Sehr geehrter Herr Regenbogen,
sehr geehrter Herr Specht,
sehr geehrte Mitglieder des Vorstands, Unterstützer und Gäste des Vereins Hamburger Tafel,
vielen Dank für die Einladung zum 25-jährigen Jubiläum der Hamburger Tafel.
Die Idee der Tafeln stammte ursprünglich aus New York, wo 1982 eine Organisation namens „City Harvest“ damit begonnen hatte, übrig gebliebene, aber noch essbare Lebensmittel an bedürftige Menschen zu verteilen.
Nach Deutschland kam dieses Modell erstmals 1993 in Berlin und kurz darauf auch nach Hamburg, als Annemarie Dose die Idee aufgriff und am 7. November 1994 in der „Fabrik“ in Altona die Hamburger Tafel gründete. Zu diesem Zeitpunkt feierte gerade die Obdachlosenzeitschrift Hinz&Kunzt ihr einjähriges Bestehen.
Durch die mediale Aufmerksamkeit boten zahlreiche Unternehmen spontan Lebensmittelspenden an. Auch ein erster Kühlwagen und ein erstes Büro wurden durch Spenden ermöglicht. In kürzester Zeit entstand eine Hilfsorganisation, die sehr schnell viel Unterstützung bekam und an der sich viele andere orientierten.
Dies liegt an der großen Plausibilität und Überzeugungskraft der Idee, gegen die niemand etwas einwenden kann, weil es eben uneingeschränkt sinnvoll und grundlegend wichtig ist, allen eine gute Ernährung zu ermöglichen.
Aber auch die besten Ideen entfalten ihre Wirkung nur dann, wenn sie auch gut umgesetzt werden, vor allem wenn das System größer und dadurch vielleicht doch nicht mehr so leicht zu organisieren ist. Effektive Strukturen bilden die Grundlage für die herausragende Arbeit der Hamburger Tafel. Sie bezeichnet sich selbst als „soziales Logistikunternehmen“.
Über 40 Tonnen Lebensmittel bringt die Hamburger Tafel jede Woche an die Vergabestellen, wo sie an bedürftige Menschen in unserer Stadt verteilt werden. Lebensmittel, die zuvor von Läden, Restaurants, Hotels eingesammelt und häufig erst zwischengelagert werden müssen. Dazu koordiniert die Hamburger Tafel 600 Fahrten pro Woche. 13 Lieferwagen fahren regelmäßig 27 Ausgabestellen und 65 weitere Einrichtungen an.
Man kann schnell erkennen, dass es ist nicht nur eine großartige Idee, sondern eine logistische Meisterleistung ist, die wenige Hauptamtliche und etwa 100 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern umsetzen.
Die Hamburger Tafel steht für Respekt und einen würdevollen Umgang mit bedürftigen Menschen. Wer Lebensmittel von der Tafel nimmt, wird als Kunde oder Gast bezeichnet und behandelt. Für viele Menschen, die sich am Rande der Gesellschaft oder in Notsituationen befinden, sind die Ausgabestellen der Tafeln auch ein Treffpunkt, an dem sie Kontakte finden und sich einbringen können.
Nicht wenige Gäste engagieren sich zugleich selbst für die Tafel, unter ihnen auch viele Ältere oder Menschen, die durch Flucht oder Migration aus einem anderen Land nach Hamburg gekommen sind. Über die Hamburger Tafel erleben sie eine Willkommenskultur und Gastfreundschaft erleben, die unserer internationalen Stadt alle Ehre macht.
Das Hamburger Modell, das den würdevollen Umgang genauso wichtig nimmt wie die praktische Hilfe, war ein Vorbild für viele ähnliche Initiativen in anderen Städten. Inzwischen gibt es in Deutschland über 900 Tafeln mit 60.000 überwiegend ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer.
Meine Damen und Herren,
die Hamburger Tafel leistet viel für ein gutes Miteinander in unserer Stadt. Sie ist eine wichtige Ergänzung staatlicher Fürsorge. Teilweise kooperiert die Tafel mit den Behörden, beliefert zum Beispiel Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe und Unterkünfte für Zuwanderer.
Die Stadt versucht die Tafel ihrerseits zu unterstützen, etwa wenn es um Räume und Lagerflächen geht. Wir wissen, die Verantwortung für gerechte Chancen und gute Lebensperspektiven liegt nicht in erster Linie bei Privatpersonen oder ehrenamtlichen Initiativen, sie liegt bei der Politik.
Trotzdem ist die privat getragene, ehrenamtliche Hilfe eine wichtige Ergänzung zu den staatlichen Angeboten.
Im vergangenen Jahr haben über 1,6 Millionen Menschen in Deutschland das Angebot der Tafeln genutzt – zehn Prozent mehr als im Jahr davor. Die Tafeln hätten aber noch mehr Möglichkeiten, wenn ihnen noch mehr Lebensmittel zur Verfügung stünden.
Hamburg setzt sich im Bundesrat deshalb für eine gesetzliche Verpflichtung zum Spenden von nicht verkauften, aber noch essbaren Lebensmitteln ein. Auch wenn diese Initiative im Bundesrat bisher keine Mehrheit gefunden hat, bleiben wir dran. Warum sollte, was in Frankreich, Belgien, Italien und Tschechien möglich ist, nicht auch in Deutschland möglich sein?
Meine Damen und Herren,
vor einigen Wochen hat der Hamburger Senat erstmals im Rathaus einen neuen Preis verliehen. Er zeichnet junge, gemeinnützige Initiativen aus, die dazu beitragen, Benachteiligungen zu beseitigen und Menschen in wirtschaftliche Not und schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen.
Der vom Senat gestiftete Preis heißt Annemarie-Dose-Preis. Er wird in Zukunft regelmäßig verliehen und soll an die Person und die Arbeit der Gründerin der Hamburger Tafel erinnern.
Ich danke allen, die das Werk von Annemarie Dose fortführen und weiterentwickeln, also allen Haupt- und Ehrenamtlichen, allen Spendern und Unterstützern der Hamburger Tafel.
Herzlichen Glückwunsch zum 25-jährigen Jubiläum und alles Gute für die Zukunft!