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Hintergrund-Information Nachbereitung der Einrichtung des Gefahrengebietes vom 4. Januar 2014

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Einrichtung des Gefahrengebiets nachbereitet - Innenbehörde Hamburg - FHH

Blaulicht

1.  Ausgangslage

Am 20. Dezember 2013 griff eine Gruppe von etwa 150 Störern das Polizeikommissariat (PK) 15 (Davidwache) sowie davor stehende Einsatzfahrzeuge an und verursachte beträchtliche Schäden an Fenstern des Dienstgebäudes und den Einsatzfahrzeugen der Polizei. Darüber hinaus wurden auch an Geschäftsgebäuden und Privatfahrzeugen Sachbeschädigungen verübt. Am 28. Dezember 2013 wurden Polizeibeamte der Davidwache von einer Gruppe von Störern angegriffen; in diesem Tatzusammenhang erlitt ein Polizeibeamter durch einen Angriff aus nächster Nähe einen Kieferbruch. Seit November 2013 hatte es bereits verschiedene Ereignisse gegeben, bei denen durch Personen aus der linksextremistischen / linksautonomen Szene Polizeibeamte angegriffen und verletzt, polizeiliche oder andere staatliche Einrichtungen sowie die Wohngebäude von Mitgliedern der Hamburgischen Bürgerschaft und Vertretern des Senats angegriffen und beschädigt wurden. Da aufgrund von Lageerkenntnissen von einem weiterhin bestehenden erheblichen Aggressionspotenzial gegenüber Polizeikräften und polizeilichen bzw. staatlichen Einrichtungen mit nicht ausschließbaren Folgewirkungen für unbeteiligte Dritte auszugehen war, wurde am 4. Januar 2014 für den Zuständigkeitsbereich der Polizeikommissariate 15 (St. Pauli), 16 (Schanzenviertel) und einen Teilbereich des Polizeikommissariats 21 (Altona), die den Schwerpunkt der gewalttätigen Auseinandersetzungen bildeten, ein Gefahrengebiet nach § 4 Abs. 2 PolDVG eingerichtet, um den für die Polizei und ihren Dienstgebäuden, Vertretern von Senat und Bürgerschaft, anderen staatlichen Dienststellen und nicht zuletzt Bürgerinnen und Bürgern in diesem Bereich drohenden Gefahren entgegenzuwirken.

Die Einrichtung dieses Gefahrengebietes führte nicht nur in Hamburg, sondern bundesweit zu einer breiten Diskussion über deren Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit. Ein wesentlicher Kritikpunkt betraf die Größe des Gebietes. Im Nachhinein mehrten sich in den Medien auch Zweifel an einzelnen Sachverhaltsdarstellungen der Polizei Hamburg. Ursächlich hierfür waren unterschiedliche Pressemitteilungen, abweichende Informationen über Straftaten, die Anzahl der überprüften Personen und die Anzahl und Art der sichergestellten Gegenstände.

2. Polizeiinterne Nachbereitung

Der Polizeipräsident richtete am 22. Januar 2014 eine Arbeitsgruppe zur „Untersuchung der Arbeitsabläufe und Strukturen der Polizei Hamburg im Zusammenhang mit der Ausweisung des Gefahrengebietes am 04. Januar 2014 und der lageabhängigen Kontrollen“ unter Führung des Leiters des Leitungsstabes (LStL) ein. Mitglieder der Arbeitsgruppe waren Vertreter der Organisationsbereiche Leitungsstab (LSt), Direktion Einsatz (DE), Direktion Polizeikommissariate und Verkehr (DPV), des Justiziariates (J), der Pressestelle der Polizei Hamburg (PÖA) sowie des Landeskriminalamtes (LKA). Darüber hinaus haben ein Vertreter der Abteilung für Öffentliche Sicherheit, Brand- und Katastrophenschutz der Behörde für Inneres und Sport (BIS/A4) sowie Vertreter der Innenrevision die Arbeitsgruppe beratend unterstützt.

