Sehr geehrter Herr Oberrabbiner Lau,
sehr geehrter Herr Vize-Minister Porush,
sehr geehrter Herr Landesrabbiner Bistritzky,
sehr geehrter Herr Effertz und Herr Stricharz,
sehr geehrte Vorstandsmitglieder der Jüdischen Gemeinde HH,
sehr geehrter Herr Staatsminister Nils Annen,
sehr geehrte Frau Bischöfin Kirsten Fehrs,
sehr geehrter Herr Vize-Präsident der Hamburgischen Bürgerschaft Duwe,
sehr geehrte Mitglieder der Parlamente,
sehr geehrte Absolventen,
sehr geehrte Damen und Herren,
das jüdische Leben, die jüdische Religion und Kultur haben in Hamburg eine lange Tradition. Schon Ende des 16. Jahrhunderts kamen die ersten Juden aus Portugal in unsere Stadt. Sie galten als weltgewandt, sprachen häufig mehrere Sprachen und hatten als Kaufleute gute Handelskontakte in andere Länder. Im Jahre 1612 gewährte der Hamburger Senat ihnen das Aufenthaltsrecht.
Die jahrhundertealten Wurzeln der Juden sind in Hamburg an einigen Orten noch sichtbar: auf den jüdischen Friedhöfen in Altona, Ohlsdorf und Wandsbek, an der ehemaligen Talmud-Tora-Schule im Grindelhof (1805 bis 1942) oder im Gartenhaus des Bankiers Salomon Heine in Ottensen, der sich mit seinem Vermögen nach dem Großen Brand 1842 an dem Wiederaufbau der Hansestadt beteiligte und die Gründung des zweitältesten Krankenhauses Hamburgs, des Israelitischen Krankenhauses in St. Pauli finanzierte.
Heute sind rund 2.400 Hamburgerinnen und Hamburger Mitglied einer jüdischen Gemeinde. Mitte der 1930er Jahre lebten 25.000 Jüdinnen und Juden in Hamburg, 1945 waren es noch 300. Die anderen waren geflüchtet, von den Nationalsozialisten vertrieben oder ermordet worden.
Unter ihnen Leo Lippmann, der frühere Staatsrat der Hamburger Finanzbehörde, die ihren historischen Kassensaal nach dem ehemaligen hoch angesehenen Behördenleiter benannt hat, die Familie Marcus im Stadtteil Groß Borstel, deren Geschichte und Nachfahren ich vor einigen Monaten persönlich kennenlernen durfte, und viele andere Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, an deren Schicksal wir überall mit sogenannten Stolpersteinen im Straßenbild erinnern und gedenken.
Wir sind dankbar, dass es heute wieder ein vielfältiges jüdisches Leben in unserer Stadt gibt und dass neben den christlichen und anderen Religionen auch die jüdische Religion und Kultur in unserer Stadtgesellschaft wieder eine Rolle spielen.
Heute werden in Hamburg sogar erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder Rabbiner ordiniert. Es ist ein bedeutender Tag für das jüdische Leben in unserer Stadt und ein ebenso besonderer Tag im Leben derer, die ordiniert werden und das Amt des Rabbiners antreten.
Sie haben eine lange, anspruchsvolle Ausbildung absolviert und übernehmen eine wichtige und ehrenvolle Aufgabe. Sie widmen sich der Bewahrung der jüdischen Gesetze und Traditionen und – sofern Sie als Gemeinderabbiner tätig sind – auch der Seelsorge und der Gemeindearbeit.
Das Amt eines Priesters im Auftrag einer Religion ist kein „Nine to Five-Job“, um es Neudeutsch zu sagen. Es ist eine verantwortungsvolle Tätigkeit, die das gesamte eigene Leben, die gesamte Person und den eigenen Glauben beansprucht, dafür aber auch große Anerkennung, Freude und Erfüllung mit sich bringt. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich zum Abschluss Ihrer Ausbildung und Ihrer Entscheidung, das Amt des Rabbiners zu übernehmen.
Sie haben vermutlich die althebräische Sprache gelernt und das Alte Testament im Original und nicht in einer lateinischen oder deutschen Übersetzung studiert. Ich hatte als Schüler ebenfalls die Gelegenheit, Hebräisch zu lernen und das Hebraicum abzulegen.
Es war eine einmalige Erfahrung, die hebräischen Urtexte, die sowohl dem Juden- wie dem Christentum zugrunde liegen, in ihrer ursprünglichen Form kennenzulernen, ohne dass diese durch Übersetzungen in eine andere Sprach- und damit in eine andere Denkart übersetzt und dadurch oft auch in ihrer Deutung eingeschränkt oder sogar verändert werden.
Ich würde mich freuen, wenn Sie in Ihrer künftigen Tätigkeit als Rabbiner neben allen anderen Aufgaben, die damit verbunden sind, auch dazu kommen, möglichst vielen Juden und Menschen anderen Glaubens die Gelegenheit zu geben, die Grundlagen unserer Religionen besser zu verstehen, als es mit den Übersetzungen in moderne europäische Sprachen möglich ist.
Ich bedanke mich im Namen des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg für die Einladung zu dieser besonderen feierlichen Ordination und wünsche den Absolventen, dem Rabbinerseminar und der jüdischen Gemeinde in Hamburg alles Gute.
Herzlichen Dank