Bezirk | Bergedorf |
Einwohner | 2.912* |
Einwohner pro km² | 207* |
Fläche | 14,1 km²* |
Idyllische Bracks
Schafe grasen in großer Gruppe einträchtig auf dem Deich, auf der anderen Seite fällt der Blick auf plattes Land und große Gewächshäuser. Hier, am Gauerter Hauptdeich, ist die Atmosphäre beschaulich und entspannt. Ochsenwerder liegt abseits der großstädtischen Hektik und doch nahe an Hamburgs Innenstadt: In dreißig Autominuten ist der Stadtteil im Südosten erreicht.
Wer hier wohnt, hat viel Platz: Nur 2.536 Menschen leben auf 14,1 Quadratkilometern. Zahlreiche Bracks säumen die Elbdeiche. Es sind stumme Zeugen von Deichbrüchen bei Sturmfluten, inzwischen idyllische Binnengewässer.
Reger Gemüseanbau
Typisch für Ochsenwerder: Zahlreiche Hofläden, bei denen man Spargel, Ingwer und andere Köstlichkeiten der Natur kaufen kann. Ochsenwerder wird immer noch durch seinen landwirtschaftlichen Charakter geprägt. Während dort einst hauptsächlich Getreide für Hamburg angebaut wurde, ist heute der Gemüseanbau – ergänzt durch die Blumenzucht – vorherrschend. Einige Betriebe haben auf Bioproduktion umgestellt.
Schon recht lange besteht zum Beispiel die Demeter Gärtnerei Sannmann: Seit mehr als 200 Jahren bewirtschaftet und pflegt die Familie den fruchtbaren Boden im Gebiet. Interessierte können den Demeter-Anbau bei Gärtnerei-Führungen sowie Hoffesten kennenlernen. Sie erfahren dabei Wissenswertes über die Kompost-Herstellung, biologisch-dynamische Präparate und das Bodenleben.
Zu den Produkten, die unter anderem in einer Abo-Kiste angeboten werden, zählen Kräuter und Wildsalate. Dazu alte, fast vergessene Tomatensorten wie die Vierländer Platte, die bei Sannmanns weitergezüchtet werden und auf dem traditionellen Tomatenfest der Gärtnerei präsentiert werden. Dann strömen die Gäste von nah und fern herbei, um Tomatengerichte zu kosten und gemeinsam zu feiern.
Surfen am Hohendeicher See
Auch sonst ist Ochsenwerder ein beliebtes Ausflugsziel. Im Sommer besuchen viele Erholungssuchende den Hohendeicher See – auch bekannt als Oortkatensee – um zu baden, zu angeln oder zu surfen. Im Sommer sieht man etliche Gäste, die am Ufer ihre Sonnenschirme und Campingstühle aufgestellt haben, in Ruhe ein Buch lesen oder über das glitzernde Wasser schauen. An einer gut besuchten Badestelle des 62 Hektar großen Sees hat sich Onkel Dieter's Imbiss positioniert. Dahinter verharren Pferde auf einem eingezäunten Grundstück, während sich in der Ferne Windräder drehen.
Der ehemalige Bahndamm der Marschbahn lockt zum Radfahren, Spazierengehen oder Skaten. Er ist überdies Bestandteil des Elberadweges. Auch Yachthäfen, Kleingartenvereine und Dauercampingplätze sind für die Hamburger als Naherholung entstanden. Fährt man etwa gemächlich durch das Landschaftsschutzgebiet, so stößt man nahe der Gaststätte See-Pavillon auf die Campinggemeinschaft „Op de Wisch“.
Ein ähnliches Szenario findet sich übrigens auch im Norden Ochsenwerders, wo die Gose Elbe fließt. Die Landschaft ist ein wahres Naturparadies und auf dem Fluss fahren die Ruderer auf der Regattastrecke Allermöhe um die Wette. Von dort ist auch das Naturschutzgebiet Die Reit im Nachbarstadtteil Reitbrook nicht weit.
