Leichte Sprache
Gebärden­sprache
Ich wünsche eine Übersetzung in:

Infoline-Archiv 2008: Globalrichtlinien zu § 94 SGB XII

Leichte Sprache
Gebärden­sprache
Ich wünsche eine Übersetzung in:

Unterhalt. Gültig vom 01.01.2005 bis 31.12.2008.

Infoline-Archiv 2008: Globalrichtlinien zu § 94 SGB XII

1. Bedeutung und Zielsetzung der Regelung

Der Sozialhilfeträger ist aufgrund des Nachrangs der Sozialhilfe verpflichtet, Unterhaltsansprüche im Rahmen des § 94 SGB XII umgehend zu sichern und zu realisieren. Nach § 2 SGB XII hat der Hilfeempfänger vorrangig vor der Gewährung von Sozialhilfe unterhaltspflichtige Angehörige auf Unterhalt in Anspruch zu nehmen. § 94 SGB XII dient der Wiederherstellung des Nachrangs der Sozialhilfe in den Fällen, in denen Unterhaltspflichtige nicht leisten, indem der Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers auf den Sozialhilfeträger übergeht, wenn und soweit Sozialhilfe geleistet wird.
2. Gesetzliche Grundlagen

Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII geht  der Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers kraft Gesetzes auf den Träger der Sozialhilfe über.

Voraussetzung für diesen gesetzlichen Anspruchsübergang ist jedoch, dass dem Hilfeempfänger ein Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht zusteht und ein Unterhaltsbedarf nach bürgerlichem Recht vorliegt.

Der Anspruchsübergang ist auf Verwandte des ersten Grades (Eltern und Kinder) und auf gesetzliche Unterhaltspflichten aus Ehen, Lebenspartnerschaften und aus nichtehelicher Elternschaft begrenzt. Ausgeschlossen davon sind Unterhaltspflichtige, wenn sie  zu dem in  § 19 SGB XII genannten Personenkreis gehören.

2.1 Umfang des Anspruchsübergangs

Das Vorliegen und der Umfang des Unterhaltsanspruchs hängen in erster Linie von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und der Bedürftigkeit des Hilfeempfängers ab.

Neben den gesetzlichen Unterhaltsansprüchen kommt auch ein Übergang von vertraglichen Unterhaltsansprüchen in Betracht.

Der Unterhaltsanspruch geht „für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird“ auf den Träger der Sozialhilfe über. D. h. es muss zwischen Unterhaltspflicht des Unterhaltspflichtigen und dem Zeitraum der Sozialhilfeleistung des Sozialhilfeträgers zeitliche Deckungsgleichheit  bestehen.

Der Unterhaltsanspruch geht „bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen“ über. Hieraus ergibt sich eine Begrenzung des übergehenden Unterhaltspruches auf diesen Höchstbetrag.
2.2 Wirkung des Anspruchsübergangs

Mit dem Übergang des Unterhaltsanspruchs tritt an die Stelle des Hilfeempfängers (bisheriger Unterhaltsgläubiger) der Träger der Sozialhilfe (neuer Gläubiger). Der Sozialhilfeträger erlangt das Recht, den Unterhaltsanspruch im eigenen Namen geltend zu machen und zu verfolgen. Durch den Übergang ändert sich der Unterhaltsanspruch in seinem zivilrechtlichen Wesen nicht und bleibt auch in der Hand des Sozialhilfeträgers privatrechtlicher Natur.

Der nach bürgerlichem Recht bestehende Unterhaltsanspruch eines Hilfeempfängers geht  zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII).

Der unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch nach § 1605 BGB erstreckt sich auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen sowie auf Vorlage entsprechender Belege und ermöglicht dem Sozialhilfeträger die Prüfung, ob ein Unterhaltsanspruch überhaupt besteht.

Neben dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch besteht für den Sozialhilfeträger auch weiterhin der öffentlich-rechtliche Auskunftsanspruch nach § 117 SGB XII, der ihm die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs im Wege der Verwaltungsvollstreckung  ermöglicht.
2.3 Ausschluss des Anspruchsübergangs

Für die in § 94 Abs. 1 Satz 2 – 6 sowie Abs. 3 Satz 1 SGB XII aufgezählten Tatbestände ist der Übergang des Unterhaltsanspruches auf den Sozialhilfeträger ausgeschlossen. Des Weiteren ist der Übergang von Ansprüchen in Fällen unbilliger Härte ausgeschlossen (§ 94 Abs. 3 Satz 1 SGB XII).  Der Begriff „unbillige Härte“ stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der der Verwaltung ein Ermessen einräumt, und dessen Anwendung der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes soll die Auslegung des Begriffes „unbillige Härte“ den sich wandelnden Anschauungen der Gesellschaft entsprechen. Bei der Auslegung der Härteklausel ist die Zielsetzung der Hilfe zu berücksichtigen, daneben aber auch die allgemeinen Grundsätze der Sozialhilfe, insbesondere der Grundsatz der familiengerechten Hilfe (§ 16 SGB XII). Eine Härte kann daher vorliegen, wenn zu befürchten ist, dass durch die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen eine nachhaltige Störung des Familienfriedens eintritt, die das weitere Verbleiben des Hilfeempfängers im Familienverband erschweren würde.
2.4 Begrenzung des Anspruchsübergangs 

Der Unterhaltsanspruch geht nur über, soweit ein Hilfeempfänger sein Einkommen und Vermögen einzusetzen hat.Dem Unterhaltspflichtigen ist zur Deckung seines eigenen Unterhalts ein notwendiger Eigenbedarf (Selbstbehalt) zu belassen, der ihn nicht schlechter stellt als den Hilfeempfänger.
2.5 Rückübertragung übergegangener Unterhaltsansprüche

§ 94 Abs. 5 SGB XII lässt grundsätzlich eine Rückübertragung übergegangener Unterhaltsansprüche auf den Hilfeempfänger zu.

