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6. Mai 2022

Großer Übersee-Tag: 100 Jahre Übersee-Club Hamburg

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Rede des Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher. Es gilt das gesprochene Wort.

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Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrter Herr Behrendt,
sehr geehrte Botschafterinnen und Botschafter,
sehr geehrte Mitglieder des Konsularkorps Hamburg,
sehr geehrte Frau Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages,
sehr geehrte Frau Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrter Ehrenbürger,
sehr geehrter Präses der Handelskammer,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

im Namen des Senats begrüße ich Sie herzlich im Hamburger Rathaus.

Nach über zwei Jahren Pandemie können wir uns zum Großen Überseetag erstmals wieder ganz analog und persönlich versammeln – so wie am 6. Mai 1950, als der Überseetag zum ersten Mal veranstaltet wurde, genau hier im Großen Festsaal.

Die Menschen litten noch sehr unter den Umständen der Nachkriegszeit und einer großen Wohnungsnot. Ganze Stadtteile Hamburgs waren zerstört, darunter auch weite Bereiche des Hafens.

Kaispeicher, Gleise und Werftanlagen waren zerbombt, auf dem Grund der Elbe lagen Tausende Schiffswracks.

Durch die Teilung Deutschlands und die Abschottung Osteuropas im Zuge des Kalten Krieges hatte Hamburg einen Großteil seines traditionellen Hinterlandes verloren.

In seiner Eröffnungsrede sagte Bürgermeister Max Brauer damals: „daß wir Hamburg als die Metropole des Handels wieder erstehen sehen wollen, daß wir es wollen nicht nur um Hamburgs willen, sondern um Deutschlands, um Europas willen.“

Mit diesen Worten beschrieb er, dass unsere Stadt untrennbar verbunden ist mit ihrem Hafen und dem Handel, der seit jeher das Fundament für Wirtschaft und Wohlstand in Hamburg bildet.

Und er verwies auf die nationale Bedeutung unseres Hafens, der bis heute die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt mit den internationalen Märkten verbindet, der uns – wie ich in meiner Rede vor einigen Wochen im Übersee-Club ausführen konnte – Stärke, Sicherheit und Unabhängigkeit gibt.

Max Brauer sprach darüber, wie freier Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu Stabilität und Frieden in der Welt beitragen können.

Diese Motive bewegten auch die Gründung des Übersee-Clubs 1922, als die Schrecken des Ersten Weltkrieges noch tief im Bewusstsein der Menschen waren.

Eine „Gesellschaft für wirtschaftlichen Wiederaufbau und Auslandskunde“ sollte der Übersee-Club werden, um die internationalen Wirtschaftsbeziehungen Hamburgs wieder aufzunehmen, sie auszubauen und für freien Handel in der Welt einzutreten.

Die Gründungsmitglieder verpflichteten sich zugleich zur Förderung von Frieden und Freiheit, von Dialog und Völkerverständigung, von Demokratie und Toleranz.

Genau das, was derzeit durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine in grausamer Weise in Frage gestellt wird.

Deshalb freue ich mich sehr über die große Unterstützung, die der „Pakt für Solidarität und Zukunft“ zwischen Kyiv und Hamburg erfahren hat, den Bürgermeister Vitali Klitschko und ich vor kurzem unterzeichnet haben.

Es geht dabei jetzt um dringend benötigte humanitäre Hilfe und in einem zweiten Schritt – ab dem Zeitpunkt, zu dem der Wiederaufbau beginnen kann – um eine strategische Partnerschaft zwischen zwei wichtigen Metropolen, die ihre künftige Entwicklung gemeinsam voran bringen wollen.

Ob als Unternehmen, Verein oder Privatperson – es gibt viele Wege, die Menschen in Kyiv und der Ukraine in dieser schweren Zeit zu unterstützen.


Meine sehr geehrten Damen und Herren,

der Übersee-Club versteht sich als Forum für den politischen und gesellschaftlichen Diskurs. Er bringt Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen, um eine Aussprache über grundlegende Fragen der Zeit und ihre Bedeutung für Hamburg zu ermöglichen und damit Orientierung zu geben für die Zukunft.

In seiner 100-jährigen Geschichte wurden im Übersee-Club über 1.000 Vorträge gehalten. Bedeutende Persönlichkeiten der Zeitgeschichte haben vor den Mitgliedern des Übersee-Clubs gesprochen, darunter alle Bundespräsidenten und ehemaligen Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. 

Als besondere Tradition hat sich dabei ergeben, dass auch der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg als Gast des Übersee-Clubs über Themen spricht, die für unsere Stadt und ihre Zukunft eine besondere Bedeutung haben.