Im Fass schlafen
Übernachtungswillige finden seit jüngster Zeit in Ochsenwerder ein ganz ungewöhnliches Plätzchen: Arne Meyer hat 2015 Hamburgs erstes Fasshotel eröffnet. Bei Meyer, der seit mehr als 20 Jahren die Wein- und Friesenstube in Ochsenwerder betreibt, kann man in einem Holzfass schlafen. Vier Schlummerfässer hat er bisher in der Gartenanlage seines Lokals aufgestellt; in einem davon sind Dusche, Toilette und Waschbecken untergebracht.
In Ochsenwerder hat 2015 zudem der erste 18-Loch-Platz für Fußballgolf eröffnet. Dabei braucht man keine Platzreife zu erwerben und in edler Stoffhose anzutreten. Ein Fußball muss lediglich auf 18 Bahnen mit möglichst wenigen Fußschüssen eingelocht werden. Dort kann man sich zudem in Swingolf versuchen, bei dem ein etwas größerer Ball als beim klassischen Golf zum Einsatz kommt.
Ochsenwerder reizt natürlich nicht nur für einen Tag. Viele Stadtmüde können sich vorstellen, dort zu wohnen. Und so sind bereits alle Grundstücke auf dem ehemaligen BIG-Gelände (Bildungs- und Informationszentrum des Gartenbaus) am Ochsenwerder Landscheideweg verkauft. Auf der fünf Hektar großen Fläche will die NCC Deutschland GmbH 50 Einfamilienhäuser und 18 Doppelhaushälften bauen.
Im Jahr 1991 wurde in Ochsenwerder übrigens die erste Windkraftanlage Hamburgs aufgestellt. Wind-Untersuchungen hatten ergeben, dass dort die westlichen Winde fast so stark wie an der Küste ankommen.
Gasthof wird zum Wohnprojekt
Andere Land-Liebhaber haben sich fürs gemeinsame Bauen entschieden. So soll im ehemaligen „Rieges Gasthof“ am Ochsenwerder Kirchendeich das Wohnprojekt „Stadt.Land.Fluss“ verwirklicht werden. Die Idee hinter dem Mehrgenerationenprojekt mit 18 Wohnungen: Solidarisches Miteinander und Lust auf nachhaltiges, selbstbestimmtes Leben. Ein Teil des Gasthof-Saals, der den Bürgern des Dorfes ans Herz gewachsen ist, soll erhalten werden. Ansonsten ist der Gasthof, der seit Jahren leer steht, bereits teilweise abgerissen worden.
Das Schützenfest, das die Ochsenwerder Schützengemeinschaft dort traditionell abgehalten hatte, fand daher 2016 erstmals in einem großen Zelt statt: in Rieges 2.0. Dass in Ochsenwerder großer Gemeinsinn und Zusammenhalt herrscht, zeigen zahlreiche weitere Zusammenschlüsse: vom Ochsenwerder Segelclub über die Landfrauen, der Freiwilligen Feuerwehr bis hin zu mehreren Gesangsvereinen, dazu Ortsverein, Heimatring und der Verein „Unser Dorf erhalten“.
Unter Denkmalschutz
Von besonderer Bedeutung ist der Dorfkern von Ochsenwerder mit der St. Pankratius-Kirche von 1674 und dem Pastorat von 1634 – das älteste Pastorat der Vier- und Marschlande. Beide Gebäude gruppieren sich um das Pastorenbrack und bilden zusammen mit dem historischen Baumbestand ein malerisches Ensemble, das unter Denkmalschutz steht.
Die Kirche enthält noch Inventar aus der vorherigen Kirche, wie zum Beispiel den farbenprächtigen Altar des Hamburger Bildschnitzers Hein Baxmann von 1633. Die Kanzel und das Juratengestühl werden ebenfalls Baxmann zugeschrieben. Die Orgel von 1708 ist ein Werk des berühmten Orgelbaumeisters Arp Schnittger. Auf dem Friedhof befindet sich auch ein Naturdenkmal, eine 800 Jahre alte Eibe.
