St. Joseph Hamburg

Kiezkirche zwischen Nachtclubs

Mitten im Hamburger Amüsier- und Rotlichtviertel, dem weltbekannten St. Pauli, auf der Großen Freiheit, steht die katholische St. Joseph-Kirche. Eine der schönsten Barockkirchen nördlich der Elbe "versteckt" sich zwischen Sex- und Nachtclubs.

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Franz Josef Köninger

Gestaltung der St. Joseph-Kirche

Die Barockkirche St. Joseph ist ein aus Backstein gefertigter Saalbau. Das mächtige Portal wirkt beeindruckend. Eine Heiligenfigur über der Kirchenpforte empfängt den Besucher. Es ist der Heilige Joseph mit dem Jesuskind. Eine Schar Engel umringt sie. Hohe, mit Sandsteinelementen verzierte Fenster rahmen das Portal ein. Zusammen mit dem von Voluten geschmückten Giebel bildet diese Fassade eines der wichtigsten Zeugnisse der Barockkunst im späteren Hamburger Stadtgebiet.

Die Kirche stellt einen klaren Kontrast zu den übrigen Gebäuden auf der Großen Freiheit dar. Die dort ansässigen Nachtclubs säumen den Weg zur Reeperbahn. Von dort sind es nur wenige Gehminuten bis zu dem jüdischen Friedhof Altona und zu der Kirche St. Trinitatis. In entgegengesetzter Richtung folgen der Hans-Albers-Platz und der Hamburger Berg

Krypta mit Beinhaus

Unter der Kirche befindet sich eine beeindruckende Krypta. Diese wurde bis zum November 2015 renoviert und beinhaltet seitdem ein Beinhaus. In dem Kellergewölbe liegen – von einer Glasscheibe geschützt – die Gebeine von zirka 350 Menschen, die zwischen 1719 und 1886 unter St. Joseph bestattet wurden. Die Knochen waren lange in den zugemauerten Katakomben der Kirche verschollen und wurden erst 2011 bei Vermessungsarbeiten wiederentdeckt. 

Unter den Gebeinen befinden sich unter anderem die sterblichen Überreste des Hamburger Landschaftsmalers Johann Joachim Faber und des französischen Generals und Ottenser Gastwirts César Lubin Claude Rainville sowie seiner Ehefrau Jeanne. Neben der Beinkammer finden sich in der Krypta weitere Ausstellungsstücke, die Grabbeilagen wie Rosenkränze, Kruzifixe oder Eheringe zeigen. Zudem gibt es Schautafeln, die über die Geschichte von St. Joseph informieren.

Die Krypta soll als Ort der Andacht dienen, an dem man sich frei nach dem Motto „Memento mori“, „Denke daran, dass du stirbst“, mit dem Thema Leben und Tod auseinandersetzen soll. Derzeit ist die Krypta mittwochs nach dem Mittagsgebet von 12:15 bis 13 Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich. Führungen sind in Absprache mit der Pfarrei St. Joseph möglich.

Königliches Privileg und Stadtbrand führen zum Bau der Barockkirche

Die katholische Gemeinde Altona wurde bereits 1594 gegründet und ist damit die älteste katholische Gemeinde in Norddeutschland. Das Recht, katholische Gottesdienste zu feiern, gab es im streng lutherischen Hamburg nicht, doch Altona gehörte damals noch zum Herzogtum Holstein.

Ab 1640 war Altona dem dänischen Königshaus unterstellt und bekam 1658 das Privileg der Glaubensfreiheit verliehen. Dazu gehörte ein Bauplatz auf der Großen Freiheit, wo ab 1660 mit dem Bau einer Kapelle begonnen wurde. Diese erste nach der Reformation in Nordeuropa errichtete katholische Kirche wurde beim Altonaer Stadtbrand 1713 zerstört. Von 1718 bis 1721 wurde ein zweiter Kirchenbau errichtet und St. Joseph geweiht. Der Baumeister war Melchior Tatz. Er orientierte sich an italienischen Vorbildern.

St. Joseph Hamburg-Altona: eine Barockkirche im Wandel

Die St. Joseph-Kirche wurde üppig mit barocken Kunstwerken ausgestattet. Doch Bombenangriffe während des Zweiten Weltkrieges zerstörten die Kirche fast vollständig, der Innenraum brannte aus, lediglich die Fassade blieb schwer beschädigt stehen.

Von 1953 bis 1955 wurde St. Joseph unter der Leitung von Georg Wellhausen wieder aufgebaut. Allerdings wurde nur das der Großen Freiheit zugewandte Portal restauriert. Der Rest des Gebäudes musste erneuert werden und bekam eine eher schlichte, moderne Ausstattung. In den Siebzigerjahren wollte man die frühere prunkvolle Festlichkeit des Kirchenraums zurückhaben. Architekt Jörn Rau übernahm die Aufgabe, die ursprüngliche, barocke Gestaltung annähernd wieder herzustellen.

Heute vermitteln zarte Wandfarben und ein dominierender Hauptaltar mit Seitenaltären einen Eindruck der früheren Gestalt. Der Altar von 1937 stand 30 Jahre lang in einer Kirche in Salzkotten. Bei deren Umgestaltung war er zwar in keinem guten Zustand, dennoch ergab ein Gutachten, dass er für die Rebarockisierung der St. Joseph-Kirche eine großartige Bereicherung darstellen würde. Nach seiner Restaurierung in 1976 überließ man ihn zeitlich unbefristet der Kirche auf der Großen Freiheit.