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16. Februar 2022

Gedenkfeier 60 Jahre Sturmflut von 1962

Rede des Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher. Es gilt das gesprochene Wort.

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Sehr geehrter Herr Weinreich,
sehr geehrter Herr Nitzsche,
sehr geehrte Frau Pröbstin,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Rettungskräfte, Hilfsorganisationen, der Deichwacht,
sehr geehrte Damen und Herren,

die Sturmflut im Februar 1962 hat sich tief in das Gedächtnis unserer Stadt eingeprägt. 

Nur noch wenige können persönlich von ihren damaligen Erlebnissen berichten. Aber sehr viele kennen die Sturmflut von Fotos, aus Filmen oder Erzählungen.

Die Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Stadtteile haben dramatische Stunden und Tage erlebt. Die Ereignisse bewegen uns bis heute.

Die Sturmflut traf die Hamburgerinnen und Hamburger ohne Vorwarnung mitten in der Nacht: Die ersten Deiche brachen um 1 Uhr 15 in Neuenfelde. Gegen 2 Uhr brach in Wilhelmsburg der Deich am Berliner Ufer des Spreehafens. Insgesamt kam es dieser Nacht zu über 60 Deichbrüchen.

Am nächsten Morgen war Hamburg in weiten Teilen nicht wiederzuerkennen. Ein großer Teil des Stadtgebietes war überflutet. Auch der Rathausmarkt stand unter Wasser. Fast 120.000 Menschen wohnten in den betroffenen Gebieten. Tausende mussten evakuiert werden. Viele warteten auf Dächern und Bäumen auf Rettung. 

315 Menschen kamen ums Leben. Mehr als 5.000 verloren ihre Wohnung.

Wilhelmsburg wurde damals besonders schwer getroffen. 222 Menschen starben, darunter viele Kinder und ältere Menschen. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten sich hier viele Hamburgerinnen und Hamburger, die während der Bombardements obdachlos geworden waren, in tief liegenden Behelfsheimen angesiedelt. Da man an den Deichen die Bombenschäden nur mit Kriegsschutt aufgefüllt hatte, sind sie unter den Wassermassen schnell gebrochen.

Im „Hamburger Abendblatt“ war damals die Geschichte von Gerhard Rosenzweig zu lesen. 

Der Wilhelmsburger schildert, wie er von seiner Wohnung im ersten Stock in der Georg-Wilhelm-Straße 5, Ecke Vogelhüttendeich, die Flut vom Spreehafen kommen sah und wie sie alles und alle wegriss. Die Nacht war durchzogen von Hilfeschreien und vom Lärm der Wassermassen, die Autos und Häuser-Trümmer mitrissen.

Am nächsten Tag zeigte sich das Ausmaß der Katastrophe: „In den Hinterhöfen hängen Ertrunkene in Bäumen und an Schuppendächern“, berichtet er. 

Aber Rosenzweig erzählt auch, wie unerschrocken und selbstlos viele Menschen handelten, wie sie ihr eigenes Leben riskierten, um andere zu retten. An Wäscheleinen geklammert gelang es seinen Nachbarn, zwei Menschen zu retten, die sich an einem Brückengeländer festklammerten und drohten, vom Wasser fortgespült zu werden.

Die Sturmflut von 1962 hat großes Leid über unsere Stadt gebracht. Sie hat aber auch gezeigt, dass die Hamburgerinnen und Hamburger in der Not zusammenstehen. 

Der damalige Polizeisenator und spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt veranlasste eine beispiellose Rettungsaktion. Über 25.000 Helferinnen und Helfer waren im Einsatz: 

  • Soldaten, Feuerwehrleute und Polizisten
  • Kräfte des Technischen Hilfswerks, der DLRG und anderer Hilfsorganisationen
  • Rettungseinheiten aus dem In- und Ausland
  • Ehrenamtliche und Freiwillige

Bürgerinnen und Bürger spendeten Lebensmittel und Kleidung, versorgten die Geretteten mit Trinkwasser und beteiligten sich an den Aufräumarbeiten. 

Die mutigen Retter und die unzähligen Helferinnen und Helfer sind ein wichtiger Teil der Erinnerung.

In Folge dieser Ereignisse hat der Senat den Katastrophenschutz neu organisiert und den Hochwasserschutz verbessert.

Die Deiche waren seinerzeit 5 Meter 70 hoch. Heute haben sie eine Höhe von 7 bis 9 Metern und sie werden kontinuierlich weiter verstärkt. 

Katastrophenschutzbehörden und Hilfsorganisationen üben regelmäßig den Ernstfall. Wenn er eintritt, wie es von Herbst bis Frühjahr bei Sturmfluten regelmäßig der Fall ist, werden die notwendigen Maßnahmen schnell und zuverlässig ergriffen. 

Die Zusammenarbeit der Einsatzkräfte ist hervorragend – darauf können sich die Hamburger verlassen und dafür danke ich allen Beteiligten im Namen des Senats sehr herzlich!

Um die Erinnerung an die Ereignisse im Februar 1962 wach zu halten, entsteht im Museum Elbinsel Wilhelmsburg im Zuge der Sanierung auch eine Dauerausstellung zur Flutkatastrophe. Die Planungen waren nicht einfach, die Finanzierung war lange offen. Aber seit Beginn dieser Woche gibt es eine Einigung, sodass noch in diesem Jahr mit den bauvorbereitenden Maßnahmen begonnen werden kann. 

Viele Wilhelmsburger engagieren sich hierfür – herzlichen Dank dafür.

Sehr geehrte Damen und Herren, 

die schlimme Flut im Ahrtal im vergangenen Sommer hat auch die Erinnerung an die Hamburger Sturmflut von 1962 wachgerufen. Damals wie heute ist es wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger zusammenstehen, wenn es darauf ankommt. 

Solidarität und Hilfsbereitschaft haben in Hamburg eine lange Tradition, auf die wir stolz sein können, und die uns die Gewissheit geben, dass wir für die Zukunft gut gewappnet sind. 

Vielen Dank.