zurückliegenden Jahrhunderten nicht selten schwere Katastrophen mit großen Zerstörungen und vielen Toten ausgelöst haben. 

Neu war vor hundert Jahren der Plan, nicht nur Deiche zu bauen und sein Hab und Gut in Sicherheit zu bringen, wenn das Wasser außergewöhnlich steigt.

Eine systematische Vorhersage des voraussichtlichen Wasserstandes sollte stattdessen frühzeitig warnen und damit Zeit gewinnen, um sich besser vorzubereiten und von der Flut nicht überrascht zu werden.

So sind es heutzutage eher unbedarfte Touristen oder unaufmerksame Hamburger, die auf ihre in den Fluten parkenden Autos am Museumshafen Oevelgönne oder am Fischmarkt blicken, weil sie die von den Medien verbreiteten Sturmflutwarnungen nicht mitbekommen oder nicht verstanden haben. 

Am Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie liegt es jedenfalls nicht, denn die Experten des BSH analysieren fortlaufend die Lage und teilen die erwarteten Wasserstandshöhen mit.

Rechtzeitig warnen sie

  • vor Sturmfluten mit einem Wasserstand am Pegel St. Pauli von 1,50 m über dem Mittleren Hochwasser,
  • vor schweren Sturmfluten mit 2,50 m
  • oder sehr schweren Sturmfluten mit 3,50 m über dem Mittleren Hochwasser.

Die Anfänge der Wasserstandsvorhersage und des Sturmflutwarndienstes für die Nordsee gehen zurück auf den Ersten Weltkrieg, als die Deutsche Marine für ihre Zwecke Vorhersagen anfertigte.

1924 übernahm die Deutsche Seewarte diese Aufgabe, die Vorgängerin des heutigen BSH.

Über die Jahrzehnte wechselte die Zuständigkeit für Sturmflutwarnungen mehrmals, unter anderem zum Marineobservatorium nach Wilhelmshaven. 

1945 übernahm das Deutsche Institut für Hydrographie den Dienst und seit der Deutschen Einheit 1990 warnt das BSH mit seinen beiden Standorten in Hamburg und Rostock vor den Gefahren an Nord- und Ostsee.

Die Warnung an die Bevölkerung sendete 1924 zunächst der Nordische Rundfunk, kurz: NORAG, eine Vorläuferin des NDR.

Bis heute ist das Radio das wichtigste Medium, um die Menschen bei Sturmflut und anderen Gefahren schnell zu informieren, inzwischen ergänzt durch Cellbroadcast und Warnapps wie NINA oder Katwarn.

Das höchste jemals gemessene Hochwasser in Hamburg trat während der Sturmflut 1976 auf mit 6,45 m über Normalnull am Pegel St. Pauli.

Die Auswirkungen waren nicht so dramatisch wie bei der bekannteren „Helmut-Schmidt-Sturmflut“ von 1962, als der Pegelstand zwar nur 5,70 m über Normalnull erreichte, was aber der Höhe der damaligen Deiche entspracht, so dass sie die großen Überschwemmungen von Wilhelmsburg und Neuenfelde nicht verhindern konnten.

Zudem hatte es in der Nacht eine Panne bei der Nachrichtenübermittlung von der Elbmündung bei Cuxhaven gegeben, sodass in Hamburg die tatsächliche Gefahr unterschätzt und die Bevölkerung nicht ausreichend gewarnt worden war.

Am nächsten Morgen war Hamburg in weiten Teilen nicht wiederzuerkennen.

Ein Großteil des Stadtgebietes – rund ein Sechstel der Fläche – war überflutet. Auch der Rathausmarkt stand unter Wasser.

1976 waren die Deiche bereits erhöht worden auf etwa 7 m. 

Heute sind die Deiche mittlerweile über 8 m hoch. Die Jan-Fedder-Promenade an den Landungsbrücken hat eine Höhe von 8,60 m über Normalnull.

Über 100 Kilometer Deiche schützen die Menschen und Gebiete unserer Stadt. Sie werden kontinuierlich weiter erhöht und verstärkt.

Der Senat arbeitet beim Deichschutz eng mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein zusammen und investiert jedes Jahr rund 20 bis 30 Millionen Euro für diese wichtige Aufgabe.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Sturmflut von 1962 war ein Wendepunkt im Hamburger Hochwasserschutz. Die Stadt hat daraufhin den Katastrophenschutz neu organisiert und den Hochwasserschutz grundlegend verbessert.

Es gibt ein langjährig erprobtes systematisches Vorgehen der Innenbehörde und Katastrophenschutzorganisationen.

Die Behörden und Organisationen stimmen sich über Hamburg hinaus ab: Das BSH ist in Kontakt mit dem Hamburger Sturmflutwarndienst WADI und dem Deutschen Wetterdienst.

Bundespolizei, Bundeswehr und Kräfte anderer Bundesländer können hinzugezogen werden, wenn es erforderlich ist.

Die Menschen auf Sturmfluten vorzubereiten, gehört zu den wichtigsten Schutzmaßnahmen.

In Hamburg werden regelmäßig Sturmflut-Merkblätter in deichgeschützten Gebieten verteilt.

Sie zeigen, welche Bereiche überschwemmt werden können, welche Warnungen es gibt, wo sichere Orte sind und über welche Telefonnummer Notfälle gemeldet werden können.

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit 1962 hat es in Hamburg noch viele Sturmfluten gegeben, den höchsten Pegelstand von 6,45 m über Normalnull – wie bereits erwähnt – 1976.

Aber Todesfälle während einer Sturmflut gab es seit 1962 in Hamburg nie wieder.

Wenn auf der Nordsee der Wind auffrischt, läutet die Sturmflutwarnung des BSH bei uns in Hamburg schon symbolisch die Sturmglocke.

Sie sorgt dafür, dass Schiffe und Seeleute noch sicher in den Hafen kommen oder den Sturm vor der Elbmündung abwarten.

Sie gibt den Behörden vor Ort die Chance, die Menschen im Überflutungsgebiet in Sicherheit zu bringen.

Die Wasserstandvorhersage und Sturmflutwarnung des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrografie schützt die Menschen und wirtschaftliche Werte in Hamburg und an der gesamten deutschen Küste.

Wie man Sturmfluten vorhersagen kann, wie das Wissen über Tidenströme, Wetter und viele weitere Faktoren zusammenwirken, kann man in der Ausstellung „100 Jahre Sturmflutwarnung“ erfahren, die wir heute gemeinsam eröffnen.

Für ihr zuverlässiges, professionelles und hanseatisch unaufgeregtes Wirken in den vergangenen 100 Jahren und für die gute Zusammenarbeit mit der Stadt Hamburg danke ich dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie herzlich.

Ich wünsche Ihnen heute eine schöne Jubiläumsfeier und danke Ihnen schon im Voraus für Ihre wichtige Arbeit in den kommenden 100 Jahren.

Vielen Dank.