Der Rechnungshof berichtet mit der heute dem Senat und der Bürgerschaft vorgelegten Beratenden Äußerung nach § 81 Absatz 2 LHO – zeitgleich mit der Einbringung des Haushaltsplan-Entwurfs 2021/2022 in die Bürgerschaft – über seine Einschätzung zur aktuellen Haushaltslage.
2020/2021 ergibt sich eine Phase der Neuverschuldung, die in ihrer Dimension einmalig sein dürfte: Wegbrechende Steuereinnahmen treffen auf große Hilfsprogramme. Der Schuldenstand des Kernhaushalts wird in der Zeit von 2018 bis 2024 einschließlich der HSH-Mittel um 9,7 Mrd. Euro steigen.
Der Rechnungshof kommt gleichwohl zu dem Schluss, dass es angesichts der großen Aufgabe der Bewältigung der Covid-19-Pandemie und ihrer Folgen nicht zu kritisieren ist, jetzt Milliardensummen für entsprechende Hilfsprogramme zur Stabilisierung der Wirtschaft und für die Abfederung von Belastungen der Pandemie zur Verfügung zu stellen. Das Handeln des Senats steht insoweit im Einklang mit der Schuldenbremse.
Die zur Krisen(folgen)abwehr erforderlichen Mittel und damit auch die Höhe der zulässigen notfallbedingten Kreditaufnahme sind allerdings auch mit haushalts- und verfassungsrechtlichen Kriterien schwer konkret zu bemessen.
Die Milliarden aus den Notfallkrediten führen aktuell zu der Situation, dass es eher ein Zuviel an Mitteln gibt. Schon 2020 standen mehr Hilfsmittel zur Verfügung, als tatsächlich verausgabt werden konnten. Eine Aufstellung des Rechnungshofs zeigt: Von 1.625 Mio. Euro sind faktisch nur 501 Mio. Euro ausgegeben worden.
Dadurch besteht die Gefahr, dass Corona-Hilfsmittel entweder abseits ihrer Zielbestimmung verbraucht werden oder mittelbar in „Spartöpfen“ für spätere Zeiten landen. Daher fordert der Rechnungshof:
- Das im Zuge der Pandemie zur Verfügung gestellte Geld darf nur für Zwecke eingesetzt werden, die inhaltlich und zeitlich direkt mit der Pandemie und ihren Folgen verknüpft sind. Als Faustregel zur Auslegung des Verfassungs- und Haushaltsrechts kann gelten: Alles, was auch ohne Corona bereits vorgesehen war oder was in der Umsetzung über 2022 hinausgeht, wird die rechtlichen Voraussetzungen für eine Finanzierung aus Notfallkrediten nicht erfüllen.
- Es darf auch an Notfallmaßnahmen nur durchgeführt werden, was den Kriterien eines wirtschaftlichen und sparsamen Mitteleinsatzes entspricht.
- Die Finanzierung über Notfallkredite ist nachrangig einzusetzen: Finden sich bereits Ermächtigungen im Haushalt, sind diese vorrangig zu nutzen. Anderenfalls könnte dies dazu führen, dass die Corona-Hilfsmittel dazu genutzt werden, im laufenden Haushalt „Spartöpfe“ für spätere Jahre (sog. Haushaltsreste) anzulegen.
- Der Senat sollte die Neuverschuldung und die Tilgung jährlich in Übersichten transparent darstellen („Kontrollkonten“).
Wir blicken auf eine schwierige finanzpolitische Zeit. Die Zeiten eines stetigen Wachstums der im Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel sind auf mittlere Sicht erst einmal vorbei:
- Der Einbruch der Steuererlöse infolge der geringeren Wirtschaftsleistung reduziert den Handlungsspielraum ab 2022 voraussichtlich um mehr als 250 Mio. Euro jährlich.
- Die notfallbedingten Kredite sind ab 2025 jährlich um 150 Mio. Euro zu tilgen.
Vor dem Haushalt liegt mittelfristig eine Durststrecke, die wieder einen restriktiveren Kurs verlangt.
Präsident Dr. Schulz: „Die gegenwärtige akute Krise ist für die Stadt eine enorme Herausforderung. Rein finanzpolitisch ist sie aber vielleicht einfacher, als das was danach kommt. Denn: Gegenwärtig können alle Ausnahmeklauseln der Schuldenbremse genutzt werden und Kredite in enormem Umfang aufgenommen werden. Die mühsame Arbeit, diese Vorbelastungen wieder abzubauen, kommt danach.“