Bürgermeister Paul Nevermann hat hier 1961 einen Hamburger Aufbauplan vorgestellt, auf dessen Grundlage ein umfassendes Wohnungsbauprogramm begonnen wurde und ganze Stadtteile neu entstanden sind.

Klaus von Dohnanyi hat 1983 das Prinzip des „Unternehmens Hamburg“ erläutert, einer neuen „Hamburg-Politik“, die neben der Wirtschaft in vielen weiteren Bereichen unternehmerisches Handeln und Wettbewerb als Maßstab nehmen sollte.

Henning Voscherau hat 1997 einen Vortrag gehalten zur Rückkehr der inneren Stadt an das Elbufer und den Bau der HafenCity angekündigt.

2017 hat der damalige Erste Bürgermeister Olaf Scholz, mit seiner Rede „Hamburg – Eine Metropole der Wissenschaft im Norden“ die Grundlinien einer neuen Wissenschaftspolitik vorgestellt, mit der wir zahlreiche neue wissenschaftliche Institute in Hamburg ansiedeln konnten, mit der unsere Universität den Exzellenzstatus erreicht hat und mit der wir eine ScienceCity Bahrenfeld entwickeln, die uns zu einem führenden Zentrum der naturwissenschaftlichen Wissenschaft und Forschung im Norden macht.

Ich bedanke mich, dass ich 2019 den Rahmen des Übersee-Clubs nutzen konnte, um eine moderne, technologiebasierte Klimaschutzpolitik anzukündigen, die wir in Hamburg seitdem sehr erfolgreich umsetzen und die jetzt auch bundesweit Freundinnen und Freunde gefunden hat.

Erst vor wenigen Wochen habe ich eine Rede zur Bedeutung und zur Zukunft unseres Hafens gehalten, die viele weitere konkrete Entscheidungen im Sinne einer neuen Hafenpolitik nach sich ziehen wird. Eine Politik, die die enormen Potenziale einer modernen maritimen Logistik und Hafenwirtschaft nutzt, die irrationale Blockaden gegen unseren Hafen überwindet und seiner Bedeutung für Hamburg und ganz Deutschland gerecht wird.

Es war mir wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren,

gerade dieses Thema im Übersee-Club anzusprechen, denn die Vorträge in Ihrem Club wirken in die gesamte Stadt hinein. Sie erzeugen auf vielfältige Weise Resonanz und können dadurch etwas bewegen.

Der Übersee-Club Hamburg hat sich damit seit seiner Gründung vor 100 Jahren zu einer besonderen Institution entwickelt, zu einem „Raum für Zukunft“, wie Herr Behrendt sagt, der wichtige Impulse gibt für den Fortschritt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt – in Hamburg und darüber hinaus mit dem Blick „über See“.

Viele Mitglieder des Clubs engagieren sich zugleich in vielfältiger Weise für unsere Stadt, für Bildung und Wissenschaft, für Kunst und Kultur.
Dafür danke ich Ihnen sehr herzlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

in seiner 100-jährigen Geschichte hat sich der Übersee-Club Hamburg sehr verdient gemacht um die internationale Verständigung.

In Kooperation mit zahlreichen Partner-Clubs setzt er sich dafür ein, dass die europäische Staatengemeinschaft und viele weitere Länder auf der Welt zusammenstehen, dass sie gemeinsam für Demokratie, Frieden und Freiheit eintreten.

Nichts ist in diesen Wochen aktueller als dies.

 
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

der Angriff Russlands auf die Ukraine hat das Fundament der europäischen Friedens- und Sicherheitsordnung erschüttert.

Die Reaktion der Bundesregierung erfolgte schnell und entschlossen, in enger Abstimmung mit den Partnern in der Europäischen Union, der NATO und den G7-Staaten. Gemeinsam wurden harte Sanktionen gegen Russland beschlossen, die fortlaufend verstärkt werden. Zugleich hat die Bundesregierung eine breite Unterstützung für die Ukraine mobilisiert.

Deutschland beteiligt sich umfangreich an den Waffenlieferungen an die ukrainischen Truppen. Die Bundeswehr soll modernisiert und besser ausgerüstet werden, um unseren Beitrag zum NATO-Bündnis zu erhöhen und Deutschlands Verteidigungsfähigkeit zu stärken.
Im Lichte der historischen Verantwortung unseres Landes sind das keine einfachen Entscheidungen.
Aber es sind notwendige und richtige Entscheidungen für Frieden, Freiheit und Demokratie in Europa.


Meine Damen und Herren,

Ich gratuliere dem Übersee-Club Hamburg sehr herzlich zum 100-jährigen Jubiläum und wünsche Ihnen einen interessanten 72. Großen Überseetag mit einer Rede des Kanzlers der Bundesrepublik Deutschland.

Herzlichen Dank.