Zitronenjette Hamburg

Denkmal für ein Hamburger Original

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Von 1854 bis 1894 tingelte eine kleine Frau Tag und Nacht durch Hamburg und verdiente sich mit dem Verkauf von Zitronen ihren kargen Lebensunterhalt. An die Zitronenjette erinnert ein Denkmal in der Nähe der St. Michaelis-Kirche.

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Fredrik Matthaei

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Jedermann kannte die lustige Zitronenjette

Mit bürgerlichem Namen hieß die nur etwa 1,30 Meter große Frau Henriette Johanne Marie Müller. In 1841 wurde sie in Dessau geboren. Von ihrem dreizehnten Lebensjahr an war sie in Hamburg als "fliegende Händlerin" unterwegs. Mit dem Ausruf "Zitroon, Zitroon, frische Zitroon!" pries sie die Südfrüchte an, die sie zuvor den Matrosen am Hafen abgekauft hatte.

Tagsüber verkaufte Zitronenjette ihre Ware in den Straßen im Stadtteil Grasbrook, nachts zog sie mit ihrem Korb durch die Kneipen von Neustadt und St. Pauli. Sie kleidete sich auffällig: Ihr kurzer Rock bedeckte kaum die Knie, eine blaue Schürze flatterte darüber. Viele Kneipenbesucher der Reeperbahn (was link with id: 3142) und umliegenden Straßen machten sich einen Spaß daraus, der Händlerin mit dem schlichten Gemüt ein Glas Schnaps zu spendieren. Zitronenjette nahm dankend an, witzelte mit ihren Kunden, sang auch mal ein deftiges Liedchen. Was sie nicht merkte, war der Spott der Menschen, die sie nur zu gern übers Ohr hauten.

Immer mehr verfiel die Händlerin dem Alkohol. In 1894 wurde sie von der Polizei aufgegriffen, entmündigt und wegen Trunkenheit und geistiger Verwirrung in die Separat-Irren-Anstalt Friedrichsberg in Barmbek eingeliefert. Zwar wurde sie nicht als geisteskrank behandelt, verbrachte dort aber die nächsten 22 Jahre bis zu ihrem Tod.

Die Hamburger behielten Zitronenjette stets in Erinnerung

Bereits in 1900, noch zu Zitronenjettes Lebzeiten, wurde ein nach ihr benanntes Schauspiel im St. Pauli Theater aufgeführt. Zwanzig Jahre später folgte ein weiteres Volksstück, in dem das Straßenleben Hamburgs zu Zeiten der tingelnden Verkäuferin humoristisch nachgezeichnet wurde. In 1940 gedachte ein feinfühligeres Theaterstück Zitronenjettes Leiden. Henry Vahls letzter schauspielerischer Erfolg und seine letzte Paraderolle war die der Zitronenjette von 1973 bis 1975, die er von 1973 bis 1975 rund zweihundert Mal verkörperte.

Im Jahr 1986 wurde ihr zu Gedenken ein Denkmal in Nähe des Michels und der Krameramtsstuben aufgestellt. Geschaffen wurde es von dem Bildhauer Hansjörg Wagner. Auf der Gedenktafel steht auf Plattdeutsch: "Dien Leben wer suur as de Zitroonen, sall sick dat Erinnern an di lohnen? Dien Schiksol wiest op all de Lüüd, for de dat Glück het gor keen Tiet". Auf Hochdeutsch heißt das: Dein Leben war sauer wie die Zitronen, soll sich das Erinnern an dich lohnen? Dein Schicksal erinnert an all die Leute, für die das Glück gar keine Zeit hat.

Wie Wasserträger Hummel zählt Zitronenjette zu den Hamburger Originalen. Das Denkmal erfreut sich großer Beliebtheit. Zitronenjettes vorgestreckte Hand ist im Laufe der Jahre blankpoliert worden, denn sie anzufassen soll Glück bringen.