Ziel der Untersuchung war es, eine selbstkritische Schwachstellenanalyse mit Hilfe der Einsatzunterlagen, der Einsatzaufzeichnungen und der gewonnenen Erfahrungen zu betreiben und die Ergebnisse mit Lösungsvorschlägen an den Leitungsstab zu übermitteln. Diese Unterlagen und Beiträge wurden ausgewertet und dienten der Arbeitsgruppe als Arbeitsgrundlage. Zusätzlich wurden die gefertigten Berichte und Vermerke sowie die sichergestellten Verwahrgegenstände ausgewertet.

Die Untersuchung erbrachte folgende Erkenntnisse:


2.1 Einrichtung des Gefahrengebietes „PK 15, 16 und Teilgebiet PK 21“ am 04.01.2014

Das Verfahren für die Einrichtung von Gefahrengebieten nach § 4 Abs. 2 PolDVG ist in der Polizeidienstvorschrift Hamburg (PDV 350) geregelt. Nach dieser Vorschrift entscheidet der Stabsleiter der Direktion Polizeikommissariate und Verkehr (DPV) bzw. der Wasserschutzpolizei über die Einrichtung eines Gefahrengebietes. Zu diesem Zweck ist auf dem Dienstweg ein Antrag vorzulegen, der folgende Angaben enthalten muss:

·         Gebietsgrenzen,

·         konkrete Lageerkenntnisse zu Straftaten,

·         ggf. bisher getroffene Maßnahmen sowie deren unzureichende Wirkung,

·         Erforderlichkeit der Ausweisung,

·         Beschreibung der zu überprüfenden Personen.

Am 2. Januar 2014 unterrichtete der Leiter der Direktion Einsatz (DE) den Polizeivizepräsidenten über die beabsichtigte Einrichtung eines Gefahrengebietes. Der Polizeivizepräsident informierte den Polizeipräsidenten, der sich nicht im Dienst befand, von dieser Absicht.  

Am 3. Januar 2014 wurde durch die DE bei der DPV die Ausweisung eines Gefahrengebiets PK 15, PK 16 und Teilgebiet PK 21 vor dem Hintergrund der konkreten Gefahrenlage beantragt.

Durch das Justiziariat geäußerte Bedenken in Bezug auf die Erforderlichkeit (u.a. Dauer, Größe des Gebietes und Definition der relevanten Personengruppen) wurden der DE vorgetragen. Sie führten zu keiner anderen Bewertung.

Am 3. Januar wurde der Staatsrat der Behörde für Inneres und Sport über die Planungen der Polizei durch den Polizeivizepräsidenten und den Leiter der DE informiert. Der Präses wurde ebenfalls am 3. Januar darüber unterrichtet.

Der Vertreter des Stabsleiters der DPV ordnete am 3. Januar 2014 die Ausweisung des Gefahrengebiets ab dem folgenden Tag an. Ebenfalls am 3. Januar 2014 informierte die DE im Rahmen einer Besprechung die drei betroffenen Polizeikommissariate über die Einrichtung des Gefahrengebiets. Die PK-Leitungen gaben als Einzelanordnung in einer Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Arbeits- und Ablaufstrukturen vor. Die Dokumentationspflichten wurden in der 2. Kalenderwoche darin aufgenommen.

Die Information der Öffentlichkeit wurde über die Pressestelle (PÖA) veranlasst.

Am 9. Januar 2014 beantragte die DE aufgrund einer aktualisierten Lageeinschätzung des LKA die Verkleinerung der Größe des Gefahrengebiets auf das Umfeld der PK 15,16 und 21. Die Anordnung zur Umsetzung einer Gebietsverkleinerung erfolgte umgehend durch die DPV.

Am 13. Januar 2014 wurde dieses verkleinerte Gefahrengebiet „Umfelder PK 15, 16 und 21“ auf Antrag der DE aufgehoben. Die Folgeentscheidungen erfolgten jeweils unter Beteiligung des Justiziariats. Die Information der beteiligten Dienststellen, Organisationseinheiten sowie der Amtsleitung erfolgte unverzüglich durch die Direktion Einsatz.

Die Information der Öffentlichkeit wurde jeweils über die Pressestelle veranlasst; die Behördenleitung war unterrichtet.


