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28. Januar 2020

Rede des Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher beim Matthiae-Mahl

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Rede des Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher. Es gilt das gesprochene Wort.

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Sehr geehrter Herr Stellvertretender Generalsekretär,
sehr geehrter Herr Bundesminister,
Exzellenzen,
sehr geehrte Mitglieder des Konsularischen Korps,
sehr geehrte Frau Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrte Ehrenbürgerin, sehr geehrte Ehrenbürger,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

herzlich willkommen im Festsaal des Hamburger Rathauses!

Seit mehr als 600 Jahren lädt die Freie und Hansestadt Hamburg zum Matthiae-Mahl. Über unseren Hafen haben wir Verbindungen in alle Welt. Je weiter sich das Handelsnetz Hamburgs im Laufe der Jahrhunderte ausdehnte, desto länger wurde die Gästeliste des Matthiae-Mahls.

Das erste Festmahl im Jahr 1356 feierte man noch mit 40 Gästen. Eingeladen wurden „Vertreter der Hamburg freundlich gesonnenen Mächte“. Heute würden wir sagen „Freunde und Partner“, und ich freue mich, dass Sie – rund 400 Gäste – unserer Einladung gefolgt sind.

Hamburg ist eine weltoffene und internationale Stadt. Mit Ihnen sind heute im Festsaal Menschen versammelt, die über 70 verschiedene Nationen vertreten.

In der Präambel unserer Verfassung heißt es, die Stadt Hamburg wolle im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein.

Die militärische Verteidigung und Sicherung des Friedens ist seit Jahrzehnten das Ziel der North Atlantic Treaty Organization (NATO), die bis in die 1990er Jahre dem damaligen Warschauer Pakt der osteuropäischen Staaten gegenüberstand. Seit dem Fall der Mauer hat sich der Kreis der Mitgliedsstaaten auf nunmehr 29 Länder erweitert.

Auch ausgelöst durch den französischen Staatspräsidenten Macron wird derzeit grundsätzlich über die Rolle und Zukunft der NATO diskutiert. Die USA fordern nicht erst unter ihrem gegenwärtigen Präsidenten einen stärkeren Beitrag Europas für unsere gemeinsame Sicherheit. Dies betrifft auch Deutschland und Hamburg. Die Konflikte in der Welt sind näher an uns herangerückt, dies haben wir gerade in den letzten Jahren der Flüchtlingsbewegungen sehr stark wahrgenommen. Eine Verständigung über den Atlantik ist deshalb wichtig.

Vor diesem Hintergrund, meine sehr geehrten Damen und Herren, habe ich im letzten Jahr, dem 70. Jahr des Bestehens der NATO, den NATO-Generalsekretär und den deutschen Außenminister nach Hamburg eingeladen. Das Hamburger Rathaus und das Matthiae-Mahl bilden einen guten Rahmen für den 2 Austausch zu Frieden und Sicherheit in Europa und zu den politischen Aspekten des transatlantischen Bündnisses.

Sehr geehrter Herr Generalsekretär Geoană,
sehr geehrter Herr Minister Maas,

herzlichen Dank, dass Sie als unsere Ehrengäste heute Abend die Festreden halten.

Jens Stoltenberg musste seinen Besuch in Hamburg leider aufgrund aktueller Entwicklungen in Syrien und Afghanistan kurzfristig absagen. Die NATO ist sehr engagiert gegen den internationalen Terror und für den Frieden in dieser Region.

Der Grundgedanke der NATO ähnelt dem Prinzip der Hanse, auf die der offizielle Name Hamburgs als „Freie und Hansestadt“ hinweist.

„Gemeinsam sind wir stärker.“ Diese Erkenntnis führte Mitte des 12. Jahrhunderts dazu, dass sich Kaufleute aus Hamburg, Lübeck und Bremen auf ihren Handelsfahrten in der Nord- und Ostsee zusammenschlossen, um ihre Handelsschiffe auf See gemeinsam gegen Angriffe zu schützen.

Die Hanse entwickelte sich zu einem Städtebund, der während seiner Blütezeit von Lissabon bis Nowgorod reichte. Als Bündnis verhandelten die Hansestädte mit den Regierungen anderer Staaten über Zölle und einheitliche Handelsregeln. Sie gründeten gemeinsame Niederlassungen und entwickelten eine innere Organisationsstruktur mit einem Rat, in dem Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip beschlossen wurden. So wurden aus ehemaligen Konkurrenten Verbündete.

Die Hanse war zugleich der erste europäische Binnenmarkt, mit gleichen Regeln für alle Marktteilnehmer. Über Jahrhunderte bestimmte sie den Handel an Nord- und Ostsee. Dies führte zu einer wirtschaftlichen Blüte sowie zu Wohlstand und Frieden, denn freie und gute Handelsbeziehungen sind friedensstiftend. Der Nutzen einer Handelsbeziehung besteht auf Dauer nur, wenn die Handelspartner dabei nicht untergehen und auch ihre Interessen berücksichtigt sind.

Der Philosoph Immanuel Kant nennt dieses Prinzip den „wechselseitigen Eigennutz“ und sagt „Es ist der Handelsgeist, der mit dem Kriege nicht zusammen bestehen kann […].“

Als internationaler Wirtschafts- und Handelsstandort spüren wir in Hamburg immer die negativen Auswirkungen internationaler Krisen und Konflikte. Wir haben daher ein politisches, aber immer auch ein wirtschaftliches Interesse an stabilen internationalen Beziehungen und einer friedlichen Entwicklung in der Welt.

