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Maria Holst

( Maria Holst, geb. Flügge )
(7.11.1922 Hamburg – 28.11.2022 Hamburg)
Zeitzeugin, engagiert in der Aufarbeitung der jüdischen Verfolgung während der NS-Zeit
Erikastraße 140 (Wohnadresse)
Geboren wurde Maria Holst als zweites Kind der Lehrerin Elisabeth Flügge, geb. Uhrbach, und des Kaufmanns Hermann Flügge. 1926 ließen sich Maria Holsts Eltern scheiden.
Ab Ostern 1929 besuchte sie die „Privat-Realschule für Mädchen" von Ria Wirth am Mittelweg und schloss diese mit der „Mittleren Reife" im Jahr 1938 ab. An dieser Schule war auch ihre Mutter Elisabeth Flügge von 1926 bis 1938 als Lehrerin tätig. Als nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Fräulein Wirth in den 1930er Jahren ihrer demokratischen Gesinnung untreu wurde, „war dies für meine Mutter unbegreifbar und schmerzlich. Das Klima in der Schule begann sich zu ändern. Die jüdischen Schülerinnen wurden mehr und mehr ausgegrenzt“, 1) schreibt Maria Holst über ihre Mutter.
Maria Holst war im demokratischen und liberalen Sinne erzogen worden. Während sie ihre Kinder- und Jugendjahre unbeschwert und von Lebensfreude bestimmt in Erinnerung hatte, blieb ihr – wie sie schreibt: „verborgen, dass sie [ihre Mutter] die politische Entwicklung in Deutschland mit wachsender Sorge und tiefgreifenden Befürchtungen begleitete. Ihrer liberalen Haltung entsprechend opponierte Mutter gegen die Veränderungen in der Schule. Sie pflegte freundschaftliche Beziehungen zu den Eltern ihrer jüdischen Schülerinnen und nahm z. B. jüdische Kinder mit in die Sommerferien, als ihnen andere Reisen nicht mehr möglich waren. So mietete sie ein Haus in der Lüneburger Heide, wo sie mit ihren beiden Kindern [Maria und ihr Bruder Hermann, R. B.] und einem Dutzend Schülerinnen die Ferien verbrachte. Diese Ferienfahrten unternahm sie bis 1937.“ 2)
In diesem oppositionellen Umfeld zum NS-Regime wuchs Maria Holst auf, besuchte nach dem Abschluss der „Mittelschule“ ein Jahr die Heilwigschule und absolvierte zwischen 1939 und 1941 eine Ausbildung zur „Kindergärtnerin und Hortnerin" am Fröbelseminar in Hamburg. In dieser Zeit fürchtete sie um ihre Mutter. Dazu schrieb sie: „Mutters Loyalität gegenüber ihren jüdischen Freunden ging sehr weit. Mehrfach exponierte sie sich dermaßen, dass eine Anzeige bei der Gestapo sie sofort ins KZ gebracht haben würde. Uns als Kinder und Jugendliche vermittelte sie ihre Weltanschauung in einer Weise, die uns ganz zu ihrer Verbündeten machte. Allerdings begleitete uns eine ständige Angst vor einer Verhaftung unserer Mutter.
Wie durch ein Wunder blieben wir zwar verschont vor einer Verhaftung meiner Mutter durch die Gestapo, nicht aber von einem schweren Schicksalsschlag.“ 3) Maria Holst, die von 1941 bis 1945 als Erzieherin im Kinderheim "Hohes Licht" in Oberstdorf und im Landerziehungsheim Marienau arbeitete, hatte Anfang 1945 den Verlust ihres Bruders zu beklagen. „Mein Bruder, Jahrgang 1920, wurde im letzten Kriegsjahr als Fahnenjunkerfeldwebel zur Kriegsschule nach Potsdam abkommandiert. Als ihm klar wurde, dass er den Lehrgang zwangsläufig als Leutnant beenden würde, verweigerte er die bevorstehende Beförderung. Für diese Verweigerung wurde er zum Tode verurteilt. Verständlicherweise bemühte sich meine Mutter, ihren Sohn zu einem Kompromiss zu bewegen. Aber mein Bruder blieb bei seiner Haltung. Im letzten Moment stellte man fest, dass unser Vater als Oberstleutnant in Norwegen stationiert war und bat ihn um eine Stellungnahme. Er ahnte nicht, dass die Haltung seines Sohnes einer festen Überzeugung entsprang und erklärte sie als psychisch bedingte Störung. So wurde mein Bruder zwar begnadigt, aber dafür sofort nach Russland in den Kurlandkessel kommandiert. Wenige Wochen später fiel er dort im Januar 1945. Für meine Mutter war dies die schmerzlichste Konsequenz der Erziehung ihrer Kinder.“ 4)