2.2       Schwachstellen/Optimierungsbedarfe

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe haben im Rahmen der Befassung nachfolgend aufgeführte Schwachstellen identifiziert, Optimierungsbedarfe erkannt und Lösungsvorschläge erarbeitet:


2.2.1    Planungs- und Entscheidungsprozess

Die Entscheidung zur Ausweisung eines Gefahrengebietes „PK 15, 16 und Teilgebiet PK 21“ wurde aufgrund einer akuten Gefahreneinschätzung sehr kurzfristig innerhalb von zwei Tagen unter Hintanstellung anderer Einschätzungen und Beurteilungen getroffen. Hierbei wurden nicht alle betroffenen Organisationseinheiten/Dienststellen in erforderlichem Maße beteiligt bzw. informiert.

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe waren sich einig, dass die betroffenen Organisations-einheiten der DPV, einschließlich der PK-Leitungen PK 15, 16 und 21, des LKA, der Pressestelle und des Justiziariates frühzeitiger und umfassender in den Planungs- und Entscheidungsprozess hätten eingebunden werden müssen.

Die Einbindung des Justiziariats erfolgte kurzfristig im laufenden Entscheidungs- und Planungsprozess durch DE. Aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit war es dem Justiziariat nicht möglich, eine voll umfängliche rechtliche Prüfung vorzunehmen. Rechtliche Bewertungen und Bedenken zu dem beabsichtigen Gefahrengebiet, seiner Größe, den Kontrollzeiten und der Definition relevanter Personengruppen wurden zwischen den Beteiligten überwiegend mündlich ausgetauscht. Auch für die rechtliche Bewertung wäre eine frühere Beteiligung und Lageeinschätzung der betroffenen Polizeikommissariate hilfreich gewesen.

Aufgrund der Lageerkenntnisse und aus Gründen der Einsatztaktik entschied sich der Leiter der DE in Kenntnis der Bedenken für die Beantragung des Gefahrengebietes. Eine Weitergabe dieser Bedenken an die anderen Beteiligten erfolgte im weiteren Prozess nicht mehr.


2.2.2 Anordnungskompetenz

Die Arbeitsgruppe erörterte eingehend, ob die Anordnungskompetenz für die Ausweisung eines Gefahrengebietes auf die Amtsleitung zu übertragen sei. Die Teilnehmer waren sich jedoch einig, dass sich die bei dem Stabsleiter der DPV oder der Wasserschutzpolizei liegende Anordnungskompetenz in der Vergangenheit grundsätzlich bewährt hat, wie eine Vielzahl von Anordnungen gezeigt hat. Eine Änderung wurde vor diesem Hintergrund aus fachlichen Gründen nicht für erforderlich erachtet. Gleichwohl hat sich der ehemalige Polizeipräsidenten dafür entschieden, die Anordnungskompetenz auf ihn selbst oder seinen Vertreter im Amt zu übertragen, um neben den fachlichen Aspekten auch der politischen Bedeutung gerecht zu werden; der neue Amtsleiter hat diese Entscheidung ausdrücklich bestätigt.


2.2.3 Dokumentation/Datenerhebung

Nach Empfehlung der Arbeitsgruppe hat mit der Ausweisung von Gefahrengebieten zugleich eine Vorgabe hinsichtlich der allgemeinen und der besonderen Dokumentationspflichten zu erfolgen und für die beteiligten Dienststellen festzulegen. In diesem Fall wurde anfangs versäumt, die Ergebnisse der Maßnahmen innerhalb des Gefahrengebietes strukturiert zu dokumentieren.

Für das Gefahrengebiet „PK 15, 16 und Teilgebiet PK 21“ erfolgte eine Konkretisierung der Vorgaben über die Datenerhebung erst nach Einrichtung des Gefahrengebiets in der 2. Kalenderwoche.

Die einsatzführenden Polizeikommissariate PK 15, 16 und 21 legten u. a. fest, dass alle im Zusammenhang mit dem Einsatz gefertigten Vorgänge als lesefähige elektronische Kopien an die einsatzführende Dienststelle und an die DE zu senden sind, um eine abschließende und verbindliche Datenerhebung zu gewährleisten. Einige Meldungen sind jedoch nicht direkt nach dem Einsatzende, sondern erst während des nächsten Dienstes gefertigt worden.