Auch an der historischen Entwicklung der transatlantischen Annäherung hatte die Hanse ihren Anteil. Nach der Unabhängigkeitserklärung 1776 und dem Friedensschluss mit Großbritannien im „Frieden von Paris“ 1783 suchten Vertreter der Hansestädte Kontakt zur neuen Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika. Im Kern ging es darum, diesen neuen Markt zu erschließen und die Grundsätze des freien und fairen Handels für die künftigen Wirtschaftsbeziehungen zu vereinbaren.

Im Jahr 1790 wurde auf Verfügung von US-Präsident George Washington ein amerikanisches Konsulat in Hamburg gegründet. Es war die elfte diplomatische Vertretung der USA weltweit und die erste im deutschsprachigen Raum. Andersherum entsandte Hamburg einen Hanseatischen Generalkonsul nach Philadelphia, dem Regierungssitz der Vereinigten Staaten in dieser Zeit. Nach einigen Jahren der Verhandlungen schlossen die Hansestädte Hamburg, Lübeck und Bremen am 20. Dezember 1827 mit den Vereinigten Staaten einen gemeinsamen „Freundschafts-, Handels- und Schifffahrts-Vertrag“.

Die NATO hat nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich zum Frieden in Europa beigetragen. Erreichen lässt sich dies am besten nicht allein durch militärische Kraft, sondern vor allem durch ein gutes Verständnis der Lage und der Interessen der anderen. 

Hamburg hat als Mitglied der Hanse früh gelernt, die Interessen anderer zu kennen und zu verstehen und auf diesem Hintergrund dann Verständigungen zu suchen. Wir waren gut befestigt, viele Straßennamen lassen das erkennen. Aber wenn möglich, haben wir unsere Wirtschaftsbeziehungen genutzt, um in der Welt Einfluss zu nehmen im Sinne von Frieden und Stabilität. Dies war auch der Grund für Hamburgs Neutralität über die Jahrhunderte hinweg gegenüber einer Vielzahl von Ländern und Königen, die teilweise miteinander im Krieg standen.

Für Hamburg ist eine gute internationale Zusammenarbeit seit der Zeit der Hanse die Grundlage für eine gute Entwicklung von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Neben den vielen Schifffahrtslinien, die unseren Hafen mit der Welt verbinden, pflegen wir ein internationales Netzwerk an Partnerstädten, mit denen wir uns regelmäßig austauschen und gemeinsame Projekte umsetzen. Neben Marseille, Dresden, St. Petersburg und Prag in Europa sind dies Chicago in den USA, Leon in Zentralamerika, Dar Es Salaam in Afrika, Osaka in Japan und Shanghai in China.

Im Sinne unserer Jahrhunderte alten Tradition und als weltoffene Metropole setzen wir uns mit unseren Partnern in der Welt ganz praktisch für eine gute internationale Zusammenarbeit ein. Mit rund 100 konsularischen Vertretungen ist Hamburg einer der größten Konsularstandorte weltweit.

Lieber Heiko Maas,

Hamburg teilt die Überzeugung, dass Deutschland seinen Beitrag im Rahmen der NATO für Frieden und Sicherheit leisten muss.

Regelmäßig ist unsere Stadt Austragungsort internationaler Konferenzen. 2019 zum Beispiel für die NATO-Konferenz „Sea Surveillance Cooperation Baltic Sea“ und in diesem Jahr für die NATO-Konferenz zum Einsatz von Helikoptern auf Hoher See.

Hamburg ist ein wichtiger Standort für die internationale Friedensforschung. Zahlreiche Institute haben in diesem Bereich einen Schwerpunkt; das GIGA German Institute of Global and Area Studies, die Helmut-Schmidt-Universität, die Führungsakademie der Bundeswehr und das Institut für Friedensforschung an der Universität Hamburg IFSH. Unterstützt vom Auswärtigen Amt, wird am IFSH seit 2019 verstärkt zu neuen sicherheitspolitischen Risiken und deren Begrenzung durch Rüstungskontrolle und Abrüstung geforscht.

Lieber Heiko Maas,

ich freue mich sehr, dass das Auswärtige Amt diese wichtige Einrichtung fördert.

Die Körber Stiftung, die Zeit-Stiftung und die Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung tragen von Hamburg aus dazu bei, den sicherheitspolitischen Dialog über ein Fachpublikum hinaus zu tragen. Fragen von Frieden und Sicherheit gehören in die Mitte unserer Gesellschaft.

Sehr geehrter Herr Geoană,

die jüngere Geschichte Ihres Heimatlandes Rumänien ist eng mit der Mitgliedschaft in NATO und EU verbunden. Sie selbst haben vor einiger Zeit darüber gesagt: „Sometimes I think, I`m living a dream.“ Für den Traum von Freiheit, Selbstbestimmung und Frieden müssen wir uns auch in Europa weiter einsetzen.

Meine Damen und Herren,

die internationale Politik ist nicht irgendwo weit weg. Sie findet statt bei uns in Hamburg. Sie hat einen großen Einfluss auf unser tägliches Leben, auf unsere Wirtschaftsbeziehungen und auf unseren Wohlstand.

Es gibt wichtige Zukunftsthemen wie den Klimaschutz, denen wir weltweit nur gemeinsam begegnen können.

Dafür brauchen wir Frieden und Stabilität in der Welt, wir brauchen Verständnis, Engagement und vor allem Zuversicht. Auf eine gute internationale Zusammenarbeit und einen schönen Abend hier im Hamburger Rathaus!

Herzlichen Dank.