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus besuchte Maria Holst – ihre Mutter arbeitete ab 1946 als Schulleiterin der Volksschule Bäckerbreitergang und ab 1947 als Schulleiterin der Volksschule Erikastraße - von 1945 bis Ostern 1947 die Brecht-Schule in Hamburg, an der sie das Abitur machte.
1947 begann sie an der Hamburger Universität ein Theologiestudium. Nach drei Semestern wechselte sie das Studienfach und begann ein Lehramtsstudium (Pädagogik) mit Religion als Unterrichtsfach. 1951 erfolgte das Erste Staatsexamen für das Lehramt an Volks- und Realschulen. Ihre erste Anstellung als Lehrerin hatte sie zwischen 1951 und 1956 an der Nissenhüttenschule in Groß Borstel. In dieser Zeit heiratete sie 1953 den Sozialpädagogen Friedrich Holst. 1954 wurde das erste Kind, der Sohn Friedemann, geboren. 1956 erfolgte das Zweite Staatsexamen. Ein Jahr später kam die Tochter Bettina auf die Welt. Fortan blieb Maria Holst zu Hause und widmete sich der Erziehung ihrer Kinder und der Familienarbeit.
1968 erfolgte der Wiedereinstieg in die Berufstätigkeit als Lehrerin an der Grundschule Kielortallee in Hamburg.
Als ihr Ehemann schwer erkrankte, ließ Maria Holst 1984 ihren Arbeitsvertrag mit der Schulbehörde auflösen. Im selben Jahr verstarb ihr Mann am 31.8.1984.
In den folgenden Jahren gab Maria Holst ehrenamtlich Deutschunterricht für vietnamesische Flüchtlinge in Hamburg. Auch trug sie zur historischen Aufarbeitung der Verfolgung jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in Hamburg bei, auch im Zusammenhang mit den Aktivitäten ihrer Mutter während der NS-Zeit.
So erinnerte sie noch 2017, im Alter von 95 Jahren, in der St. Nikolai Kirche an die jüdischen Ehepaare Erna und Richard Jilovsky und Else und Lampert Leopold. Bereits 2012 hatte Maria Holst in einer Veranstaltung des Arbeitskreises „Stolpersteine an St. Nikolai“ genauer über das Schicksal der bereits oben erwähnten Freunde und über ihr eigenes Schicksal berichtet.
Maria Holst ging auch in Schulen und berichtete als Zeitzeugin über die Zeit des Nationalsozialismus und die Verfolgung der Jüdinnen und Juden.
Maria Holst übergab Dr. Rita Bake drei Kladdehefte, in denen Maria Holsts Mutter in den Anfangsjahren der NS-Zeit Zeitungsartikel aus dieser Zeit eingeklebt hatte und diese kommentierte, um für sich Klarheit über diese Politik zu gewinnen. Dieses wurde 2001 von Rita Bake für die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg veröffentlicht. 5) Ebenso übergab Maria Holst Dr. Rita Bake ein Manuskript, verfasst von ihrer Freundin Elsa Bernstein, die nach der Befreiung aus dem KZ Theresienstadt auf einer Blindenschreibmaschine ihre Erinnerungen an das Prominentenhaus in Theresienstadt aufgeschrieben hat. Auch dieses Manuskript wurde veröffentlicht. Es erschien erstmals 1999 unter dem Titel „ Elsa Bernstein. Das Leben als Drama“. 6)
Bis zuletzt leistete Maria Holst ehrenamtliche Mitarbeit im Spendenparlament. Sie war Mitglied in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), der Goethe Gesellschaft Hamburg sowie der Seniorenkantorei der Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern
Am 28.11.2022, drei Wochen nach ihrem 100.Geburtstag, verstarb Maria Holst im eigenen Haus nach kurzer schwerer Krankheit.
Quellen:
1) Maria Holst: Meine Mutter. Von ihrer Tochter Maria Holst, in: Rita Bake (Hrsg.): Wie wird es weitergehen … Zeitungsartikel und Notizen aus den Jahren 1933 und 1934: gesammelt und aufgeschrieben von Elisabeth Flügge. Hamburg 2001, S. 12f.
2) Maria Holst, a. a. O., S. 13.
3) Ebenda.
4) Ebenda.
5) Rita Bake (Hrsg.): Wie wird es weitergehen … Zeitungsartikel und Notizen aus den Jahren 1933 und 1934: gesammelt und aufgeschrieben von Elisabeth Flügge. Hamburg 2001.
6) Elsa Bernstein: Das Leben als Drama. Erinnerungen an Theresienstadt. Hrsg., von Rita Bake und Birgit Kiupel. Hamburg 1999. (3. Auflage 2011.)
 

