Sehr geehrter Herr Landesrabbiner,
sehr geehrter Herr Stricharz,
sehr geehrter Herr Kovacs,
sehr geehrter Herr Steinig,
sehr geehrte Frau Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
im Namen des Senats begrüße ich Sie sehr herzlich im Rathaus zum Senatsempfang anlässlich des Festjahres „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.
Die frühesten Spuren jüdischen Lebens in unserer Stadt finden sich im ausgehenden 16. Jahrhundert.
Die ersten Hamburger Juden stammten aus Portugal:
Sie waren Kaufleute mit guten Handelskontakten in alle Welt und bekamen 1612 vom Senat das Aufenthaltsrecht.
Jüdische Hamburgerinnen und Hamburger haben viel zur Entwicklung der Stadt beigetragen.
Der Bankier und Mäzen Salomon Heine stellte zum Beispiel die finanziellen Mittel bereit, damit Hamburg nach dem Großen Brand 1842 schnell wieder aufgebaut werden konnte.
Er wurde dafür zwar zum Ehrenmitglied der Patriotischen Gesellschaft ernannt, erhielt aber nie einen offiziellen Dank der Stadt.
Auch das Bürgerrecht konnte er nicht erwerben, denn das war für Juden erst ab 1849 möglich, fünf Jahre nach seinem Tod.
Mit der Verfassungsreform von 1860 wurden Jüdinnen und Juden rechtlich gleichgestellt.
Vorbehalte gegenüber jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgen gab es jedoch weiterhin.
So machte Albert Ballin als jüngster Generaldirektor die HAPAG zur größten Reederei der Welt.
In der Hamburger Gesellschaft wurde er aber nicht zuletzt wegen seiner jüdischen Identität nie ganz akzeptiert.
Benachteiligung, Ausgrenzung und offener Antisemitismus gipfelten zwischen 1933 und 1945 in den Verbrechen an Menschen jüdischen Glaubens, die vom nationalsozialistischen Deutschland ausgingen.
Mitte der 1930er Jahre lebten etwa 20.000 Jüdinnen und Juden in Hamburg – 1945 waren es noch rund 600.
Zu den Opfern der Schoah gehörten die erste Germanistik-Professorin Deutschlands, Agathe Lasch, und der Rektor der Talmud-Tora-Realschule und Hamburger Oberrabbiner Joseph Carlebach.
Beide wurden in Riga ermordet.
Angesichts des großen Unrechts und des Leids, das Jüdinnen und Juden auch in Hamburg erlebt haben, ist es umso bemerkenswerter, dass schon im Juli 1945 Überlebende wieder eine jüdische Gemeinde in unserer Stadt gründeten.
Mit großer Kraft und Entschlossenheit haben sie neue Strukturen und eine neue Gemeinschaft für ihren Glauben geschaffen.
Ihnen und zahlreichen weiteren jüdischen Hamburgerinnen und Hamburgern, die zurückgekehrt sind, haben wir viel zu verdanken:
Etwa dem späteren Ersten Bürgermeister Herbert Weichmann, der zukunftsweisende Projekte umgesetzt hat wie den Ausbau des Hafens für die Containerschifffahrt, die Planung der Köhlbrandbrücke und den Bau des CCH.
Oder Esther Bejarano, von der wir erst kürzlich Abschied genommen haben.
Sie lebte seit den 60er Jahren in Hamburg und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, öffentlich über die Schrecken des Nazi-Regimes zu berichten und zu singen.
Bis kurz vor ihrem Tod hat sie durch die eindringlichen Schilderungen ihrer Erlebnisse vielen jungen Menschen die Augen geöffnet, für die Ursachen und Folgen von Hass, Krieg und Gewalt.
Die Aufbauleistung derjenigen, die überlebt haben, die in unsere Stadt zurückgekehrt sind, und das Vertrauen und die Hoffnung, die sie der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland und Hamburg entgegenbrachten, dies alles verdient Respekt, Dank und Anerkennung.
