Sehr geehrte Ms. Keegan,
sehr geehrter Herr Berg,
sehr geehrte Frau de Weck,
sehr geehrte Frau Botschafterin,
sehr geehrter Bundesminister Wolfgang Schmidt
sehr geehrter Herr Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft,
Sehr geehrte Damen und Herren,
herzlich willkommen im Hamburger Rathaus zur Verleihung des Siegfried Lenz Preises 2024, mit dem alle zwei Jahre international bedeutende Schriftstellerinnen und Schriftsteller ausgezeichnet werden.
Der Siegfried Lenz Preis wurde 2014, also vor 10 Jahren, zum ersten Mal verliehen.
Er ist damit noch immer eine junge Auszeichnung und gehört doch schon zu den bedeutenden und höchstdotierten Literaturpreisen in Deutschland. Fünf Autorinnen und Autoren haben ihn bisher erhalten:
- Amos Oz,
- Julian Barnes,
- Richard Ford,
- Ljudmila Ulitzkaja und
- Elizabeth Strout.
Mit dem Siegfried Lenz Preis werden Schriftstellerinnen und Schriftsteller ausgezeichnet, deren schöpferisches Wirken dem Geist von Siegfried Lenz nah ist.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Zivilisationsbruch der Nationalsozialisten setzte Siegfried Lenz auf Vernunft, Aufklärung und Humanität. Er suchte das Maßvolle, das Verbindende und Verbindliche. In seinen Werken verknüpfte er – meist in einem nüchternen und abwägenden Ton – menschliche Schicksale mit gesellschaftlichen Fragen, und das auf eine literarische Art, die ein breites Publikum anspricht.
Genau das trifft auch auf Claire Keegan zu. Mit wenigen Worten vermag sie viel zu sagen. Die Jury des Siegfried Lenz Preises beschreibt ihren Stil so:
„Ihr Werk, das 1999 mit der Kurzgeschichtensammlung ‚Wo das Waser am tiefsten ist‘ einsetzte, zeichnet sich durch eine meisterhafte sprachliche Verknappung aus, die ihrer Prosa Dichte verleiht und dem Ausgesparten so viel Bedeutung wie dem Erzählten zuspricht.“
Das Wichtige liege bei Claire Keegan zwischen den Zeilen, im Unausgesprochenen, in der Leerstelle. Sie selbst empfiehlt, ihre Bücher zweimal zu lesen. Dann hätte man nicht nur ein längeres Buch, sondern ganz generell mehr davon.
Claire Keegans Literatur ist in ihrer Stille ausgesprochen politisch, verknüpft mit Irland und seiner Geschichte. Sie gibt den Vernachlässigten und Bedrängten eine Stimme.
Ihre Geschichten betreffen große soziale Themen:
- Ungleichheit zwischen Männern und Frauen,
- Armut und Vernachlässigung,
- Ausbeutung und Missbrauch.
Dabei bewahrt sich Claire Keegan den Glauben an das Gute im Menschen. In ihren Werken drücken sich Hoffnung aus und ein positives Weltbild: Wir können etwas verändern und sollten im Kleinen damit anfangen.
Im festen Vertrauen, dass jede und jeder Einzelne etwas bewirken kann, sind sich Siegfried Lenz und Claire Keegan nahe – oder, um es bildhaft zu sagen: „Verwandte im Geiste“.
Sehr geehrte Damen und Herren,
am kommenden Montag, den 7. Oktober, jährt sich der Überfall der Hamas auf Israel, der zu einer schrecklichen Eskalation der Gewalt in Nahost geführt hat.
Wir gedenken an diesem Tag der Opfer auf allen Seiten und hoffen, dass die Spirale der Gewalt bald ein Ende findet. Am kommenden 7. Oktober jährt sich aber auch der Todestag unseres Hamburger Ehrenbürgers Siegfried Lenz zum 10. Mal. Aus diesem Anlass veranstaltet das Altonaer Theater das Festival „Lenz auf der Bühne“, das am bereits am Sonntag mit einer großen Gala eröffnet wird.
Bis zu seinem 100. Geburtstag im März 2026 folgen 14 Sonntagsmatineen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die Uraufführung des Romans „Heimatmuseum“ und eine Neuinszenierung der Komödie „Das Gesicht“.
Schließlich – das darf ich schon heute verraten – ist 2026 ein stadtweites Literaturfestival mit dem Titel „Hamburg liest Lenz“ geplant.
Sehr geehrte Ms. Keegan,
die Jury des Siegfried Lenz Preises bezeichnet Sie als „eine der großen europäischen Erzählerinnen“. Ihre Werke wurden in 30 Sprachen übersetzt und auch verfilmt. Der Film „Small things like these“ mit Oscar-Preisträger Cillian Murphy, basierend auf dem gleichnamigen Buch, feierte in diesem Jahr bei der Berlinale Premiere und kommt am 8. November 2024 in die deutschen Kinos.
Im Interview mit dem Spiegel 2023 haben Sie gesagt: „Gutes Schreiben bedeutet gute Manieren.“ Damit sei weniger Höflichkeit gemeint. „Manieren bedeuten, mit Nähe taktvoll umzugehen.“ – also sich behutsam an sein Gegenüber und auch an seine literarischen Figuren heranzutasten. Diese Einstellung passt zu Hamburg und einer Mentalität der hanseatischen Zurückhaltung.
Ich gratuliere Ihnen herzlich zum Siegfried Lenz Preis 2024 und wünsche Ihnen eine gute Zeit in unserer Stadt.
Im Namen des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg danke ich der Siegfried Lenz Stiftung für die heutige Veranstaltung und ihr Engagement in der Literaturförderung und der Jury des Siegfried Lenz Preises für ihre Arbeit und die treffende Auswahl der Preisträgerin.
Herzlichen Dank.