Durch die Rückübertragung wird der Hilfeempfänger in die Lage versetzt, neben dem zukünftigen Unterhalt auch die bereits auf den Träger der Sozialhilfe übergegangenen Unterhaltsansprüche einklagen zu können.

Von der Rückübertragung soll aber nur in besonders gelagerten Einzelfällen Gebrauch gemacht werden. Näheres hierzu ist in der Konkretisierung „Richtlinie zur Inanspruchnahme von Unterhaltspflichtigen nach § 94 SGB XII“ ausgeführt.
3. Feststellung der Unterhaltsfähigkeit und Festsetzung der Unterhaltsforderung

Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen hängt ab von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen und von dem ihm zustehenden Selbstbehalt. Auch andere gleichrangige oder vorrangige Unterhaltsverpflichtungen sind zu berücksichtigen.

Die Höhe des Selbstbehaltes richtet sich nach der Art der Unterhaltsverpflichtung. Bei gesteigerter Unterhaltsverpflichtung (z. B. Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern; Ehegatten untereinander) ist der Selbstbehalt der notwendige Eigenbedarf und bei nicht gesteigerter Unterhaltsverpflichtung (z. B. Kinder gegenüber Eltern) der angemessene Eigenbedarf.  Zur Feststellung der jeweiligen Eigenbedarfe bzw. Selbstbehalte und zur Festsetzung des zu leistenden Unterhaltsbetrages sind die von den Oberlandesgerichten entwickelten Leitlinien und Tabellen anzuwenden. Die Oberlandesgerichte folgen dabei in den alten Bundesländern überwiegend den Bemessungsätzen der „Düsseldorfer Tabelle“ und in den neuen Bundesländern denen der „Berliner Tabelle“.

Bei der Ermittlung des notwendigen Eigenbedarfs bei gesteigerter Unterhaltsverpflichtung ist zusätzlich eine sozialhilferechtliche Vergleichsberechnung unter Berücksichtigung eines Zuschlags von 20 % des jeweils maßgeblichen Regelsatzes zur Vermeidung von Sozialhilfebedürftigkeit des Unterhaltspflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen, die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft leben, durchzuführen.

Bei der Festsetzung der Unterhaltsforderung ist nach der Düsseldorfer Tabelle und den Leitlinien des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg folgendes zu beachten:

  • Der ermittelte Unterhaltsbetrag ist grundsätzlich in voller Höhe als Unterhaltsforderung festzusetzen.
  • Beim Elternunterhalt ist zusätzlich zum Mindestselbstbehalt die Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens  anrechnungsfrei.
  • Bei nicht gesteigerter Unterhaltspflicht soll der verbleibende Eigenbedarf bzw. Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen nicht niedriger sein als die festgesetzte Unterhaltsforderung.

4. Verfahren

Nach § 94 Abs. 4 SGB XII setzt die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen aus dem übergegangenen Unterhaltsanspruch neben den Voraussetzungen des Bürgerlichen Rechts voraus, dass dem Unterhaltspflichtigen die Gewährung der Sozialhilfe schriftlich mitgeteilt worden ist. Die Mitteilung erfolgt durch die sog. Rechtswahrungsanzeige. Diese Mitteilung muss enthalten, dass (und möglichst auch wie viel), an wen und seit wann Sozialhilfe geleistet wird. Die Rechtswahrungsanzeige ist kein Verwaltungsakt, sondern hat vielmehr den Charakter einer zivilrechtlichen Erklärung, dass der Hilfeempfänger unterhaltsbedürftig ist und dass Unterhaltsgläubiger nunmehr der Sozialhilfeträger ist.

Entscheidend für die Frage, von welcher Zeit an der Sozialhilfeträger aus dem übergegangenem Anspruch Unterhalt für die Vergangenheit verlangen kann, ist der Zugang der Rechtswahrungsanzeige beim Unterhaltspflichtigen, insoweit ist ein Zugangsnachweis erforderlich.

Der übergegangene Unterhaltsanspruch wird geltend gemacht, indem der Sozialhilfeträger unter Bezugnahme auf die Rechtswahrungsanzeige den Unterhaltspflichtigen zur Zahlung eines bestimmten Unterhaltsbetrages auffordert. Diese Zahlungsaufforderung ist kein Verwaltungsakt, sondern eine zivilrechtliche Inanspruchnahme. Bei Zahlungsverweigerung ist deshalb die Forderung vor dem zuständigen Zivilgericht einzuklagen.

5. Konkretisierungen, Richtlinien

Die Bezirksämter und die Behörde für Soziales und Familie können zur Ausfüllung dieser Globalrichtlinie verbindliche Verfahrensweisen und Konkretisierungen vereinbaren. Diese dürfen den Wesensgehalt der Globalrichtlinie nicht berühren.

Auf die „Richtlinie zur Inanspruchnahme von Unterhaltspflichtigen nach § 94 SGB XII“ als Konkretisierung zu dieser Globalrichtlinie wird hingewiesen.

6. Berichtswesen

In welcher Form die Leistungsfälle, in denen der Anspruchsübergang nach § 91 SGB XII (vgl. Fußnote 1) zu tatsächlichen Unterhaltsleistungen von Unterhaltspflichtigen geführt hat, dokumentiert werden sollen, wird gesondert zwischen den Bezirksämtern und der Fachbehörde vereinbart.

7. In Kraft treten und Geltungsdauer

Diese Globalrichtlinie tritt am 1. 1. 2005 in und am  31.12.2008 außer Kraft.

Themenübersicht auf hamburg.de

Empfehlungen

Anzeige
Branchenbuch