Im Computergestützten Vorgangsbearbeitungssystem der Polizei (ComVor) gefertigte Berichte konnten und können zum Teil nur durch die aktenführende Dienststelle ausgewertet bzw. gelesen werden. Dadurch hatten die einsatzführenden Polizeikommissariate keinen Zugriff auf alle im Gefahrengebiet gefertigten Berichte. Darüber hinaus war auch kein Zugriff auf die Vorgänge möglich, die einen Staatsschutzhintergrund hatten und an das LKA versandt wurden. Diese technischen Abhängigkeiten machten es notwendig, dass alle im Zusammenhang mit dem Gefahrengebiet gefertigten Berichte in Papierform der einsatzführenden Dienststelle bis zum Dienstende vorgelegt werden mussten, was nicht immer der Fall war.

Im Zusammenhang mit der Berichtsfertigung und der händischen Datenerhebung kam es zu widersprüchlichen Angaben, die u. a. durch unterschiedliche Bezeichnungen sachgleicher Gegenstände (Pfefferspray/Tierabwehrspray; Holzstock/Holzknüppel; Quarzsandhandschuhe/Schlagschutzhandschuhe) entstanden. Ursächlich hierfür waren individuelle Fehler einzelner Berichtsverfasser. Ein strukturelles Problem in der Qualität der Berichtsverfertigung war nicht festzustellen.

Es war zudem längere Zeit nicht möglich, verlässliche Angaben über die Anzahl und die Personalien der angehaltenen Personen und der sichergestellten Gegenstände zu erhalten.

Nach Aufhebung des Gefahrengebietes hat die Direktion Einsatz bereits als erste Optimierungsmaßnahme angeordnet, dass die Berichtsfertigung jeweils spätestens bis zum Dienstende zu erfolgen hat, durch die Vorgesetzten qualitätsgesichert und an die einsatzführende Dienststelle übergeben wird.

2.2.4 Handlungssicherheit

Das am 4. Januar 2014 eingerichtete Gefahrengebiet weist hinsichtlich der Größe sowie der Lageerkenntnisse, die zur Ausweisung des Gefahrengebietes geführt haben, Besonderheiten auf. Auch die in einem Gefahrengebiet zulässigen polizeilichen Befugnisse sowie das polizeitaktische Vorgehen sind nicht alltäglich. Gerade die lebens- und dienstjüngeren Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei können in solchen Situationen nur begrenzt auf entsprechende Erfahrungen zur Einsatzbewältigung zurückgreifen. Diese Rahmenbedingungen haben bei einigen Einsatzkräften in konkreten Einsatzsituationen zu Verunsicherungen hinsichtlich der Aufgabenwahrnehmung und -abwicklung geführt.

Die DE war bestrebt, diese Handlungsunsicherheit durch eine einsatzbegleitende Fort-bildung abzubauen. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit war dies jedoch nur eingeschränkt möglich.


2.2.5 Medienarbeit

Im Nachhinein war festzustellen, dass die fehlende frühzeitige Einbindung der Pressestelle nachteilig für die Darstellung der Polizei in der Öffentlichkeit und in den Medien war. Auch die bereits genannten Prozessschwächen in den Planungs- und Entscheidungsverfahren sowie der Dokumentation und Datenerhebung waren abträglich für die Medienarbeit.

Die gebotene, aber nicht erfolgte rechtzeitige Information der Anwohner über die Gründe der Einrichtung des Gefahrengebietes und die damit verbundenen polizeilichen Maßnahmen hat zu einer negativen Berichterstattung beigetragen. Ursächlich hierfür waren darüber hinaus unterschiedliche Sachverhaltsdarstellungen im Zusammenhang mit dem Gefahrengebiet „PK 15, 16 und Teilgebiet des PK 21“, die auf nicht konsistente Informationen der beteiligten Dienststellen beruhten. Soweit rechtlich zulässig, kann die Nutzung sozialer Netzwerke künftig die Informationsmöglichkeiten der Pressestelle erweitern.

2.3 Fazit

Die Arbeitsgruppe ist insgesamt zu dem Ergebnis gelangt, dass die Ausweisung des Gefahrgebietes eine geeignete Maßnahme war, um weitere Angriffe auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sowie auf polizeiliche und andere Einrichtungen und Gebäude zu verhindern.

Es wurden jedoch folgende wesentliche Schwachstellen erkannt:

·         Die Beteiligung der betroffenen Organisationseinheiten erfolgte nicht in dem Umfang, in dem dies geboten gewesen wäre.

