Großer Konzertsaal

Das Akustik-Wunder

Der Große Saal ist das Herzstück der Elbphilharmonie. Erbaut nach dem Weinberg-Prinzip, bietet der Saal eine Klangkulisse, die begeistert. Die Klangarchitektur stammt vom renommierten japanischen Akustik-Designer Yasuhisa Toyota.

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Das Orchester spielt mitten im Saal

Der Große Saal der Elbphilharmonie mit seinen 2150 Plätzen ist nach dem Weinberg-Prinzip gebaut, mit einem beinahe zentralen Podium und von terrassenförmig aufsteigenden Zuschauerrängen umgeben. Dirigent und Orchester befinden sich mitten im Saal. Das Vorbild für solche Konzertsäle befindet sich in der von Hans Scharoun entworfenen Berliner Philharmonie von 1963. 

Auf der Suche nach dem perfekten Klang: Weinberg versus Schuhschachtel    

Konzertsäle sind sehr spezielle Räume. In ihnen muss klassische Musik perfekt klingen, dabei spielt die Form des Saales eine entscheidende Rolle. Neben dem "Weinberg", gibt es das Modell "Schuhschachtel". Letzteres ist der konventionelle langgestreckte, rechteckige Raum, an dessen Vorderseite sich die Bühne befindet, so wie man es beispielsweise von der Hamburger Laeiszhalle kennt. Auch der "Mozart-Saal" in Wien folgt diesem Schema - und genießt weltweiten Ruf wegen seiner einzigartigen Akustik. Alle "Schuhschachtel-Säle" haben aber einen Nachteil: Die Hörer in den hinteren Reihen haben keinen guten Blick auf das Orchester. 

Da sich bei einem nach dem Weinberg-Prinzip erbauten Konzertsaal Dirigent und Orchester mitten im Saal befinden, hat das Publikum von allen Plätzen zwar einen guten Blick. Doch die Form des "Weinbergs hat ihre Tücken in puncto Akustik. Der Klang der Musik wird nur als angenehm empfunden, wenn höchstens fünf Prozent des Schalls das Ohr direkt erreichen. Der Schall muss deshalb zuvor mindestens einmal reflektiert worden sein. Diese Reflexion zu steuern, ist bei Weinberg-Sälen ungleich schwieriger als bei der „Schuhschachtel“. Auch die gefürchteten Echos, die den Musikgenuss verderben könnten, sind schwerer zu beherrschen. Das Prinzip Weinberg gilt deshalb als ultimative Herausforderung für alle Akustiker.

Mit Yasuhisa Toyota wurde ein Weltstar unter den Akustik-Designern engagiert

Die Hamburger wünschten sich einen "demokratischen" Konzertsaal für die Elbphilharmonie, bei dem die Musik im wörtlichen Sinn im Mittelpunkt steht. Die Architekten Herzog und de Meuron entwarfen darum einen Saal nach dem Weinberg-Prinzip. Als Akustiker wurde Yasuhisa Toyota, der Japaner ist einer der weltweit renommiertesten Akustiker.  Damals hatte Toyotas schon rund 60 Konzertsäle realisiert, unter anderem das Konzerthaus in Kopenhagen oder die Konzerthalle in St. Petersburg. Toyota war nicht zufällig der Wunschkandidat des perfektionistischen Architektenduos. 

"Wenn man es als Akustiker schafft, dass das Publikum die große Distanz zur Musik nicht mehr wahrnimmt, hat man gute Arbeit geleistet."  (Yasuhisa Toyota)

Toyota machte seinem Ruf alle Ehre und erschuf eine Klangkulisse in der jeder einzelne Ton glasklar zu hören ist. Um die Reflexionen perfekt auszusteuern, erdachte Toyota eine innovative Wandverkleidung, die "Weiße Haut". Diese verdankt ihren Namen den rund 10.000 Gipsfaserplatten, die sich an die geschwungenen Wände, Decken und Balkone schmiegen. Jede einzelne Platte ist ein Unikat aus Winkeln, Wellen und Furchen, so dass der Schall optimal im Saal verteilt wird. Außerdem ließ Toyota einen mächtige Reflektor unter der Decke anbringen, der nach oben entweichende Töne, zurückschickt. Schließlich setzte Toyota den Konzertsaal noch auf 360 Stahlfedern. Dadurch schwebt der Konzertsaal sozusagen im Raum und ist völlig schallisoliert. 

Rund 10.000 Platten - und keine ist identisch

Die einzigartige Verkleidung des großen Konzertsaals in der Elbphilharmonie, die sogenannte "Weiße Haut" aus Gipsplatten, wurde mit Hilfe aufwendiger 3D-Berechnungen und Tests entwickelt. Keine Platte ist identisch, jede hat eine einzigartige gefräste Struktur, bestehend aus Wellen, Tälern und Riefen. Die insgesamt muschelförmige Struktur sorgt dafür, dass sich Schall an jeder Stelle des Saals bestmöglich bricht - die Voraussetzung für eine optimalen Klang. Jede eine einzelne Platte wiegt rund 70 Kilogramm ist äußerst massiv und nicht brennbar.

Ein weltbekannter Akustiker und ein universeller Informatiker

Den Raumklang des Großen Saals hat  einer der bekanntesten Akustiker der Welt, der Japaner Yasuhisa Toyota, vorher berechnet. Toyota baute den Saal sogar im Maßstab 1:10 als Modell nach, um mit Mikrofonen das Klangverhalten zu simulieren. Am Ende entwickelte er die "Weiße Haut". Aber auch Benjamin Samuel Koren, Informatiker und Musiker, Architekt und Feingeist, hat einen großen Anteil an der herausragenden Akustik des Großen Saals.

Koren wurde in Frankfurt geboren, wuchs in den USA auf und studierte in Miami Architektur, Film und Musik. 2009 beauftragten ihn die Architekten der Elbphilharmonie, Herzog und de Meuron, mit der Berechnung der Oberflächen für die „Weiße Haut“. Da hatte sich der universell interessierte Koren gerade mit seinem Unternehmen selbstständig gemacht. Das Projekt Elbphilharmonie war einer seiner ersten Aufträge.

Nach den Vorgaben der Akustiker entwickelte Koren ein Computerprogramm, das für jede Gipsplatte eine individuelle Oberflächenstruktur berechnete. Am Ende existierten 10.000 Datensätze, denn je "chaotischer", desto besser wird der Klang an jeder beliebigen Stelle im Saal gestreut. „Microshaping“ heißt dieses Verfahren - ein komplexes Zusammenspiel physikalischer Gesetze und mathematischer Algorithmen.





 


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