Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Felicitas Kukuck

( Felicitas Kukuck, geb. Cohnheim, seit 1917 Kestner )
(2.11.1914 Hamburg – 4.6.2001 Hamburg)
Komponistin, Trägerin der Biermann-Ratjen-Medaille und der Johannes-Brahms-Medaille der Freien und Hansestadt Hamburg
Lichwarkschule, Grasweg (zur Schule gegangen)
Lola-Rogge-Schule, Elbchaussee 499 (Wirkungsstätte)
Am Hang 9, (Wohnadresse in Hamburg Blankenese)
Namensgeberin für Felicitas-Kukuck-Straße, benannt 2016 in Altona-Nord
Bestattet auf dem Blankeneser Friedhof, Sülldorfer Kirchenweg 151, Grablage: A1, 718
Mitte: Der deutsche Komponist Paul Hindemith im Jahr 1937 mit Studenten. Rechts neben ihm Felicitas Kestner (spätere Kukuck)., Bild: www.felicitaskukuck.de
1988 bekam Felicitas Kukuck als erste Frau, die elf Jahre zuvor in Hamburg zum ersten Mal verliehene Biermann-Ratjen-Medaille überreicht.
Margret Johannsen hat eine Biografie über Felicitas Kukuck verfasst. Sie schreibt: „Als Komponistin eines umfangreichen Werkes geistlicher und weltlicher Musik leistete Felicitas Kukuck in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen wichtigen Beitrag zum hamburgischen Musikleben.“ [1]
Felicitas Kukuck stammte, so Magret Johannsen „ aus einem Elternhaus namens Cohnheim und wurde im ‚Dritten Reich‘ als ‚Vierteljüdin‘ eingestuft, weil ihr Vater trotz seiner drei jüdischen Großeltern Benjamin Cohnheim, Dorothea Cohnheim, geb. Salomon und des zum Protestantismus konvertierten Otto Lewald offiziell als ‚Halbjude‘ galt – wahrscheinlich auf Betreiben seines Sohnes Theodor Lewald, Gründer des Nationalen Olympischen Komitees und bis 1938 dessen Präsident. 1917 erhielt sie auf Grund einer elterlichen Namensänderung den Nachnamen Kestner. Erst nach der Machtübernahme 1933 erfuhr die Neunzehnjährige von ihrer jüdischen Herkunft. Dass es möglicherweise von lebenswichtiger Bedeutung sein könne, über den dritten jüdischen Vorfahren Otto Lewald Stillschweigen zu bewahren, war ihr wie allen anderen Familienmitgliedern bewusst.
Ihr Vater war von Beruf Physiologe und ihre Mutter Sängerin. Sie förderten die künstlerische Entwicklung ihrer Tochter von Kindheit an und ermöglichten ihr den Besuch von Schulen, in deren Curriculum Musik einen hohen Stellenwert hatte, insbesondere der reformpädagogischen Lichtwark-Schule und – nach der Machtübernahme bzw. der Ersetzung des Schulleiters Heinrich Landahl durch das NSDAP-Mitglied Erwin Zindler im März 1933 – der Schule am Meer auf Juist unter Leitung von Martin Luserke. Zu ihren Lehrern gehörten (…) [auch], Edith Weiß-Mann [ihr Grabstein steht im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof] (Klavier) (…). Als Mitglied der Kommunistischen Jugend textete und komponierte sie Agit-Prop-Lieder, die sie zusammen mit ihren Genossen und Genossinnen in Hamburg-Eimsbüttel auf einem Lastwagen stehend und in Hamburg-Hoheluft in einem Kino aufführte.
1935 legte sie ihr Abitur an der Odenwaldschule ab. Ihr Vorhaben, an der Staatlichen Hochschule für Musikerziehung und Kirchenmusik in Berlin zu studieren, um Schulmusikerin zu werden, musste sie wegen ihrer ‚nicht-arischen‘ Herkunft aufgeben. Sie nahm stattdessen das Musikstudium an der Staatlichen Akademischen Hochschule für Musik in Berlin auf. Vom Oktober 1935 bis März 1937 studierte sie Klavier bei Carl-Adolf Martienssen, dann bis Juli 1939 Flöte bei Gustav Scheck und Klavier bei Rudolf Schmidt. Bei Paul Hindemith (…) studierte sie Komposition. (…) Im März 1937 bestand sie die Staatliche Privatmusiklehrerprüfung mit der Lehrbefähigung für Klavier, erhielt aber als ‚Nicht-Arierin‘ keinen Unterrichtserlaubnisschein. Sie gab dennoch Klavierstunden und Blockflötenkurse in der Jutta-Klamt-Schule für Tanz in Berlin. Am 30. Juni 1939 bestand sie an der Musikhochschule die Abschlussprüfung in Klavier bei Rudolf Schmid und erhielt das Zeugnis der Reife. (…)
Am 3. Juli 1939 heiratete sie ihren Freund Dietrich Kukuck, den sie aus der Lichtwark-Schule kannte und mit dem sie in Berlin seit 1936 zusammenlebte. Sie trat im Herbst 1939 mit einer Sondergenehmigung als Komponistin in die Reichsmusikkammer ein, nachdem das mehrfach befragte Gau-Personalamt der NSDAP keine politischen Bedenken erhoben hatte, ‚sofern sie bei Veranstaltungen der NSDAP sowie deren Organisationen nicht auftritt und auch nicht im schöpferischen Sinne tätig wird.‘ 1940 kam ihr erster Sohn zur Welt. Im Winter 1940/1941 gab sie einen Kompositionsabend, der sehr positive Kritiken erhielt. 1942 wirkte sie als Blockflötistin in der ‚Spielgemeinschaft Emil Seiler‘ für dessen Radio-Sendung ‚Schatzkästlein‘ mit und bestritt Hausmusikabende in den Tanzschulen von Jutta Klamt und Ingeborg Pröhl. (…) Während des Krieges bot sie einer untergetauchten Jüdin namens Elisabeth (Jakobus) Feilchenfeld, vormalig Lehrerin an der Hamburger Talmud-Tora-Schule, Zuflucht und Hilfe bei der Lebensmittelbeschaffung.