·         Die Information der Einsatzkräfte über Ziele und mögliche Maßnahmen war unzureichend.

·         Die Dokumentation des Einsatzgeschehens und insbesondere der Maßnahmen der Polizei war in Teilen unzureichend und unklar.

·         Die externe Öffentlichkeitsarbeit war aufgrund der internen Abläufe unklar und unzureichend.

Folgende Empfehlungen wurden gegeben, um künftige Fehler zu vermeiden:

·         Sicherstellung der frühzeitigen Beteiligung der betroffenen Organisationseinheiten der Polizei. Die/der Anordnende, das Justiziariat, PÖA und betroffene Organi-sationsbereiche, bei politisch motivierter Kriminalität der Staatsschutz, sind vor Antragstellung im Planungs- und Entscheidungsprozess zu beteiligen.

·         Die Anordnung zur Einrichtung von Gefahrengebieten obliegt künftig dem Polizeipräsidenten oder dessen Vertreter.

·         Prüfung einer Optimierung des Vorgangsbearbeitungssystems ComVor sowie Sicherstellung einer qualifizierten Berichtsfertigung.

·         Fertigung einer Handlungsanweisung über Maßnahmen sowie deren rechtliche Grundlagen in Gefahrengebieten entsprechend ihren Zielen für die eingesetzten Polizeibeamten/-innen.

·         Soweit rechtlich zulässig, Nutzung sozialer Netzwerke im Internet für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

3. Bewertung

3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Einrichtung eines bestimmten Gebiets, in dem zur Gefahrenabwehr lageabhängige Kontrollen durch die Polizei durchgeführt werden können,  ist in § 4 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) geregelt:

„(2) Die Polizei darf im öffentlichen Raum in einem bestimmten Gebiet Personen kurz-fristig anhalten, befragen, ihre Identität feststellen und mitgeführte Sachen in Augen-schein nehmen, soweit auf Grund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass in diesem Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden und die Maßnahme zur Verhütung der Straftaten erforderlich ist.“

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat die Regelung in § 4 Abs. 2 PolDVG im Grundsatz bestätigt (Urteil vom 02.10.2012 – 5 K 1236/11):

Das Gericht hat anlässlich einer Einzelfallprüfung zu polizeilichen Maßnahmen im Hamburger Schanzenviertel in der Nacht zum 01.05.2011 entschieden, dass gegen § 4 Abs. 2 S. 1 PolDVG bei verfassungskonformer Auslegung keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden: Die Norm sei noch hinreichend bestimmt, mit dem Wesentlichkeitsgebot vereinbar und verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

•           Zum einen sei der Zweck der Datenerhebung – die Verhütung von Gefahren – hinreichend bestimmt.

•           Zum anderen genüge auch der Begriff der „erheblichen Straftaten“ ebenso wie der der „konkreten Lageerkenntnisse“ dem Bestimmtheitsgrundsatz. Obgleich der Gesetzgeber es mit § 4 Abs. 2 PolDVG der Polizei überlasse, bestimmte Gefahrengebiete einzurichten, werde ferner dem Wesentlichkeitsgebot Genüge getan. Durch die Normierung der Voraussetzungen, dass in einem bestimmten räumlich abgrenzbaren Gebiet im öffentlichen Raum konkrete Lageerkenntnisse auf die Begehung erheblicher Straftaten hindeuten müssen, setze der Gesetzgeber eine nicht unerhebliche Schwelle für die Ausweisung der Gebiete.

•           Ferner sei das Gesetz auch verhältnismäßig, da die Regelung zur Erreichung eines legitimen Zweckes geeignet und erforderlich sei und davon Betroffene nicht übermäßig und unzumutbar belaste.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil die Klägerin Berufung eingelegt hat. Eine Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts steht aus.

Gegen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Ausweisung des Gefahrengebietes am 4. Januar 2014 sind derzeit drei Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Hamburg anhängig.

