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13. Mai 2025

Senatsempfang zum Mediendialog Hamburg 2025

Rede des Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher. Es gilt das gesprochene Wort.

Senatskanzlei

Sehr geehrter Herr Dr. Kermani,
sehr geehrte Frau Atalay,
sehr geehrte Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen zum Senatsempfang anlässlich des Mediendialogs 2025.

Hamburg hat den Mediendialog 2011 ins Leben gerufen, um ein Forum für die Diskussion über den Medienwandel und seine gesellschaftliche Bedeutung zu schaffen. 

Die Idee war eine Antwort auf technische Innovationen und den wachsenden Einfluss international agierender Plattformen, die sich seit der Gründung von Facebook im Jahr 2004 rasant entwickelten:

  • 2005 wurde Youtube gegründet,
  • 2006 Twitter,
  • 2007 und 2008 kamen die Smartphones auf Basis von IOS und Android auf den Markt.
  • Seit 2009 gibt es den Messaging-Dienst Whatsapp und
  • seit 2010 Instagram.

Innerhalb weniger Jahre haben der Medienkonsum und der digitale Alltag grundlegend geändert. Die Auswirkungen erstreckten sich auf fast alle Lebensbereiche, auf die berufliche und private Kommunikation, auf die Wirtschaft und insbesondere auf die Medienbranche selbst, die sich vollständig neu orientieren und aufstellen musste.

Einige Jahre später zeichnete sich die Bedeutung der Künstlichen Intelligenz ab, die bereits Thema des Mediendialogs war und eine weitere Welle weitreichender Veränderungen in der Medienlandschaft auslöst.  

Der Mediendialog hat diese digitale Revolution im Medienbereich eng begleitet und dabei auch die gesellschaftliche Dimension gezielt in den Blick genommen.

Dabei geht es aktuell nicht nur darum, wie technologische Innovationen die Medien und die Gesellschaft verändern. Auch die weltweiten politischen Entwicklungen wirken sich auf die Medienbranche aus und treiben sie teilweise geradezu vor sich her.

Autokratische Regierungen, radikale Kräfte und populistische Parteien setzen gezielt soziale Medien ein, um das gesellschaftliche Klima anzuheizen, die Pressefreiheit in Frage zu stellen und die liberale, regelbasierte Ordnung anzugreifen, die in vielen Ländern Freiheit und Demokratie gesichert, zu Wohlstand und Bildung geführt hat.

Die Pressefreiheit befindet sich heute – laut Reporter ohne Grenzen – auf einem „historischen Tiefstand“. In jedem zweiten Land der Welt gilt die Lage als „schwierig“ oder „sehr ernst“. Journalistinnen und Journalisten werden bedroht oder verfolgt. Sender und Verlage stehen unter politischem und wirtschaftlichem Druck, der unabhängige Berichterstattung verhindert oder erschwert.

Auch die Demokratie verliert weltweit an Boden: So wenige demokratisch regierte Länder und so viele Autokratien wie heute gab es nach einer Analyse der Bertelsmann-Stiftung seit zwanzig Jahren nicht.

In dieser internationalen Lage wiegt es besonders schwer, dass selbst die Regierung des einst treuesten Verbündeten Europas die Werte, die uns seit 200 Jahren verbinden, mehr und mehr untergräbt. 

Die USA sind die älteste Demokratie der Welt und haben 1796 als zweites Land nach Schweden die Pressefreiheit eingeführt, die sie heute im eigenen Land in Frage stellen: Unliebsame Journalisten werden von Informationsmöglichkeiten ausgeschlossen, öffentlichen Sendern die Mittel gestrichen, Medienunternehmen durch Klagen wirtschaftlich unter Druck gesetzt. 

Zugleich baut ein US-Tech-Milliardär seine mediale Marktmacht aus und verfolgt offen eine politische Agenda ohne jede demokratische Legitimation.  

Die Machtkonzentration der US-amerikanischen Tech-Branche und ihre Verschränkung mit der Politik sind aus europäischer Sicht höchst problematisch.

Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen schreibt, dass dadurch in den USA eine Art digitaler Feudalismus entstehe „geprägt von Opportunismus und Ideologie, getarnt als Big-Tech-Vision. … Es ist ein Angriff, der geeignet ist, die Pressefreiheit zu gefährden und den Marktplatz der Ideen, diesen verletzlichen Kosmos von Diskurs und Argument, zu zerstören.“ 

Sehr geehrte Damen und Herren,

es gehört zu den großen Aufgaben unserer Zeit, der libertären Entfesselung etwas entgegenzusetzen und die vielfältige und unabhängige europäische Medienlandschaft zu verteidigen – gegen Angriffe von innen und von außen. Denn auch in manchen europäischen Ländern wird die Presse durch Klagen unter Druck gesetzt und der politische Einfluss auf Öffentlich-Rechtliche Sender verstärkt.

Deutschland liegt im Ranking der Pressefreiheit noch weit vorne auf dem 11. Platz, hat sich aber leicht verschlechtert, was vor allem auf Angriffe aus dem rechtsextremen Umfeld zurückgeführt wird.

Der zunehmende Druck auf unabhängige Medien ist eine große Gefahr für die demokratische Öffentlichkeit, die darauf angewiesen ist, dass wahrheitsgemäße Informationen für jeden zugänglich sind und Fake News sich nicht ungehindert verbreiten können. 

Deshalb sagen wir beim Mediendialog in Hamburg: Nur Mut, Europa!

Mut, den destruktiven Tendenzen entgegenzutreten. Mut, einen eigenen Weg zu gehen und die Grundsätze der Meinungsfreiheit und Medienvielfalt hochzuhalten.  

Mut und Zuversicht sind nicht unbegründet.

Europa hat in den letzten Jahren immer wieder bewiesen, dass es stark ist und große Herausforderungen meistern kann:

  • 2008 in der Finanzkrise,
  • 2012 in der Staatsschuldenkrise,
  • 2015 während der großen Flüchtlingsbewegungen,
  • 2020 mit der Bewältigung der Corona-Pandemie,
  • 2022 nach dem russischen Überfall auf die Ukraine mit den Auswirkungen auf die Energieversorgung und die Sicherheitspolitik.

Europa hat sich dabei als widerstandsfähig erwiesen, es hat zusammengestanden und ist zu einem eigenständigen Akteur zwischen den großen Mächten der Welt geworden.

Trotz populistischer Parteien und der mit ihnen verbundenen Europa-Skepsis ist die EU bei ihren Mitgliedern so beliebt wie nie. Im aktuellen Euro-Barometer gaben über 70 Prozent der Befragten an, dass ihr Land von der EU profitiere – das ist der höchste Wert seit Beginn der Befragung im Jahr 1983.

Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger will mehr Investitionen in die Sicherheit und Wirtschaftsfähigkeit – und traut der EU auch zu, dieses umzusetzen.

Europa steht für Frieden, Demokratie und Menschenrechte und es steht für Meinungs- und Pressefreiheit.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit werden die vorderen 15 Plätze ausschließlich von europäischen Ländern belegt. 

Europa hat zahlreiche Medienhäuser, die hohe journalistische Ansprüche vertreten und unsere kulturelle Vielfalt zeigen: Global agierende Medienkonzerne wie Bertelsmann und Vivendi sowie viele international angesehene Zeitungen und Magazine wie Le Monde, El País, La República, The Guardian, Die Zeit und viele weitere.

Die meisten europäischen Länder haben ein duales System aus privaten sowie öffentlich-rechtlichen Medien, die ein breites Spektrum an Meinungen abbilden.

Aber gerade an der Frage, was Meinungsfreiheit bedeutet und wie weit die Maßnahmen zu ihrem Schutz eingreifen dürfen, entzündet sich zurzeit eine heftige Debatte.

Tatsächlich befassen sich deutsche Gerichte immer wieder mit der Frage, was von der Meinungsfreiheit noch und was nicht mehr gedeckt ist, also zum Beispiel die Frage, wieviel Kritik oder Herabsetzung eine Person aushalten muss. 

Hier wird dem einzelnen einiges zugemutet. Allerdings gibt es eine Grenze, die nicht überschritten werden darf. Falschbehauptungen, Einschüchterungen, Bedrohungen oder Herabwürdigungen überschreiten die Grenze der Meinungsfreiheit.