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Frauen, die in Hamburg Spuren hinterlassen haben
(Datenbank Stand: April 2024) Frauen stellen mindestens die Hälfte der Menschheit. Wenn es aber um Erinnerungen geht, sind es immer noch in der Mehrzahl Männer, die die Spitzenplätze einnehmen.

Hammonia

Hamburger Frauenbiografien-Datenbank

Erklärung zur Datenbank

Stand April 2024: 1318 Kurzprofile von Frauen und 437 sonstige Einträge z. B. Vereine, Aktionen, Zusammenschlüsse und Überblicksdarstellungen zu Themen der Frauenbewegungen.

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Zuletzt eingetragene Namen

Wesentlich aktualisiert im Januar 2024: Emma Gertrud Eckermann
Januar 2024: Astrid Matthiae
Februar 2024: Gisela Engelin-Hommes, Barbara Ahrons
März 2024: Abel Margaretha Sophia Forsmann
Wesentlich aktualisiert im März 2024: Albertine Kruse
April 2024: Ingeborg Suhr, Helga Berg

Was erwartet Sie in der Frauenbiografie-Datenbank?

Die Zahlen allein für Hamburg sind ernüchternd: 2868 Verkehrsflächen sind nach Männern und Jungen (8) benannt (darin enthalten: Literarische Gestalten (86), frei gewählte männliche Vornamen (12) sowie nach Familien benannte Straßen (198). Letztere wurden zu den Männerstraßennamen zugezählt, weil hier in erster Linie die männlichen Familienangehörigen gemeint sind, die in vielen Fällen mit Namen genannt werden bzw. ihre Berufe aufgezählt werden).
Nur 474 Straßen sind nach Frauen und Mädchen (9) benannt. (Das sind 14% der nach Personen benannten Straßen. Darin enthalten sind: Literarische Gestalten (39), frei gewählte weibliche Vornamen (21) sowie nach Frauen und Männern benannte Straßen (66). Bei Letzteren handelt es sich in erster Linie um nachträglich nach Frauen mitbenannte Straßen, die ehemals nur nach den Nachnamen von bedeutenden männlichen Familienangehörigen benannt worden waren) (Stand: Januar 2024).