3.2 Bisherige Erfahrungen bei der Einrichtung von Gefahrengebieten

In den vergangenen Jahren hat die Polizei eine Reihe von Gefahrengebieten aus unterschiedlichsten Gründen eingerichtet. Dabei handelt es sich zum Beispiel um

·         Gefahrengebiete in St. Georg und St. Pauli im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität,

·         Gefahrengebiete in St. Pauli, Volksdorf, Bergedorf, Billstedt, Horn und Neuwiedenthal im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Gewalt- und/oder Eigentumskriminalität,

·         Gefahrengebiete in Lurup, Jenfeld/Hohenhorst/Rahlstedt, Othmarschen/südl. Bahrenfeld/Ottensen anlässlich einer Häufung von Kraftfahrzeugbränden,

·         Gefahrengebiete im Zusammenhang mit Fußballspielen oder Public-Viewing-Veranstaltungen anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006, Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit im Oktober 2008, der Innenministerkonferenz 2010, zudem wiederholt im Zusammenhang mit dem sog. Schanzenfest.

Das Verfahren und die festgelegten Verfahrensabläufe haben sich in der Vergangenheit grundsätzlich bewährt. Strukturelle Mängel lassen sich nicht feststellen. In der Regel hat es sich um örtlich begrenzte Lagen gehandelt, die sich über einen längeren Zeitraum entwickelt und ausreichend Raum für eine voll umfängliche und vertiefte Prüfung des Antrags auf Einrichtung eines Gefahrengebiets geboten hatten.

3.3 Besonderheiten bei dem Gefahrengebiet vom 4. Januar 2014

Bei den in der Ausgangslage geschilderten Ereignissen im November und Dezember 2013 sind schwerste Straftaten gegen die Gesundheit und das Leben von Menschen sowie gegen Sachen von bedeutendem Wert begangen worden. Ausschreitungen eines solchen Ausmaßes hatte es in den letzten Jahren nicht gegeben. Auf den Internetseiten der linksradikalen / linksautonomen Szene waren Bekenntnisse zu Straftaten von erheblicher Bedeutung zu finden und es wurden weitere, massive Straftaten angekündigt. Vor dem Hintergrund der prognostizierten Gefahren und der damit einhergehenden Eilbedürftigkeit wurde hier einer schnellen Entscheidung der Vorzug gegeben. Den an der Entscheidung beteiligten Stellen standen dadurch nicht alle erforderlichen Informationen zur Verfügung. Die Einrichtung des Gefahrengebietes erfolgte darüber hinaus kurz nach dem Jahreswechsel, so dass Einsatz-, Stabs- und Führungskräfte aufgrund urlaubsbedingter Abwesenheiten in geringerem Maße als üblich verfügbar waren.

Die Festlegung der Grenzen des Gefahrengebietes erfolgte aufgrund der polizeilichen Feststellungen, dass der Schwerpunkt der das Gefahrengebiet begründenden Taten in den Bereichen St. Pauli, Schanzenviertel und Altona lag. Es handelt sich um ein Gebiet, in dem sich die Störer bewegen und das als Rückzugsraum genutzt werden kann.

Aufgrund der kurzfristig erfolgten Entscheidung zur Einrichtung des Gefahrengebietes fehlte die Zeit für eine konzeptionelle Vorbereitung mit eindeutigen Verfahrensabsprachen und einer einheitlichen Kommunikation. Etlichen der mit den polizeitaktischen und rechtlichen Besonderheiten im Zusammenhang mit den in einem Gefahrengebiet zu treffenden Maßnahmen nicht hinreichend vertrauten Einsatzkräfte fehlte die notwendige Handlungssicherheit. Das Fehlen einer strukturierten Datenerfassung führte zu widersprüchlichen Informationen.

Die Analyse zeigt insgesamt, dass die Anwendung des § 4 Abs. 2 PolDVG und der dazu ergangenen polizeiinternen Regelungen keine strukturellen Mängel aufweisen. Die aufgezeigten Schwachstellen bei der Einrichtung des Gefahrengebiets am 4. Januar 2014 in Altona beruhen vielmehr auf den dargelegten Besonderheiten dieses Einzelfalles. Aus Sicht der Polizei und der zuständigen Behörde sind die genannten Handlungsempfehlungen geeignet, um entsprechende Schwierigkeiten bei der Einrichtung von Gefahrengebieten nach § 4 Abs. 2 PolDVG zukünftig zu vermeiden.

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Die Behörde für Inneres und Sport im Internet: www.hamburg.de/innenbehoerde

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