Die jüdische Gemeinschaft in Hamburg ist inzwischen wieder eine religiöse und kulturelle Heimat für rund 2.400 Menschen.
2018 haben wir am Seminar ‚Or Jonathan‘ die erste Ordination von Rabbinern in Hamburg seit dem Zweiten Weltkrieg gefeiert.
Das Joseph-Carlebach-Bildungshaus in der früheren Talmud-Tora-Realschule steht von der Kita bis zur Oberstufe nicht nur Kindern jüdischen Glaubens offen.
Im Sommer 2020 wurden hier die ersten Abiturientinnen und Abiturienten verabschiedet.
Mit der von den Nazis zerstörten Synagoge am Bornplatz wollen wir ein wichtiges Zentrum der jüdischen Religion und Kultur wieder aufbauen.
Bei alldem gibt es in unserer Gesellschaft aber immer noch Vorurteile, Ressentiments und Berührungsängste, die Nährboden für Diskriminierung und Antisemitismus sind.
Dem müssen wir uns als Stadtgesellschaft entgegenstellen, und auch das ist ein wichtiges Ziel des Festjahres.
Meine Damen und Herren,
Sie haben dieses Jahr bewusst nicht als Rückblick konzipiert.
Sie geben den Hamburgerinnen und Hamburgern Einblick in die jüdische Gegenwart und bieten den Dialog an.
Sie schaffen Gelegenheiten für Kontakt und Verständigung, denn nichts ist wirksamer gegen Vorurteile und Ausgrenzung als die Begegnung, das Kennenlernen und das Gespräch.
Zum Beispiel bei Führungen durch die Synagoge an der Hohen Weide; beim gemeinsamen Kino-Besuch auf den ersten Jüdischen Filmtagen in unserer Stadt; oder in den vielen Lesungen, Konzerten und Ausstellungen.
Mit über 35 Projekten und noch mehr einzelnen Veranstaltungen von Gemeinden und Vereinen, Bildungsstätten und Museen, ist Hamburg deutschlandweit einer der größten Standorte dieses Festjahres.
Auf Live-Publikum und Gäste bei Ihren Veranstaltungen mussten Sie wegen der Corona-Pandemie bis zum Sommer leider überwiegend verzichten.
Aber Sie waren kreativ und haben Alternativen gefunden:
- Lesungen und Konzerte fanden als Videokonferenzen und Streams statt;
- den Podcast „Jüdisch in Hamburg“ kann man zuhause am Küchentisch oder beim Spazierengehen hören;
- Online-Ausstellungen waren auch im Lockdown immer zugänglich.
Mit den Fortschritten der Impfkampagne können inzwischen auch wieder Präsenz-Veranstaltungen stattfinden.
Das ist ein großer Gewinn und eine gute Perspektive für die nächsten Wochen und Monate.
Mit Ihrem Programm haben Sie seit Jahresbeginn bereits vielen Menschen die Vielfalt, die Lebendigkeit und die tiefe Verwurzelung der jüdischen Gemeinschaft in Hamburg gezeigt.
Dazu gratuliere ich Ihnen, und dafür danke ich Ihnen im Namen des Senats und der gesamten Stadt sehr herzlich.
Meine Damen und Herren,
Ich wünsche Ihnen und uns allen, dass wir weiter gut durch den Sommer kommen und dass sich immer mehr Hamburgerinnen und Hamburger impfen lassen.
Dann können hoffentlich auch „Sukkoth XXL“ und der Chanukkah-Markt wie geplant mit vielen Gästen stattfinden.
Die öffentliche Feier dieser beiden wichtigen jüdischen Feste wäre ein gebührender Abschluss für das Festjahr 2021, das eines deutlich gemacht hat:
Die jüdische Religion und Kultur haben einen festen Platz in unserer Stadtgesellschaft, in einer weltoffenen und lebenswerten Metropole, in der das jüdische Leben das Gemeinwesen bereichert.
Herzlichen Dank.