Sehr geehrte Frau Strout,
sehr geehrte Frau Lenz,
sehr geehrter Herr Berg,
sehr geehrte Frau von Arnim,
sehr geehrte Ehrenbürgerin Frau Dr. Boie,
sehr geehrte Damen und Herren,
herzlich willkommen im Hamburger Rathaus zur Verleihung des Siegfried Lenz Preises 2022.
Mit dem Siegfried Lenz Preis werden seit 2014 international bedeutende Schriftstellerinnen und Schriftsteller geehrt, deren Schaffen im Sinne des Stifters von einem Geist der Versöhnung, Mitmenschlichkeit und Toleranz geprägt ist.
Nach Amos Oz aus Israel, Julian Barnes aus Großbritannien, Richard Ford aus den USA und Ljudmila Ulitzkaja aus Russland geht der Preis in diesem Jahr an die US-amerikanische Autorin Elizabeth Strout.
Elizabeth Strout gehört zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen der USA. Ihre Romane werden millionenfach gelesen und mit vielen Preisen geehrt, unter anderem mit dem Pulitzer-Preis. Auch in Deutschland standen sie schon auf den Bestsellerlisten.
Mit Elizabeth Strout geht der Siegfried Lenz Preis in diesem Jahr zum zweiten Mal in die USA und damit in ein Land, das der Preisstifter aus eigener Anschauung kannte.
Siegfried Lenz war 1962 auf Einladung des deutschen Botschafters durch das Land gereist und hat darüber Tagebuch geführt. Es wurde erst 2012, 50 Jahre nach der Reise, veröffentlicht und zeigt einen nachdenklichen jungen Schriftsteller, der vor dem Hintergrund der Kuba-Krise und großer politischer Spannungen die Begegnung mit den Menschen sucht und sich für ihren Alltag interessiert.
Die Bücher von Elizabeth Strout spielen meistens in Neuengland, zwischen der Enge der Kleinstadt und der Sehnsucht nach der großen Welt. Sie gilt als gute Menschenkennerin, die besondere Charaktere beschreibt und einen ungeschönten Blick auf die amerikanische Gesellschaft wirft. Sie erzählt von Menschen, die sich aus armen Verhältnissen emporgearbeitet haben, aber trotzdem nur mit Mühe am Wohlstand teilhaben können. Der Versuch, den amerikanischen Traum vom sozialen Aufstieg zu schaffen, endet nicht selten in einem Leben voller Zwänge und vergeblicher Anstrengung.
Mit Siegfried Lenz teilt Elizabeth Strout die Fähigkeit, die Eigenarten und Unzulänglichkeiten ihrer Figuren so zu beschreiben, dass sie nachvollziehbar werden. Beide zeichnen sich durch eine unaufgeregte Sprache und einen versöhnlichen Blick auf die Menschen aus.
Die Romane von Elizabeth Strout stehen im Kontrast zur aufgeheizten Stimmung dieser Zeit. Sie erleichtern es, die Beweggründe von Menschen nachzuvollziehen, ohne gleich über sie zu urteilen. Damit tragen sie zum Verständnis der USA und anderer westlicher Gesellschaften bei, in denen extreme Meinungen und Populismus immer häufiger zutage treten.
Die Jury begründet ihre Entscheidung wie folgt:
„Die Siegfried Lenz Stiftung ehrt mit Elizabeth Strout eine herausragende Erzählerin, die es versteht, mit wenigen Strichen das Panorama von Kleinstädten mit all ihren provinziellen Beschränkungen zu entfalten.
Auf denkbar knappe Weise bündelt Strout menschliche Verhaltensweisen. Sie zeigt die Niedertracht und die Hilflosigkeit ihrer Akteure; sie zeigt deren Sprachlosigkeit und Traurigkeit darüber, was im Leben verpasst wurde.
Gleichzeitig mischen die Romane Humor und Tragik und lassen allen Schicksalsschlägen zum Trotz jene Glücksmomente aufblitzen, die das Leben zu meistern helfen.“
Sehr geehrte Frau Strout,
es ist uns eine Ehre, Sie heute in Hamburg zu begrüßen.
Im Namen des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg gratuliere ich Ihnen sehr herzlich zum Siegfried Lenz Preis 2022 und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute.
Vielen Dank.