Früh kultiviert
Der Name des Stadtteils geht darauf zurück, dass seit jeher Ochsen auf der Elbinsel weideten. 1142 wurde Ochsenwerder erstmals urkundlich unter dem Namen „Ameneberg“ erwähnt, der Begriff „Ossenwerthere“ stammt von 1254.
Das Gebiet ist seit Mitte des 12. Jahrhunderts besiedelt. Ab 1231 wurde Ochsenwerder eingedeicht und kultiviert, die Bewohner durften dort allerdings keine Häuser bauen. Im Laufe der Zeit kam es immer wieder zu Sturmfluten, die starke Schäden anrichteten und die Gegend verwüsteten. Das war für den Grafen von Holstein, damals Landherr, stets mit hohen Kosten verbunden. Daraufhin verkaufte er Ochsenwerder 1395 an die Stadt Hamburg, die schließlich Land und Fluss sicherte.
So entstand spätestens im 15. Jahrhundert ein „Spieker“ im Bereich des heutigen Gauerter Hauptdeichs, direkt gegenüber der Bunthäuser Spitze. Dort wurde über die Sicherung des Stapelrechts gewacht. Im Gebäude war eine Wachmannschaft stationiert, und es gab Räume für den Landherrn.
Anfang des 17. Jahrhunderts verschwand der Spieker. Für die Verwaltungsangelegenheiten der Marschlande setzte Hamburg 1461 die „Landherrenschaft der Marschlande“ ein, der ein Senator vorstand. Er hatte die uneingeschränkte Macht über die Landesteile und übte auch die Rechtsprechung aus.
Leidvolle Besatzung
Die Einwohner litten nicht nur unter diversen Sturmfluten, sondern auch unter feindlichen Truppen: 1649 besetzten die Schweden die Gegend und hausten auf den Bauernhöfen. Zur Zeit der Bürgerlichen Unruhen in Hamburg besetzten die Celler 1686 die Vierlande, Ochsenwerder, Tatenberg, Spadenland und Bergedorf. Besonders litt die Bevölkerung jedoch unter der Franzosenzeit von 1806 bis 1814: In Ochsenwerder, Tatenberg, Spadenland und Moorwerder gab es nicht nur große Zahlen von Einquartierungen, auch das Land wurde völlig ausgebeutet.
Zudem waren die Orte 1813/14 direktes Kampfgebiet. Zeitweilig waren mehr als 100 Soldaten in einem Haus einquartiert und mussten von den Einheimischen verpflegt werden. Auch zu Kriegsende herrschte in Ochsenwerder viel Leid. Die Bevölkerung war verarmt und es gab kein Korn mehr. Deiche, Dämme, Schleusen sowie Brücken waren stark beschädigt und die Felder versumpft.
Bau der Wege und Entwässerungsanlage
Noch bis ins jetzige Jahrhundert hinein waren die Wasserwege die wichtigsten Verkehrsverbindungen, ein Wegenetz war kaum vorhanden. Um dem dann allgemein zunehmenden Kraftfahrzeugverkehr Herr zu werden, mussten Wege ausgebaut und neue angelegt werden. Diese Arbeiten begannen 1920. Das Industriezeitalter brachte auch den Bau der Marschbahn mit sich, die von 1928 bis 1952 die Strecke Geesthacht – Billbrook befuhr. Im Gebiet gab es drei Bahnhöfe.
Ein Segen war der Bau der Ent- und Bewässerungsanlage mit dem Pumpwerk am Ochsenwerder Norderdeich 1924. Erstmals konnte das Land zweckmäßig ent- und bewässert werden. Die vorher so zahlreich vorhandenen, für Ochsenwerder typischen Feldentwässerungsmühlen, die ohne Wind und bei hohem Oberwasser nicht arbeiten konnten, verschwanden aus dem Landschaftsbild. Heute ist nur noch eine Mühle vorhanden: Sie befindet sich im Freilichtmuseum Rieck Haus in Curslack und stammt vom Ochsenwerder Norderdeich.
Karte
*Quelle: Hamburger Stadtteilprofile, Statistikamt Nord (Stand: Jan 2019)