Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrter Herr Professor von Wrochem,
sehr geehrte Frau Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrte Frau Melmed,
sehr geehrte Frau Dr. Letterie,
sehr geehrte Damen und Herren,
genau vor 80 Jahren, am 3. Mai 1945, endete für die Hamburgerinnen und Hamburger der Zweite Weltkrieg.
Fünf Tage vor der Kapitulation der deutschen Wehrmacht ergab sich die Hansestadt kampflos den Alliierten.
Ab 13 Uhr galt ein generelles Ausgangsverbot. Am Nachmittag erfolgte der Einmarsch britischer Truppen. Um 18:25 Uhr wurde ihnen vor dem Portal des Rathauses die Stadt offiziell übergeben.
Die Erleichterung über das Ende der Bombardements war groß. Doch ein Tag der Freude war es nicht, denn der Krieg hatte die Stadt in ein großes Elend gestürzt.
Weite Teile Hamburgs lagen in Trümmern. Die Einwohnerzahl war von 1,7 Mio. zu Beginn des Krieges auf 1 Mio. gesunken.
Hinzu kam die Erkenntnis, dass Deutschland eine historische Schuld auf sich geladen hatte und verantwortlich war für die Verwüstung Europas und den Tod von Millionen Menschen.
Die systematische Verfolgung, Deportation, Misshandlung und Ermordung von Jüdinnen und Juden hatte auch in Hamburg stattgefunden.
Doch schon Wochen vor der Kapitulation hatte die SS in der Hansestadt damit begonnen, die Spuren dieser Verbrechen zu beseitigen.
Als die britischen Truppen das KZ Neuengamme erreichten, war es leer. Die Wände der Baracken waren frisch gestrichen.
Die Häftlinge waren auf Todesmärschen in andere Lager oder auf Flüchtlingsschiffe in der Lübecker Bucht gebracht worden, wo sie bei einem Bombenangriff der Alliierten umkamen.
Kinder, an denen grausame medizinische Experimente durchgeführt worden waren, wurden aus dem KZ Neuengamme zur Schule am Bullenhuser Damm gebracht und dort in einem Keller ermordet.
Auch die Folteranlagen waren zerstört und beseitigt worden, ebenso die Akten, in denen die systematische Vernichtung Zehntausender Menschen dokumentiert war.
Die Aufklärung all dieser Verbrechen hat viele Jahre und Jahrzehnte gedauert, denn der Nachkriegsgesellschaft fehlten hierzu der Mut und die Bereitschaft.
Die Täter setzten alles daran, unentdeckt zu bleiben und ihre Beteiligung an den nationalsozialistischen Verbrechen zu vertuschen.
Das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers wurde nach dem Krieg als Gefängnis weiter genutzt.
Über viele Jahrzehnte haben sich ehemalige Häftlinge zusammen mit der Vereinigung „Amicale Internationale de Neuengamme“ dafür eingesetzt, dass hier eine würdige Gedenkstätte errichtet wird.
Heute ist das ehemalige KZ Neuengamme eine der größten Gedenkstätten in Deutschland.
Gemeinsam mit weiteren Gedenkstätten und Geschichtsorten in Hamburg leistet es einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur in Deutschland – als ehrendes Andenken an die Opfer des Nationalsozialismus und als Mahnung für die kommenden Generationen.
Im Namen des Senats danke ich der Stiftung „Hamburger Gedenkstätten und Lernorte“, ihren Förderern und allen Forschenden sehr herzlich für ihr Engagement und ihre Arbeit.
Sehr geehrte Damen und Herren,
anlässlich des 80. Jahrestags des Kriegsendes in Hamburg und der sogenannten „Befreiung“ des KZ Neuengamme sind Überlebende und Angehörige aus zahlreichen Ländern zu uns nach Hamburg gekommen.
Ich begrüße Sie sehr herzlich in der Freien und Hansestadt Hamburg, die heute eine vielfältige internationale Metropole ist, in der sich eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit einsetzt und aktiv für Demokratie und Freiheit stark macht.
Es ehrt uns, dass wir diesen besonderen Tag mit ihnen gemeinsam begehen können, um zu gedenken, aber auch, um zu mahnen, die Lehren aus der Geschichte zu ziehen.
Um daran zu erinnern, dass die nationalsozialistischen Verbrechen und der Holocaust begonnen haben mit Diskriminierungen, Populismus und menschenfeindlicher Propaganda, die dann in kurzer Zeit zur Aushöhlung von Demokratie und Rechtsstaat, zu systematischem Rassismus und Menschenverachtung geführt haben.
Auch heute begegnen uns wieder Populismus, Diskriminierungen und Menschenfeindlichkeit auf vielfältige Weise.
Der 80. Jahrestag des Kriegsendes mahnt uns, diesen Tendenzen entschlossen entgegenzutreten.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ lautet der Artikel, den die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes im Angesicht der historischen Erfahrung und des Schreckens des Nationalsozialismus an die erste Stelle gesetzt haben.
Er ist der Grundpfeiler unserer freiheitlichen, demokratischen Grundordnung und zugleich eine Verpflichtung für alle Bürgerinnen und Bürger.
Denn Demokratie und Freiheit lassen sich nicht allein durch Gesetze und Gerichte verteidigen.
Wir alle müssen jederzeit dafür eintreten – durch konsequentes Handeln gegen Antisemitismus, Populismus und jede Form der Diskriminierung, mit einer klaren Haltung für Toleranz, Humanität und Freiheit.
Vielen Dank.