(…) Im November 1945 kehrte sie mit einem Flüchtlingstreck nach Hamburg zurück. 1946 kamen ihre Zwillingstöchter und 1948 ihr zweiter Sohn zur Welt. 1947 machte sie die Bekanntschaft von Gottfried Wolters, Lektor des Möseler-Verlages. Unter seinem Einfluss wandte Kukuck sich verstärkt der Vokalmusik zu. (…). Mit seinem Norddeutschen Singkreis führte Wolters eine Reihe ihrer Werke auf, darunter die Motette ‚Mariae Verkündigung‘ (…).
Felicitas Kukuck (ca 1950), Bild: www.felicitaskukuck.de
Kukuck engagierte sich seit den 1950er Jahren stark in der Laienmusik. Sie machte Schulfunksendungen für Radio Bremen, (…), spielte in einem Fidelquartett und gab beim Möseler-Verlag die Reihe ‚Der Fidelbogen‘ heraus. Sie führte Musikwochen mit Laien durch und leitete 1960-1965 einen Volkshochschulchor. (…) Einem Ruf an die 1958 gegründete Musische Bildungsstätte in Remscheid (seit 1968 Akademie Remscheid für musische Bildung und Medienerziehung e. V.) für das Referat Musik folgte sie nicht, weil sich dies nicht mit ihrer Rolle als Mutter von vier Kindern vereinbaren ließ.
1967 wurde ihre Ehe geschieden. Sie gründete im gleichen Jahr den Kammerchor Blankenese, mit dem sie viele ihrer Kompositionen (ur)aufführte. 1971-1981 unterrichtete sie an der Lola-Rogge-Schule für Tanz und tänzerische Gymnastik. (…) In den 1980er Jahren war sie in einer Friedensgruppe aktiv. 1982-1991 regte die Zusammenarbeit mit dem Pastor der Kirchengemeinde Blankenese sie zu Kompositionen wie der Kantate ‚Klagelieder Jeremias‘, dem ‚Worpsweder Hirtenspiel‘ nach Manfred Hausmann sowie kleiner Stücke für den Gottesdienstgebrauch an. 1983-1997 arbeitete sie mit ihrer Tochter Margret Johannsen zusammen, die für sie Texte schrieb, unter anderem für die Kirchenoper ‚Der Mann Mose‘ und das Oratorium ‚Ecce Homo‘, für die Kantaten ‚Und es ward: Hiroshima‘, (…).
Felicitas Kukuck war bis zu ihrem Lebensende eine ungewöhnlich produktive Komponistin, deren Œuvre neben Instrumentalstücken zahlreiche Werke geistlicher und weltlicher Vokalmusik enthält, vom Kanon bis zum Oratorium. Sie blieb zeitlebens der Tonalität verpflichtet, aber sie war offen für Erweiterungen des Tonalitätsbegriffs und entwickelte einen als ‚freimodal‘ bezeichneten Kompositionsstil. Neuere Kompositionstechniken setzte sie stets als Mittel zur Intensivierung der Textaussage ein. Intervallstrukturen schrieb sie eine symbolische Bedeutung zu; zuweilen setzte sie in semantischer Absicht bei der Verwendung von Zwölftonreihen das Verfahren der Zahlensymbolik ein. Oft waren Sprechrhythmus und Sprachmelodie Ausgangspunkt ihrer Kompositionen. Sie berücksichtigte beim Komponieren zudem äußere Bedingungen, vor allem den Zweck der Komposition und das Können der Musizierenden. Für einige ihrer Kompositionen schrieb sie auch die Texte und verfasste überdies einige dramatische Werke. Ihre jüdische Herkunft hinderte sie daran, Schulmusikerin zu werden, was ihr die Chance eröffnete, als Komponistin schöpferisch tätig zu sein. (…)
Am 4. Juni 2001 starb Kukuck in Hamburg. Ihr Nachlass wird vom Archiv Frau und Musik in Frankfurt verwaltet. Einige ihrer Werke sind auf Schallplatten erschienen. Nach ihrem Tod erschienen die CD ‚Felicitas Kukuck. Von den Anfängen bis zum Spätwerk‘ und die CD ‚Gespräche mit Felicitas Kukuck über die Musik‘ als Privateditionen sowie die Website www.felicitaskukuck.de..“ [2]
Quellen:
1 Margret Johannsen: Felicitas Kukuck, in: Hamburgische Biografie: Personenlexikon. Hrsg. von Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke. Bd. 4. Hamburg 2008, S. 203ff.
2 Margret Johannsen über Felicitas Kukuck unter www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00001443
 

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