Denn freie Rede bedeutet auch, die Persönlichkeitsrechte anderer zu wahren und den Raum der demokratischen Öffentlichkeit so zu schützen, dass alle am Diskurs teilnehmen können, ohne in Bedrängnis zu geraten. 

Das Recht des einzelnen wird abgewogen mit dem Recht der anderen sowie der Gemeinschaft, die Strukturen braucht, in denen alle Menschen sich frei entfalten und ihre demokratischen Rechte ausüben können.  

Das ist ein wichtiger Leitgedanke der Regulierungen, mit denen die EU-Kommission versucht, das Internet zu einem rechtssicheren Raum zu machen, in dem Verbraucher und Nutzer vor Betrug, Hass, Fake News, vor illegalen Inhalten und Machenschaften geschützt werden. 

In der Praxis ist dies oft komplizierter als gedacht.

Der Digital Services Act, mit der Plattformen, die im Internet Dienstleistungen und Waren anbieten, haftbar gemacht werden können, galt bei seiner Einführung 2024 vielen als Meilenstein, mit dem endlich Recht und Gesetz auf den Plattformen einziehen. Der damalige Binnenmarktkommissar Thierry Breton nannte es das „Grundgesetz für das Internet“.

Inzwischen ist Ernüchterung eingetreten. Die Durchsetzung der Regeln erweist sich als schwierig. Unternehmen klagen über eine Zunahme der Bürokratie. Manche fürchten, dass hierdurch Innovationen ausgebremst werden. Hinzu kommt, dass viele Regulierungen global abgestimmt werden müssten, damit sie tatsächlich greifen.

Ähnliche Einwände gibt es auch gegen die europäische Datenschutzverordnung und die Reform des Urheberrechts im digitalen Binnenmarkt (2019).  

Alle diese Einwände sind bedenkenswert, doch es braucht eben Regeln, die dem Schutz der Verbraucher, Nutzer und Urheber sowie dem Erhalt unserer demokratischen Werte dienen.

Die Regulierung des digitalen Raums ist ein Schritt der Zivilisierung und eine Absage an das Recht des Stärkeren. Sie ist ein wichtiger Beitrag Europas zur Gestaltung der digitalen Welt und sollte als „European Way“ weiterverfolgt werden.

Der Weg wird umso erfolgreicher sein, wenn Europa noch mehr Trümpfe auf der Hand hat als Regulierungen und demokratische Werte. Zum Beispiel mit der Gestaltung des großen Transformationsprozesses, den die Künstliche Intelligenz angestoßen hat.

Künstliche Intelligenz beschleunigt die Produktion und revolutioniert die Arbeitsprozesse. Sie ermöglicht die Personalisierung von Inhalten, aber auch Faktenchecks und Recherchen in einem Umfang, der bislang viel Zeit gekostet hätte. 

Dafür zu sorgen, dass wir mehr Spielräume und weniger Abhängigkeit von den großen US-Plattformen haben, dass mehr Startups, neue Tools und andere Innovationen aus Europa kommen, das wäre eine schlagfertige Antwort auf den libertären Zeitgeist, der Europa zu schaffen macht und unsere Zukunft gefährdet.

Sehr geehrte Damen und Herren,

beim Mediendialog 2025 dürfen wir gleich einen besonderen Gast begrüßen: den Schriftsteller und Publizisten Navid Kermani.  

Er ist Orientalist, kennt sich aber mit dem Christentum nicht weniger aus als mit dem Islam und ist dadurch ein Mittler zwischen den Kulturen. Als Reporter hat Navid Kermani immer wieder aus Kriegs- und Krisengebieten berichtet – unter anderem aus der Ukraine.

Zum 65. Jahrestag des Grundgesetzes hat er vor dem Deutschen Bundestag eine Rede gehalten, die von einer großen Wertschätzung für unsere Verfassung geprägt war.

Sehr geehrter Herr Dr. Kermani,

im Namen des Senats noch einmal herzlich willkommen in Hamburg, wir sind gespannt auf Ihre Rede.

Ich wünsche uns einen interessanten Mediendialog, einen freundlichen Abend im Rathaus und allen auswärtigen Gästen einen schönen Aufenthalt in Hamburg.

Vielen Dank.

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