Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Hyman,
sehr geehrter Herr Dr. Dittmer,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Martin Stratmann,
sehr geehrter Herr Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft, [Schmitt]
sehr geehrte Frau Generalkonsulin, [Tybinka]
sehr geehrte Damen und Herren,
Herzlich willkommen im Hamburger Rathaus zur Verleihung des Körber-Preises für die Europäische Wissenschaft 2022.
Seit fast 40 Jahren würdigt die Körber-Stiftung herausragende, innovative Leistungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Bereich Physical und Life Sciences.
Das Besondere an den ausgezeichneten Arbeiten ist ihr starker Anwendungsbezug.
Wer den Körber-Preis erhält, hat für die großen Herausforderungen unserer Zeit Fortschritte ermöglicht und grundlegend neue Perspektiven eröffnet.
Der Körber-Preis hat international einen hervorragenden Ruf und zählt zu den höchstdotierten Wissenschaftspreisen der Welt.
Frühere Preisträgerinnen und Preisträger haben das Verhalten des AIDS-auslösenden HI-Virus erforscht, die Klimamodell-Berechnung revolutioniert, Erkenntnisse über die Entstehung von Krebs gewonnen oder neue Behandlungsoptionen für Erblindete entwickelt. Sieben Körber-Preisträgerinnen und -Preisträger haben später auch den Nobelpreis erhalten.
Als der Körber-Preis 1985 zum ersten Mal vergeben wurde, hatten Kurt A. Körber und der damalige Vorsitzende des Preis-Kuratoriums, Professor Reimar Lüst, neben der Förderung wissenschaftlicher Exzellenz in Europa noch ein weiteres Ziel.
Sie wollten mitten im Kalten Krieg die Menschen – und vor allem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – über Systemgrenzen hinweg miteinander verbinden. In den Anfangsjahren wurde der Körber-Preis ausschließlich für gemeinsame Arbeiten von Forscherinnen und Forschern aus Ost- und Westeuropa vergeben.
Mit der Mission, in politisch schwierigen Zeiten Brücken zu bauen, passte der Körber-Preis von Beginn an gut zu der weltoffenen Handels- und Hafenstadt Hamburg, die sich seit jeher für internationale Verständigung und Zusammenarbeit einsetzt.
Um zur Annäherung zwischen der damaligen Bundesrepublik und der DDR beizutragen, schloss Hamburg 1987 eine Städtepartnerschaft mit Dresden, der Wirkungsstätte des diesjährigen Preisträgers.
Seit dem Fall der Mauer und dem Zusammenwachsen Europas ist Ost-West-Kooperation keine Bedingung mehr für die Preisvergabe. Dennoch steht der Körber-Preis 2022 unter dem Eindruck der Ereignisse der vergangenen Monate.
Der Krieg gegen die Ukraine hat uns vor Augen geführt, dass Frieden und Sicherheit in Europa auch im 21. Jahrhundert leider keine Selbstverständlichkeit sind.
Zugleich zeigt das gemeinsame und entschiedene Vorgehen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, ihre gemeinsame Reaktion auf die russische Aggression, dass der Prozess der europäischen Integration vorangekommen und eine gemeinsame politische Identität über nationalstaatlichen Grenzen hinweg entstanden ist.
Gerade in der Forschung ist die grenzüberschreitende Kooperation heute selbstverständlich und sind die Lebensläufe international. Das zeigt auch die Biografie des diesjährigen Körber-Preisträgers.
Anthony Hyman wurde in Israel geboren. Er hat in Großbritannien Zoologie studiert, in Zellbiologie promoviert und seine wissenschaftliche Laufbahn in den USA begonnen.
Inzwischen lebt und forscht er seit über 30 Jahren in Deutschland, zuerst in Heidelberg und seit 1999 in Hamburgs Partnerstadt Dresden.
Dort hat Anthony Hyman das „Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik“ mit aufgebaut.
Er forscht mit seinem Team an der Schnittstelle zwischen Medizin und Biologie und untersucht die Funktionsweise von Zellen, also den kleinsten lebenden Einheiten aller Organismen.
2009 hat er einen bis dahin unbekannten Materialzustand von Proteinen in der Zellflüssigkeit entdeckt, die sich in kleinen Tropfen – sogenannten Kondensaten – konzentrieren und dadurch spezielle biochemische Reaktionen in den Zellen ermöglichen.
Normalerweise werden diese „Zelltröpfchen“ schnell wieder abgebaut.
Ist dieser Abbau jedoch gestört, können toxische Ablagerungen entstehen, die mit schwersten neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Amyotropher Lateralsklerose (ALS) in Verbindung gebracht werden.
Anthony Hyman und sein Team untersuchen, wie Zellen die Bildung und den Abbau von Proteinkondensaten steuern – und wie sich Störungen dieser Abläufe beheben lassen.
Daraus können sich wichtige Erkenntnisse ergeben zu den Ursachen und für die Behandlung, vielleicht sogar die Heilung von Erkrankungen, denen die Medizin bislang weitgehend ohne wirksame Therapieoptionen gegenübersteht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
mit Anthony Hyman erhält heute erneut ein Forscher den Körber-Preis, der auf seinem Fachgebiet Pionierarbeit leistet.
Die Entdeckung der Zellkondensate hat ein neues Kapitel eröffnet, das inzwischen zu einem vielversprechenden Forschungsfeld in der Molekularbiologie gehört.
Durch den Aufbau des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden hat Anthony Hyman sich zudem in hohem Maße um den Wissenschafts- und Forschungsstandort Deutschland verdient gemacht.
Lieber Herr Hyman,
im Namen des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg gratuliere ich Ihnen sehr herzlich zum Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft 2022.
Ich wünsche Ihnen und Ihrem Team in Dresden weiterhin viel Erfolg für ihre wissenschaftliche Arbeit und auch persönlich alles Gute.
Vielen Dank.