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Anzahl der Denkmäler und Erinnerungstafeln. Auch bei Ehrungen und Auszeichnungen wird oft an IHN und nur wenig an SIE gedacht.

Trotz aller Leistungen von Frauen scheint die Erinnerung an sie schneller zu verblassen, sind die Archive und Netze der Erinnerung besonders löchrig - erweist sich die Wertschätzung weiblichen Wirkens als gering. Wie oft heißt es, wenn auch Frauen geehrt werden könnten:

„Uns ist dazu keine Frau von Bedeutung bekannt!“

Ein Argument, das in Zukunft keine Chancen hat, denn es gibt jetzt diese Datenbank. Eine Bank, die ihren Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen verspricht, denn das Kapital ist das historische Wissen. Geschöpft aus Archivmaterialien, Lexika, Zeitungsartikeln und –notizen, aus veröffentlichten Biografien, zusammengetragen und erforscht von Einzelpersonen etc., bietet die Datenbank die beste Voraussetzung für eine hohe gesellschaftliche Wirksamkeit - im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit. Die Früchte dieser Datenbank sollen die Bedeutung von Frauen für Hamburgs Geschichte leicht zugänglich machen und selbstverständlich in den Alltag von heute tragen.

Im Mittelpunkt stehen verstorbene Frauen, die in Hamburg gewirkt und/oder gewohnt und die Spuren hinterlassen haben. Das können Autorinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen, Kneipenwirtinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, bildende Künstlerinnen, Sängerinnen, Unternehmerinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, Juristinnen, Journalistinnen, Widerstandkämpferinnen gegen und Opfer des NS-Regime etc. sein – aber auch Täterinnen.

Wir stellen keineswegs nur „prominente“ Frauen oder hehre Vorbilder vor – sondern auch das Wirken und Leben der „kleinen Frau“ auf der Straße, die oft im Stillen gearbeitet hat, für die Familie, die Stadt, die Partei, die Kunst, für sich.

Darüber hinaus präsentieren wir Ihnen auch Orte, Einrichtungen, Vereine und Themen, die für Frauen von historischer Bedeutung waren und sind.

An dieser Datenbank wird kontinuierlich gearbeitet. Es werden laufend neue Namen und Rechercheergebnisse eingestellt.

Wie nutzen Sie die Datenbank?

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Die einzelnen Frauen sind in der Regel mit einer Adresse verzeichnet – für ihre Wohnung bzw. ihren Wirkungsort. Mehrere Umzüge und Ortswechsel können in der Regel nicht recherchiert werden.

Achtung: Die Namen und Verläufe von Straßen haben sich oft verändert. Wer wissen möchte, wo bestimmte Hausnummern heute zu finden sind, muss alte Stadtpläne oder u. U. Grundbucheintragungen einsehen. Es gibt beim Statistikamt Nord einen alte Kartei der so genannten "Hausnummerhistorien", in der sich alte und neue Hausnummern gegenüberstehen. Bei Umnummerierungen von Hausnummern aber auch bei Umbenennungen von Straßennamen kann hier eine raschere Auskunft möglich sein, als über den Vergleich von alten und neuen Lageplänen (freundliche Auskunft von Jörg-Olaf Thießen Staatsarchiv Hamburg). Wer dann noch nicht weiter kommt, sollte sich an das Staatsarchiv wenden. Viele Stadtpläne sind bereits online einsehbar.

Verantwortlich für die Datenbank:

Dr. Rita Bake
stellvertretende Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg a. D.
Gründerin des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Die Datenbank wurde von ihr zusammengestellt und wird laufend von ihr ergänzt und erweitert.
Diverse Frauenbiografien sind von verschiedenen Autorinnen und Autoren verfasst worden. Die Namen der Autorinnen und Autoren finden Sie jeweils am Ende ihrer Beiträge. Es gibt auch eine Rubrik: Autorinnen und Autoren, in der Sie deren biografische Angaben finden.

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